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19. Kapitel

Der nächste Bericht Kmiziz' kam von Sokolki und lautete kurz: »Der Fürst simuliert, um unsere Armee irre zu führen, einen Rückzug nach Schtschutschin, wohin er einen Vortrab gesandt hat. Seine Hauptmacht steht bei Janowo. Er hat dort einen Zuzug von Fußsoldaten unter dem Kommando des Kapitän Kyritz erhalten. Wir können die Lagerfeuer im Lager des Fürsten leuchten sehen. In Janowo soll acht Tage gerastet werden. Die Gefangenen sagen aus, daß der Fürst es auf eine Schlacht ankommen lassen will. Das Fieber hat ihn noch immer nicht verlassen.«

Nach dem Empfange dieses Berichtes, ließ Herr Sapieha den Rest seiner Wagen und Kanonen zurück und marschierte nach Sokolki. Da endlich standen sich die beiden feindlichen Heere gegenüber. Die Schlacht war nun unvermeidlich, da das eine Heer nicht mehr entfliehen, das andere nicht mehr verfolgen konnte. Vorläufig standen sie, wie zwei nach langer Hetzjagd ermüdete Rüden sich gegenüber, den rechten Zeitpunkt des Angriffs erwartend, verschnaufend und Kräfte sammelnd.

Als der Hetman Kmiziz wiedersah, umarmte er ihn und sprach:

»Ich war sehr zornig auf euch, als ihr so lange nichts von euch hören ließet; aber ich sehe, daß ihr mehr geleistet habt, als ich hoffen durfte. Wenn Gott uns den Sieg giebt, so wird das euer, nicht mein Verdienst sein. Ihr habt ja den Boguslaw begleitet, als wolltet ihr sein Schutzgeist werden.«

Die Augen Kmiziz' leuchteten unheilverkündend auf.

»Wenn ich je sein Schutzgeist bin, dann muß ich in der Stunde seines Todes bei ihm sein,« sagte der Ritter.

»Das steht in Gottes Hand,« entgegnete der Hetman ernst. »Soll Gott euch aber seinen Segen verleihen, so seht allezeit in ihm den Feind des Vaterlandes und nicht den persönlichen Feind.«

Kmiziz verbeugte sich zustimmend, trotzdem konnte man nicht wahrnehmen, daß die schönen Worte des Hetman irgendwelchen Eindruck auf ihn gemacht hätten; sein Gesicht hielt den Ausdruck unauslöschlichen Hasses fest und er trat um so schärfer hervor, als während der großen Mühsale der letzten Wochen sein Körper noch mehr abgemagert war. Früher malte sich in diesem Gesicht nur der Widerschein eines mutigen, verwegenen Charakters, jetzt blickte Grausamkeit und Haß daraus. Man gewann die Ueberzeugung, daß derjenige, welchem dieser Mensch Rache geschworen hatte, verloren war, sei es auch gleich ein Radziwill.

Sein Rachewerk hatte schon begonnen. Durch sein schlaues Vorgehen hatte er Boguslaws Berechnungen verwirrt; er hatte ihm die Angst eingeflößt, daß er sich vom Feinde umringt wähnte. Er hatte ihn zum Rückzug gezwungen, ihn Tag und Nacht begleitet. Patrouillen aufgegriffen und die Gefangenen grausam mißhandelt. Bei Siemiatyze, bei Bocki und Orla hatte er mitten in der Nacht das ganze Lager aufgestört. In Wojschki unweit Sabludowo, welches ein rechtmäßiges, altes Besitztum der Radziwills war, hatte er wie ein Wirbelwind das Hauptquartier des Fürsten überfallen, während derselbe beim Mittagstisch saß. Um ein Haar wäre der Fürst damals in Gefangenschaft geraten und nur dem Herrn Sakowitsch, dem Unterkämmerer von Orschmian, hatte er es zu danken, daß er mit heiler Haut davonkam. Bei Bialystock hatte Kmiziz die Karossen und Kredenzwagen dem Fürsten weggenommen, seine Soldaten gehetzt bis zur völligen Ermüdung. Die schöne deutsche Fußsoldateska und die schwedischen Reiter schwankten einher, wie ausgehungerte Schatten, fortwährend geängstigt und fast sinnlos von den schlaflosen Nächten. Von allen Seiten her hatte er durch das Geheul der Tartaren ihre Ruhe stören lassen. Kaum hatte der müde Soldat die Augen zum Schlaf geschlossen, da mußte er schon wieder zur Waffe greifen. Je länger, desto toller hatte er es getrieben.

Der die Gegend bewohnende Kleinadel schloß sich den Tartaren an, teils aus Haß gegen die Radziwills, teils aus Furcht vor Kmiziz, welcher die Widerspenstigen unbarmherzig strafte.

Dazu war Boguslaw thatsächlich erkrankt und wenn im Herzen dieses Menschen die Sorge auch niemals sich ernstlich einzunisten vermochte und die Astrologen, an die er blindlings glaubte, ihm vor seiner Abreise aus Preußen prophezeit hatten, daß seine Person von nichts Schlimmem betroffen werden würde, so litt sein Feldherrnstolz doch unsäglich unter diesen Zuständen. Er, dessen Feldherrnruhm ganz Frankreich, die Nieder- und die Rheinlande erfüllte, konnte in diesen vermaledeiten Wäldern nichts gegen einen unbekannten und unsichtbaren Feind ausrichten, der ihn täglich bekriegte.

Die Verfolgung seiner Armee überstieg an Hartnäckigkeit das sonst in Kriegen übliche Maß so sehr, daß Boguslaw mittels seines angeborenen Scharfsinnes schon nach wenigen Tagen zu vermuten begann, daß ein unerbittlicher persönlicher Feind ihn derartig in Aufregung hielt. Den Namen desselben erfuhr er bald, denn die ganze Gegend kannte ihn, aber Babinitsch war ihm fremd. Er hätte ihm so gern Auge in Auge gegenüber gestanden, doch wie sehr er sich auch Mühe gab, während der Patrouillenritte, die er selbst ohne Zahl unternahm, seinen Gegner einmal zu Gesicht zu bekommen; es war alles umsonst! Babinitsch verstand so vortrefflich ihm auszuweichen und ihn da zu treffen, wo Boguslaw es am wenigsten vermutete.

Jetzt endlich standen die Heere sich gegenüber. Boguslaw hatte thatsächlich durch Herrn von Kyritz Zuzug erhalten, welcher, nicht ahnend, wo der Fürst sich befand, aus eigener Initiative nach Janowo gekommen war. Hier sollte die Entscheidung fallen.

Kmiziz besetzte sorgfältig alle von Janowo führenden Wege nach Sokolki, Korotschin, Kuschnitza und Suchowola. In den umliegenden Wäldern, Weiden und Dickicht erhielten die Tartaren ihre Standorte. Keine Botschaft, kein Fouragewagen wurde durchgelassen. Darum lag Boguslaw viel daran, eine Entscheidung herbeizuführen, noch ehe seine Soldaten den letzten Zwieback aufgegessen hatten. Aber als scharfsinniger und in allerlei Listen erfahrener Mann wollte er erst versuchen, einen für sich günstigen Vertrag zustande zu bringen. Er wußte noch nicht, daß Herr Sapieha ihm in solchen Fällen an Schlauheit und Verstand weit überlegen war.

So kam denn eines Tages in Sokolki ein Abgesandter Radziwills, Namens Sakowitsch, an, welcher dem Gefolge des Fürsten angehörend, dessen intimer Freund war. Er brachte Briefe von Boguslaw und die Vollmacht, Frieden zu schließen.

Dieser Herr Sakowitsch war ein angesehener Mann, der später zur Senatorenwürde gelangte, da er Wojewode von Smolensk und Schatzmeister des Großherzogtums wurde; er war schon jetzt einer der berühmtesten Kavaliere Litauens, ebenso sehr durch seinen persönlichen Mut, wie durch seine große Schönheit bekannt. Er war von mittlerer Größe, hatte rabenschwarzes Haar und ebensolche Augenbrauen, während ein paar hellblaue Augen mit einer unvergleichlichen Dreistigkeit, kühn und verwegen in die Welt blickten, so daß der Fürst von ihnen zu sagen pflegte, sie stechen wie Skorpione.

Er trug gerne ausländische Kleider, welche er, gleich Boguslaw, von seinen Reisen mitgebracht hatte, sprach fast alle fremden Sprachen und warf sich mit fast wahnsinniger Heftigkeit in das Schlachtgetümmel, wo es einen Kampf gab. Deshalb nannte man ihn den »Verderbenbringer«. Dank seiner außerordentlichen Körperstärke und Geistesgegenwart kam er immer mit heiler Haut davon. Man erzählte von ihm, daß er eine in voller Fahrt begriffene Karosse sofort zum Stehen bringen konnte, indem er ihre Hinterräder packte; er konnte maßlos trinken, ein Quart in Spiritus eingelegte Pflaumen verschlang er, ohne davon betrunken zu sein, als sei das nichts. Mit den Untergebenen grausam und unzugänglich, schmolz er in Boguslaws Hand wie Wachs. Seine feinen Manieren, die ihn befähigten, sich selbst in höchster Gesellschaft zu bewegen, konnten doch nicht hindern, daß eine ungezügelte, wilde Leidenschaftlichkeit von Zeit zu Zeit zum Durchbruch kam.

Herr Sakowitsch war eher ein Genosse, denn ein Diener des Fürsten Boguslaw. Er, der Fürst, welcher niemanden liebte als sich selber, besaß eine ungewöhnliche Schwäche für diesen Menschen. Von Natur geizig, war er doch stets freigebig gegen Sakowitsch. Er hatte ihn durch seinen Einfluß zum Unterkämmerer gemacht und ihm die Starostei Orschmian geschenkt. Nach jedem Gefecht war des Fürsten erste Frage die: »Wo ist Sakowitsch? Ist ihm auch nichts zugestoßen?« Es lag ihm viel an dem Rate Sakowitsch's; er holte denselben ein, überall da, wo die Dreistigkeit und Unverschämtheit des Herrn Starosten Nutzen zu schaffen versprach.

Jetzt hatte er ihn zu Sapieha geschickt. Die Mission war eine äußerst schwierige, erstens, weil man im feindlichen Lager leicht geneigt sein konnte, ihn für einen zu halten, der gekommen war, die Stellung der Sapieha'schen Truppen auszukundschaften, zweitens, weil er viel zu verlangen, dagegen nichts zu bieten hatte.

Glücklicherweise war Herr Sakowitsch nicht so leicht ins Bockshorn zu jagen. Er trat also bei Herrn Sapieha ein, als ob er als Sieger käme, dem Besiegten seine Bedingungen zu diktieren, und heftete seine blassen Augen sogleich auf den Hetman.

Als Herr Sapieha dieses Manöver bemerkte, lächelte er mitleidig. Man kann mit einem dreisten, unverschämten Auftreten nur gewissen Menschen imponieren. Der Hetman aber war dem Abgesandten unendlich überlegen.

»Mein Gebieter, der Fürst aus Birz und Dubinki, Stallmeister des Großherzogtums und oberster Feldherr der Armee Seiner Herrlichkeit des Kurfürsten, sendet mich, euch seinen Gruß zu entbieten und mich nach eurem Ergehen zu erkundigen,« sprach Sakowitsch, während er auf den Hetman zuschritt.

»Bringt dem Fürsten meinen Dank und erzählt ihm, daß ihr mich gesund gesehen.«

»Ich habe auch ein Schreiben an Ew. Erlaucht abzugeben.«

Sapieha nahm den Brief in Empfang, öffnete ihn nachlässig, las den Inhalt desselben, dann sagte er gleichgültig:

»Mich reut die Zeit ... Ich kann nicht herausfinden, was der Fürst eigentlich mit dem Schreiben bezweckt ... Wollt ihr euch freiwillig ergeben oder euer Kriegsglück versuchen?«

Sakowitsch spielte den Verwunderten.

»Wir uns ergeben?« sprach er gedehnt. »Ich bin der Meinung, daß der Fürst eben in diesem Briefe Ew. Erlaucht proponiert, sich zu ergeben, ... meine Instruktion wenigstens ...«

»Eure Instruktionen auf später, mein Herr Sakowitsch! Wir jagen nun schon die dreißig Meilen hinter euch her, wie der Jagdhund hinter dem Hasen ... Habt ihr jemals gehört, daß der Hase dem Hunde den Vorschlag macht, sich zu ergeben?«

»Wir haben Verstärkung bekommen.«

»Von Kyritz mit achthundert Mann! ... ich weiß! ... Die anderen sind so mürbe, daß sie sich noch vor der Schlacht hinlegen werden ... Ich will euch sagen, was Chmielnizki zu sagen pflegte: ... schade ums Maulen!«

»Der Kurfürst steht mit seiner ganzen Macht hinter uns.«

»Das kann mich nicht anfechten. Uebrigens! wenn ihr euch so stark fühlt, warum laßt ihr es nicht auf eine Entscheidungsschlacht ankommen?«

»Der Fürst wäre schon längst vorgegangen, wenn ihn nicht das Blut der Landsleute dauerte.«

»Es hätte ihn schon früher dauern sollen!«

»Den Fürsten wundert auch der Haß der Sapiehas auf das Geschlecht der Radziwills und auch, daß Ew. Erlaucht sich nicht entblöden, einer Privatrache wegen das Vaterland mit Bruderblut zu tränken.«

Hier konnte Kmiziz, welcher hinter dem Sessel des Hetman der Unterredung zugehört hatte, nicht länger an sich halten.

»Pfui!« rief er.

Herr Sakowitsch stand auf, schritt bis dicht an Kmiziz heran und starrte ihm frech in die Augen.

Er hatte seinen Mann gefunden, aber einen, der ihm überlegen war. Der Starost mußte vor dem Blick Kmiziz' den seinigen senken.

Der Hetman runzelte die Stirn.

»Setzt euch, Herr Sakowitsch,« sagte er barsch, »und ihr da seid stille.« Dann wandte er sich dem Abgesandten zu:

»Das Gewissen sagt wohl die Wahrheit, der Mund aber zerkaut dieselbe und speit sie als Lüge in die Welt. Derjenige, welcher mit fremdländischem Heere das Vaterland überfällt, macht demjenigen Vorwürfe, der es verteidigt. Die Lüge schreit zu Gott und der himmlische Chronist schreibt sie in das Buch der ewigen Gerechtigkeit.«

»Die Verachtung und der Haß der Sapiehas haben den Fürst=Wojewoden von Wilna zu Grunde gerichtet,« versetzte Sakowitsch.

»Ich verachtete niemals die Radziwills, sondern die Vaterlandsverräter. Der beste Beweis dafür ist, daß der Fürst=Truchseß Michael Radziwill sich in meinem Lager befindet ... Sprecht endlich, was wollt ihr?«

»Ew. Erlaucht sollen hören, was ich auf dem Herzen habe: man verachtet denjenigen, welcher heimlicherweise Mörder gegen seinen Feind sendet.«

Der Hetman schaute etwas verblüfft drein.

»Ich hätte Meuchelmörder gegen den Fürsten ausgeschickt?« rief er.

Sakowitsch heftete seinen Skorpionblick wieder fest auf das Gesicht des Hetman.

»So ist es!« sagte er.

»Ihr seid von Sinnen, Mensch!«

»Man hat vorgestern unweit Janowo einen Menschen aufgegriffen, einen Totschläger, welcher schon einmal bei einem Anschlag auf das Leben des Fürsten hilfreiche Hand geleistet hat. Wir werden ihn durch die Folter zwingen, auszusagen, wer ihn ausgeschickt hat.«

Es entstand eine Pause, während welcher Sapieha hörte, wie Kmiziz leise ein paar Worte durch die zusammengepreßten Lippen zischte.

»O, wehe! Wehe!«

»Gott allein soll mich richten!« sagte der Hetman mit ernster Würde.

»Ich bin nicht gesonnen, weder vor euch, noch vor eurem Fürsten mich zu rechtfertigen, denn ich erkenne euch als Richter nicht an. Zum letztenmal fordere ich euch auf – kommt zur Sache! Wozu seid ihr hergekommen und was für Vorschläge habt ihr zu machen?«

»Mein fürstlicher Herr hat euren Rittmeister Horotkiewitsch vernichtet, Herrn Kschyschtof Sapieha geschlagen, Tykozin besetzt, er kann sich also als Sieger betrachten und euch Friedensbedingungen stellen, die ihm großen Nutzen bringen. Da er nun unnützes Vergießen von Christenblut vermeiden will und den Wunsch hat, in Frieden nach Preußen zurückziehen zu dürfen, verlangt er nichts weiter, als daß ihm erlaubt wird, in alle Schlösser Kommandos legen zu dürfen. Wir haben eine Menge Gefangene gemacht, unter denen sich auch höhere Offiziere befinden, das Fräulein Borschobohata Krasienska, welche schon nach Tauroggen geschickt worden ist, gar nicht zu erwähnen. Diese alle können im Rummel ausgetauscht werden.«

»Brüstet euch nicht mit euren Siegen,« unterbrach der Hetman. »Meine Vorhut hat unter dem Kommando des hier anwesenden Herrn Babinitsch euch dreißig Meilen weit gedrängt ... auf der Flucht vor ihr habt ihr zweimal so viele Gefangene verloren, als ihr vorher genommen. Ihr habt eure Wagen, eure Kanonen und euer Kredenzgeschirr verloren; eure Soldaten fallen vor Müdigkeit und Hunger wie die Fliegen, ihr habt weder etwas zu essen, noch könnt ihr euch vom Fleck rühren. Ich ließ euch absichtlich mit unverbundenen Augen durch das Lager führen, damit ihr erkennen solltet, daß ihr euch mit uns nicht messen könnt. Was jenes Fräulein betrifft, so steht sie nicht unter meinem Schutze, sondern unter demjenigen des Herrn Samojski und seiner Schwester, der Fürstin Griseldis Wisniowiezka. Mit ihnen wird der Fürst abzurechnen haben, falls ihr ein Unfall zustoßen sollte. Ihr aber sagt, was ihr noch auszurichten habt, in verständiger Weise, sonst gebe ich dem Herrn Babinitsch Befehl, euch hinauszubringen.«

Anstatt zu antworten, wandte sich Sakowitsch an Kmiziz:

»Ihr seid also derjenige, welcher uns unterwegs so zugesetzt hat? Wahrhaftig, ihr müßt bei Kmiziz in die Lehre gegangen sein ...

»An eurer eigenen Haut sollt ihr erfahren, ob ich meine Sache verstehe!«

Der Hetman runzelte wieder die Stirn.

»Ihr habt hier nichts mehr zu suchen,« sagte er zu Sakowitsch, »ihr könnt gehen.«

»Gebt mir, Erlaucht, wenigstens einen Ausweis an den Fürsten mit.«

»Den sollt ihr haben. Ihr könnt auf das Schreiben bei Herrn Oskierko warten.«

Als Oskierko das hörte, führte er Sakowitsch sogleich hinaus. Der Hetman winkte ihn noch mit der Hand ab, dann wandte er sich Kmiziz zu.

»Warum riefet ihr ›O weh!‹ als von jenem eingefangenen Menschen die Rede war,« frug er, während er dem Ritter gerade und fest in die Augen blickte. »Hat der Haß so sehr das Gewissen in euch ertötet, daß ihr wirklich den Fürsten meuchlings morden lassen wolltet?«

»Bei der heiligen Jungfrau, deren Heiligtum ich schützte, – nein!« antwortete Kmiziz. »Nicht durch fremde Hände will ich seinen Tod.«

»Warum dann also riefet ihr ›Wehe!‹ Kennt ihr diesen Menschen?«

»Jawohl, ich kenne ihn,« antwortete Kmiziz, ganz bleich vor Erregung und Zorn. »Ich schickte ihn von Lemberg aus nach Tauroggen ... Fürst Boguslaw hat das Fräulein Billewitsch nach Tauroggen entführt, ... ich liebe das Fräulein! ... Wir sollten uns ehelichen ... Ich sandte den Mann, damit er mir Nachrichten über sie einhole ... Sie befand sich in solchen schlechten Händen ...«

»Beruhigt euch,« sagte der Hetman. »Gabt ihr ihm Briefe mit?«

»Nein! Sie würde sie doch nicht lesen.«

»Warum nicht?«

»Weil Boguslaw ihr gesagt hat, daß ich den König an ihn verraten wollte ...«

»O, ihr habt schwerwiegende Gründe, ihn zu hassen. Ich gebe das zu ...«

»Ach ja, Erlaucht, ach ja!« seufzte Kmiziz.

»Kennt der Fürst den Mann?«

»Er kennt ihn. Es ist mein Wachtmeister Soroka ... Er war es, der mir half, den Fürsten entführen.«

»Ich verstehe!« sagte der Hetman. »Die Rache des Fürsten wartet seiner.«

Sie schwiegen beide.

»Der Fürst sitzt im Netz,« sprach nach einer Weile der Hetman. »vielleicht läßt er sich bewegen, ihn auszuliefern.«

»Erlaucht!« bat Kmiziz, »erlaubt nur zum Fürsten zu gehen und behaltet Sakowitsch als Geißel. Vielleicht gelingt es mir, Soroka zu befreien.«

»Liegt euch so viel an ihm?«

»Er ist ein alter Soldat, ein alter Diener unseres Hauses, der mich als Kind auf den Armen trug. Er hat mir oft das Leben gerettet. Gott würde mich strafen, wenn ich ihn jetzt im Stiche ließe.«

Kmiziz bebte vor Schmerz und Unruhe und der Hetman sagte:

»Ich wundere mich nicht mehr, daß die Soldaten euch lieben, denn auch ihr liebt sie. Ich will thun, was ich kann. Ich will dem Fürsten schreiben, daß ich ihm von unseren Gefangenen gebe, wen er will, für diesen Mann, der doch damals nur als willenloses Werkzeug seines Herrn handelte.«

Kmiziz stützte den Kopf in die Hände.

»Was kümmern ihn unsere Gefangene. Nicht für dreißig seiner Leute giebt er uns den einen.«

»So wird er ihn euch erst recht nicht ausliefern; er wird auch euch noch nach dem Leben trachten.«

»Erlaucht! ... Er giebt ihn für einen her – für Sakowitsch.«

»Ich kann doch einen Gesandten nicht als Gefangenen hier behalten,« rief der Fürst.

»Behaltet ihn zurück, Erlaucht; ich werde mit dem Briefe zum Fürsten gehen. Vielleicht richte ich etwas aus ... Gott ist mit ihm! Meinen Haß bringe ich zum Opfer, wenn er mir diesen Soldaten herausgiebt.«

»Wartet!« sagte der Hetman. »Ich darf den Sakowitsch zurückhalten. Außerdem will ich dem Fürsten schreiben, daß er einen unausgefüllten Geleitsbrief hersendet.«

Während der Hetman das sagte, fing er schon zu schreiben an. Eine Viertelstunde später sprengte ein Kosak mit dem Briefe nach Janowo und gegen Abend kehrte er mit der Antwort Boguslaws zurück.

»Den Geleitsbrief sende ich auf Verlangen,« schrieb Boguslaw, »auf welchen jeder Bote sicher zurückkehrt, obgleich ich mich wundere, daß Ew. Erlaucht einen Geleitsbrief verlangt, da Ihr doch als Geißel meinen Diener und Freund, den Herrn Starosten von Orschmian bei Euch habt, einen Mann, den ich so sehr liebe, daß ich um seinetwillen alle Offiziere, die zur Armee Ew. Erlaucht gehören, herausgeben würde. Bekanntlich werden Gesandte nicht getötet. Selbst die wilden Tartaren, welche Ew. Erlaucht gegen mein christliches Heer aussendet, sind gewöhnt, sie zu ehren. Indem ich die sichere Rückkehr Eures Boten mit meinem fürstlichen Worte verbürge, unterzeichne ich u. s. w.«

Noch an demselben Abend nahm Kmiziz den Geleitsbrief und ritt mit den beiden Kiemlitsch davon. Herr Sakowitsch aber blieb als Geißel in Sokolki.


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