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17. Kapitel

Die ganze Wojewodschaft Lublin und zum großen Teil Podlachien waren in polnischer Hand, d. h. in der Hand der Konföderierten unter dem Kommando Sapiehas. Da der König von Schweden sich noch immer in Kurpreußen befand, um mit dem Kurfürsten zu verhandeln, wagten die Schweden, angesichts des allgemeinen Aufstandes der Republik, sich nicht aus den Schlössern heraus, wo sie ihre Standquartiere hatten. Die Weichsel zu überschreiten, konnten sie sich nicht entschließen, weil diesseits derselben sich die Hauptmacht der Konföderation konzentrierte. Dadurch gewann man Zeit ein bedeutendes Heer regulärer Truppen zu sammeln und auszubilden, welches wohl imstande war, eine offene Feldschlacht mit den Schweden aufzunehmen und seine Kraft an der schwedischen zu messen. In den Kreisstädten drillte man die Fußsoldaten für den Dienst; da die Bauern freiwillig in ganzen Haufen zu den Waffen griffen, so fehlte es an Männern nicht. Es galt nur, sie für den Dienst auszubilden, damit sie, unter ein reguläres Kommando gestellt, vor Ausschreitungen und Unternehmungen gegen die eigenen Landesgenossen zurückgehalten würden.

Die Kreisrittmeister übernahmen dieses Werk. Außerdem hatte der König eine große Anzahl Aufgebotsbriefe an verschiedene alte, erfahrene Soldaten verteilt. Die Aushebungen gingen also in allen Provinzen schnell und glatt von statten, und da es auch an kampfbereiten Männern nirgends fehlte, so hatte man bald mehrere ausgezeichnete Reiterregimenter beisammen. Einige davon überschritten die Weichsel, um jenseits derselben den Aufstand zu schüren, andere stießen zu Herrn Tscharniezki und wieder andere schlossen sich dem Herrn Sapieha an. Die Erhebung war so allgemein geworden, daß das Heer Johann Kasimirs das schwedische an Streitkräften bald übertraf.

Das Land, über dessen Machtlosigkeit ganz Europa gestaunt hatte, lieferte jetzt Beweise von Kraft und Intelligenz, welche nicht der Feind, noch diejenigen, deren Herzen über das Elend des Vaterlandes vor Trauer geweint, noch der König selbst jemals in diesem Volke vermutet hatte. Es fand sich Geld, Begeisterung, Mannesmut, und selbst die zaghaftesten Seelen gewannen immer mehr die Ueberzeugung, daß keine Lage so hoffnungslos sei, daß nicht ein Ausweg daraus gefunden werden könnte und daß überall da, wo Kinder geboren werden, auch die Zuversicht nicht wanken dürfe.

Kmiziz kam anfangs ohne Unterbrechung vorwärts, indem er unterwegs alle jene unruhigen Geister aufsammelte und mitnahm, welche dem Tschambul gern folgten, in der Hoffnung, im Verein mit den Tartaren reiche Kriegsbeute zu gewinnen. Er hatte sie bald in gehorsame und geschickte Soldaten verwandelt, da er die seltene Gabe besaß, sich und seinem Willen die Menschen unterzuordnen. Ueberall begrüßte man ihn mit Jubel, denn seine Tartaren waren ja der beste Beweis, daß der Chan thatsächlich der Republik zu Hilfe eilte. Es hatte sich das Gerücht verbreitet, daß dem Herrn Sapieha vierzigtausend Mann tartarische Hilfstruppen zugeführt würden; man konnte nicht genug die bescheidene Zurückhaltung dieser Verbündeten rühmen, ja, man stellte sie den eigenen Soldaten als Muster auf.

Herr Sapieha hatte sein Hauptquartier gegenwärtig in Biala. Seine Heeresmacht bestand nun schon aus fast zehntausend Mann regulärer Laudestruppen, teils Reitern, teils Fußsoldaten. Den Grundstock dieser Macht bildeten die Reste des litauischen Heeres, welches durch Zuzüge zu so großer Stärke angewachsen war. Die Reiterregimenter, besonders einzelne Fahnen, übertrafen an Geschicklichkeit und Vortrefflichkeit bereits die schwedischen, aber den Fußsoldaten mangelte es noch an Ausbildung, es fehlten ihnen Waffen und Munition. Ebenso machte sich der Mangel an Kanonen fühlbar. Der Wojewode hatte gehofft, in Tykozin sich mit Geschützen versehen zu können, doch die Schweden hatten, indem sie sich samt dem Turme in die Luft sprengten, zugleich auch alle Kanonen vernichtet.

Neben den bereits erwähnten Streitkräften standen unfern von Biala gegen zwölftausend Freiwillige, welche Litauen, Masowien und Podlachien gestellt hatten, doch von diesen versprach sich der Wojewode nicht viel Nutzen, besonders, da sie eine Menge Wagen mit unnützem Gepäck mit sich führten, welche jede freie Bewegung hinderten.

Kmiziz beunruhigte eines, während er in Biala einzog. Bei Sapieha dienten so viele Adlige Litauens und so viele frühere Offiziere Radziwills, daß er befürchten mußte, erkannt zu werden. War das der Fall, so wußte er, was ihm bevorstand; man würde über ihn herfallen und ihn töten, noch ehe er den Namen Jesu und Maria anrufen konnte. War doch sein Name in ganz Litauen und auch im Lager Sapiehas verfehmt und noch allen in zu frischer Erinnerung, daß er im Dienste Radziwills sich gegen jene Fahnen vergriffen, die sich damals von dem Fürsten losgesagt hatten.

Doch hoffte er viel für sich von der Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. Er war sehr abgemagert, dazu kam die Narbe im Gesicht, welche ihm die Kugel Boguslaws hinterlassen, und zuletzt trug er jetzt einen langen Knebelbart, welcher nach schwedischer Art an seinem unteren Ende fest zusammengedreht war, und da er den Schnurrbart nach oben bürstete, so sah er eher aus wie ein Nachkomme Eriks, als wie ein polnischer Edelmann.

»Wenn nicht gleich in der ersten Zeit eine Revolte gegen mich losbricht, dann bin ich gerettet. Nach der ersten Schlacht werden sie anders über mich denken.«

So mit seinen Gedanken beschäftigt, ritt Kmiziz in Biala ein.

Es dämmerte bereits, als er am Thore sich meldete und man ihn über das Woher und Wohin ausfragte. Er sagte dem wachthabenden Offizier, daß er mit Briefen vom Könige komme und sofort um eine geheime Audienz bei dem Herrn Wojewoden bitte.

Der Wojewode empfing ihn gnädig, weil der König ihn warm befürwortete.

»Wir senden euch Unseren treuesten Diener,« schrieb der König, »den Hektor von Tschenstochau, wie er seit der Belagerung Tschenstochaus allgemein genannt wird, und der Retter Unseres Lebens aus höchster Gefahr. Wir empfehlen ihn eurem besonderen Schutze, besonders darum, damit ihm von seiten der Soldaten keine Unbill geschehe. Er trägt einen angenommenen Namen, sein wahrer Name ist Uns aber bekannt; auch die Ursachen, um derentwillen er den andern angenommen hat. Wir befehlen auch, daß um dieseswillen niemand sich herausnehme ihn zu verdächtigen oder ihm Schlechtes zuzutrauen!«

»Warum habt ihr denn einen anderen Namen angenommen? Darf man das erfahren?« frug der Wojewode,

»Weil ich ein Verfehmter bin und unter meinem eigenen Namen ein Aufgebot der Truppen nicht führen dürfte ... Se. Majestät der König aber hat mich mit einem Aufgebotsbriefe betraut, als Babinitsch darf ich Soldaten werben.«

»Wozu wollt ihr noch werben, da ihr doch den Tartarentschambul habt?«

»Eine größere Truppenmacht kann nicht schaden.«

»Warum seid ihr verfehmt?«

»Dem Manne, unter dessen Kommando ich treten, dessen Schutz ich anrufen will, bin ich verpflichtet, alles zu bekennen, wie einem zweiten Vater. Mein wahrer Name ist – Kmiziz!«

Der Wojewode trat entsetzt ein paar Schritte zurück.

»Derselbe Kmiziz, welcher den König an Boguslaw auszuliefern versprochen hat?«

Nun erzählte Kmiziz mit aller ihm zu Gebote stehenden Beredsamkeit, wie Radziwill ihn überrumpelt, wie er dann Boguslaw, nachdem er aus dessen eigenem Munde den Verrat der beiden fürstlichen Vettern bestätigen gehört, mitten aus dessen Heerlager entführt und dadurch des Fürsten unersättlichen Rachedurst auf sich gelenkt hatte.

Der Wojewode mußte den Worten des Ritters umsomehr Glauben schenken, da der König dessen Aussagen bestätigte. Zudem war der Wojewode so hocherfreut durch einen Absatz im Briefe des Königs, daß er heute wohl selbst seinen Todfeind an das Herz gedrückt und ihm alle Sünden verziehen hätte. Dieser Absatz lautete:

»Dieweilen nach dem Tode des Wojewoden von Wilna die Wojewodschaft vakant ist, nach dem allgemeinen Landrecht aber die Wiederbesetzung einer Wojewodschaft nur von dem ganzen Senat beschlossen werden kann, so beschließen Wir in diesem Falle, der erschwerenden Umstände während der jetzigen unruhigen Zeitläufe halber, ein Extraordinarium und belehnen euch, Unseren Viellieben, für die Republik durch die unvergeßlichen Verdienste um das Vaterland unentbehrlich Gewordenen, mit dem Szepter der Wojewodschaft Wilna, im guten Glauben, daß, falls Gott Frieden in Unser Land einkehren läßt, keine Stimme sich gegen dieses Extraordinarium erheben wird und Unsere selbständige Handlung die allgemeine Approbation erhält.«

Es war allgemein bekannt, daß Herr Sapieha seinen letzten Oberrock und seinen letzten silbernen Löffel verkauft hatte, um Geld zur Armierung der Truppen zu erlangen; er hatte in selbstlosester Weise alles hergegeben zur Rettung des Vaterlandes. Aber auch der selbstloseste Mensch freut sich, wenn er für seine Verdienste Anerkennung findet. Darum leuchtete heute aus seinem sonst so ernsten Gesicht eine so reine Freude.

Dieser Akt des Königs schmückte das Geschlecht der Sapiehas mit einem neuen Ehrenkranze; das war keinem der derzeitigen Magnaten von fürstlichem Geblüt gleichgültig. Es war sehr erfreulich, daß es noch solche gab, welche keine, alles Ehrgefühl hintansetzenden Streber waren. So war denn Herr Sapieha gewillt, für den König zu thun, was in seiner Macht lag.

»Da ich nun Hetman bin«, sagte Herr Sapieha zu Kmiziz, »so tretet ihr unter meine Gerichtsbarkeit, die soll euch Schutz gewähren. Da aber viele Bekannte von euch sich in den Regimentern hier befinden, so haltet euch möglichst verborgen, bis ich die Soldaten vorbereitet und die Verleumdung von euch genommen habe, die Boguslaw über euch ausgesprengt.«

Kmiziz dankte herzlichst für die Güte des Wojewoden, dann erzählte er von Anusia, weshalb er sie mit nach Mala gebracht. Der Hetman hätte darüber am liebsten ernstlich gescholten, doch da er fröhlicher Laune war, so schalt er auch nur scherzhaft.

»Der Selbstherr ist verrückt geworden! Wahrhaftig!« sagte er.

»Da sitzen nun beide, er mit seiner Schwester, hinter den sicheren Mauern von Samoschtsch, wie im Himmel und denkt, es könne jeder wie er die Rockschöße auseinanderfalten, sich mit dem Rücken gegen den Kamin wenden, um ihn auszuwärmen. Ich kannte die Podbipientas wohl; sie waren mit den Brschostowskis verwandt und die letzteren sind meine Verwandten. Die Güter sind herrliche Besitzungen, da ist nichts zu sagen. Aber, wie sollte man gegenwärtig irgend ein Recht nachsuchen, da es gar keine Gerichtsordnung giebt. Wer sollte wohl die Erbschaftsregulierung einleiten und die Besitzerin installieren. Sie sind verrückt, total verrückt! Mir sitzt Boguslaw auf den Fersen, ich habe militärische Funktionen zu verrichten und keine Zeit, mich mit alten Weibern zu befassen ...«

»Sie ist aber kein altes Weib, sondern frisch wie eine Kirsche,« entgegnete Kmiziz. »Aber das ist Nebensache! ... Man hat mir sie mitgegeben und ich bringe sie her, um sie abzuliefern!«

Der alte Hetman faßte Kmiziz freundschaftlich am Ohrläppchen und sagte:

»So, so! Aber wer kann denn wissen, in welchem Zustande ihr mir sie abliefert. Bewahre mich der Himmel vor übler Nachrede! Man soll nicht sagen dürfen, die Bevormundung des Sapieha habe ihr Koliken zugezogen, die ein anderer verschuldet ... Wie war es in den Futterquartieren? Habt ihr bei euren Tartaren etwa bissurmanische Sitten gelernt?«

»In den Futterquartieren?« antwortete Kmiziz fröhlich. »Ich ließ mich, so oft wir einige Stunden die Tiere ruhen lassen mußten, von meinen Knappen geißeln, um die weniger anständigen Gelüste zu unterdrücken, die jeder Mensch mit sich herumträgt, d. h. ich betete mit ihnen ein Konfiteor, weil das weniger schmerzt, als Geißelhiebe.«

»Aha! ... Ist sie denn ein anständiges Mädchen?«

»Ei, wie man's nimmt. Sie ist gefallsüchtig wie eine Ziege und sehr bethulich.«

»Da kommt ja der Bissurmane doch noch zum Vorschein!« sagte der Hetman.

»Aber tugendhaft wie eine Nonne, das muß ich ihr nachsagen. Und was die Koliken betrifft, so würde sie unter Samojskis Vormundschaft viel eher dazugekommen sein, als irgend wo anders.«

Hier erzählte Kmiziz ausführlich, was er erlebt hatte. Der Hetman lachte herzlich und klopfte ihn auf die Schulter.

»Ihr seid ja ein ganz durchtriebener Schlaukopf,« meinte er. »Man spricht nicht umsonst so viel von Kmiziz. Aber fürchtet nichts! Herr Samojski ist nicht rachsüchtig, dazu ist er mein Vertrauter. Wenn sein erster Zorn verraucht sein wird, so wird er sich die Sache belachen und euch noch für euren Querstreich belohnen.«

»Dafür bedanke ich mich! ich brauche keinen Lohn,« unterbrach Kmiziz den Hetman.

»Auch das gefällt mir, daß ihr stolz seid und niemandes Hilfe beansprucht. Dient mir nur wacker und helft mir den Boguslaw bekriegen, dann soll es später auch nicht fehlen, daß ich euch alte Verschuldungen sühnen helfe ...«

Sapieha hielt plötzlich inne. Als er den Namen Boguslaws nannte, hatte das fröhliche, offene Gesicht des Soldaten sich plötzlich verfinstert und verzerrt, wie die Fresse eines Hundes, wenn er beißen will.

»Möge dieser Verräter an seinem eigenen Speichel verenden, wenn ich ihn nur noch unter die Hände bekomme, ehe sein Leben auslischt!« sagte Kmiziz düster.

»Ich begreife euren Haß ... Doch seht zu, daß der Haß die Vorsicht nicht überwuchert, ihr habt es nicht mit einem Kriegsknecht zu thun. Es ist gut, daß der König euch zu mir geschickt, ihr sollt mir den Boguslaw ebenso in Unrast halten, wie vordem den Chowanski.«

»Ich werde noch anders mit ihm umspringen, als mit jenem!« versetzte Kmiziz mit gepreßter Stimme.

Damit war die Unterredung zu Ende. Kmiziz ritt in sein Quartier, um auszuruhen, denn er war sehr müde.

Unterdessen hatte sich im Heere die Nachricht von der Ernennung des geliebten Führers zum Wojewoden von Wilna und der damit verbundenen Würde eines Großhetman von Polen verbreitet. Eine große Freude flammte wie ein heiliges Feuer in den Herzen der Tausende darüber auf.

Die Offiziere und Wachtmeister der verschiedenen Regimenter und Fahnen eilten in das Quartier des Hetman, denselben zu beglückwünschen. Die bereits in Schlaf versunkene Stadt erwachte wieder. Man entzündete Freudenfeuer. Die Fahnenträger eilten mit den Fahnen herbei, Trompeten schmetterten, Trommeln wirbelten, Kanonendonner wechselte mit dem Knattern des Gewehrfeuers, und Herr Sapieha ließ in Eile ein herrliches Mahl herrichten. Man verjubelte die ganze Nacht, die Gesundheit des Königs, des Hetmans immer von neuem ausbringend und manchen Becher auf den künftigen Sieg über Boguslaw leerend.

Herr Andreas war selbstverständlich nicht bei dem Gastmahle gegenwärtig.

Während die Speisen herumgingen, brachte der Hetman das Gespräch auf Boguslaw, und während er vermied, zu erwähnen, wer der Offizier sei, welcher die Tartaren hergebracht und ihm das Ernennungsdekret des Königs überreicht, sprach er im allgemeinen über die Aufschneidereien Boguslaws, der immer gern von der Wahrheit abweiche.

»Beide Radziwills,« sagte er, »intriguierten gern, aber Fürst Boguslaw übertrifft den verstorbenen Vetter noch ... Erinnert ihr Herren euch noch des Kmiziz? Wenn nicht, so habt ihr doch wenigstens von ihm gehört. Stellt euch vor, alles das, was der Fürst Boguslaw über ihn verbreitet hat, ist nicht wahr. Es ist eine Lüge, daß Kmiziz ihm den König auszuliefern sich erboten hat!«

»Er hat doch aber dem Fürsten Janusch beigestanden, als dieser sich mit den Schweden verbündete, und hat in Kiejdan mitgeholfen, die aufständischen Offiziere zu töten,« bemerkte ein Edelmann.

»Das ist richtig,« sprach der Hetman weiter. »Aber auch er kam hinter den Verrat und als er ihn erfuhr, da warf er nicht allein dem Fürsten seinen Säbel vor die Füße sondern, verwegen wie er ist, hat er auch an Boguslaw sich rächen wollen. Es soll schon sehr schlimm um den jungen Fürsten bestellt gewesen sein; er kam kaum mit dem Leben davon.«

»Kmiziz war ein großer Soldat! Das muß man ihm lassen,« warfen mehrere Stimmen dazwischen.

»Der Fürst hat dann eine Rache an ihm ersonnen, so schrecklich, daß die Seele davor erschauert,« fuhr Sapieha fort.

»Der Teufel hätte nichts Schlimmeres ersinnen können!«

»Ihr müßt wissen, daß ich Beweise in der Hand habe, Beweise schwarz auf weiß, daß die Verleumdung nur ein Racheakt war.«

»Aber eines Menschen Namen so zu verunehren.«

»Ich hörte,« erzählte der Hetman weiter, »daß Kmiziz aus Verzweiflung darüber, was er unwissentlich gesündigt, dann nach Tschenstochau gegangen ist und dort dem Kloster sehr bedeutende Dienste geleistet hat. Später hat er mit eigener Lebensgefahr dem Könige das Leben gerettet.«

Als die Anwesenden das hörten, begannen diejenigen, welche seine erbittertsten Feinde waren, milder über Kmiziz zu urteilen.

»Kmiziz wird ihm das nie verzeihen,« meinten einige. »Er ist ein zu eigen gearteter Mensch; der wird dem Radziwill schon auszahlen.«

»Der Fürst-Stallmeister hat den ganzen Soldatenstand in diesem einen entehrt!«

»Kmiziz war ein mutwilliger, oft grausamer Mensch, niemals dennoch ein Abtrünniger!«

»Er wird sich rächen! O, er wird sich rächen!«

»Wir wollen ihn rächen!«

»Wenn Seine Gnaden der Herr Hetman für seine Ehre eintritt, dann muß wahr sein, was er sagte.«

»So ist es! Es ist wahr!«

»Es lebe der Hetman! Es lebe der Hetman!«

Fast hätte nicht viel gefehlt, so hätte man auch Kmiziz' Wohl ausgebracht. Doch wurden zwischendurch auch gewichtige Stimmen laut, die gegen ihn auftraten, besonders unter den Offizieren, die früher in Radziwillschen Diensten gestanden. Als der Hetman das hörte, sagte er:

»Ich will euch Herren sagen, wie mir dieser Kmiziz jetzt in den Sinn gekommen ist. Babinitsch, der Eilbote des Königs ist ihm sehr ähnlich. Im ersten Augenblick glaubte ich ihn selbst vor mir zu sehen.«

Herr Sapieha runzelte ein wenig die Stirn und sagte mit Würde:

»Wenn aber auch Kmiziz in eigener Person hierherkäme, würde ich ihn, nachdem er sich bekehrt und den heiligen Berg Tschenstochaus durch seine Heldenthat beschirmt hat, mittels meiner Würde als Hetman vor allen Angriffen schützen. Ich bitte also die Herren, daß anläßlich dieses Eilboten des Königs keinerlei Streitigkeiten hier entstehen. Ich erinnere daran, daß er als Bestallter Sr. Majestät und auch des Chan zu uns gekommen. Besonders aber lege ich seine Sicherheit den Herren Hauptleuten vom allgemeinen Aufgebot an das Herz, denn bei ihnen ist die Disziplin etwas locker.«

Wenn Herr Sapieha so sprach, wagte in der Regel Herr Sagloba allein etwas unter der Nase zu brummen, alle anderen Offiziere saßen totenstill. So auch jetzt hier, nur, daß Herr Sagloba fehlte. Erst als das Gesicht des Hetman sich wieder aufheiterte, wurden auch sie wieder lebhafter. Die Becher kreisten oft und erhöhten die allgemeine Heiterkeit. Die ganze Stadt brauste bis zum Morgen im Freudentaumel, daß die Mauern der Häuser in ihren Grundfesten bebten. Der Rauch der abgefeuerten Geschütze hüllte sie ein, wie nach einer Schlacht.

Am anderen Morgen sandte Herr Sapieha das Fräulein Borschobohata nach Grodno, unter dem Schutze des Herrn Kotschütz. In Grodno, welches Chowanski schon längst verlassen hatte, residierte die Familie des Wojewoden.

Die arme Anusia, deren Herz für den schönen Kmiziz doch etwas Feuer gefangen hatte, nahm sehr rührenden Abschied von ihm. Er aber blieb sehr ernst, und erst als sie schon im Wagen saß, sagte er ihr:

»Wenn nicht die eine sich wie ein Dorn in meinem Herzen festgehaspelt hätte, wer weiß, ich hätte mich wahrscheinlich aus Tod und Leben in euch verliebt.«

Anusia, als sie das hörte, dachte bei sich, daß kein Dorn so tief im Fleisch sitzt, der nicht mit Geduld und einer Stecknadel herausgebohrt werden könnte. Sie fürchtete sich aber etwas vor diesem Herrn Babinitsch, deshalb schwieg sie lieber – seufzte leise und fuhr von dannen.


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