Peter Rosegger
Heidepeters Gabriel
Peter Rosegger

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Arm in Arm mit Gott

Wenn Sonntag war, da standen gern Leute, die aus der Einöde niedergekommen waren, vor dem Hause und staunten die Herrlichkeit an und konnten sich nicht genug verwundern über das Glück, welches Heidepeters Gabriel gemacht. Und Gabriel war mit ihnen freundlich, setzte ihnen Labungen vor und hatte längst vergessen, wie sehr die Einödleute einst sein und der Seinen Leben verbittert. Wie sie ihm einst das Böse gegönnt, so gönnten sie ihm jetzt das Gute.

Für den alten Heidepeter war in dem neuen Hause eine freundliche Wohnung eingerichtet worden. Der Peter freute sich, bedankte sich unzähligemal bei Mildau und bei seiner neuen Tochter, blieb darauf auch wirklich einen Tag und eine Nacht in der guten Wohnung – dann aber hinkte er schnaufend wieder zurück gegen das alte hinfällige Haus auf der Heide.

Doch kam der Greis oftmals wieder hervor und klopfte fein den Staub von den Schuhen vor den Stufen des Einganges und klopfte höflich an die Eichentür und drückte schüchtern an der Stahlklinke und trat ein, zu schauen ein Glück, desgleichen er all sein Lebtag in den weiten Wäldern nicht gesehen. Da nahm ihn Anna wohl gern zu ihrer rechten Seite und legte ihren Arm in den seinen, und schritt langsam mit ihm die Gemächer auf und ab und fragte nach seinen Leiden und Freuden.

»Ja, die Freuden«, meinte der Alte fast schämig, »wären jetzt wohl da –« und er deutete mit dem Haupte ein wenig gegen das junge, blühende, neue Glückseligkeit erhoffende Weib.

Der Hauswart, Ferdinand Küßdenker mit Namen, war verläßlich wie der strengste Verwalter; er war bescheiden wie der niedrigste Diener; er war wachsam wie der treueste Hofhund; er war tollheiter und kindisch wie der ausgemachteste Narr.

Einmal trat er frühmorgens in die Gartenlaube, wo Anna bei einem Buche saß, unter dem Tischchen aber einen alten Gebirgshut barg. Ferdinand trug hoch in der Hand einen silberweißen Stock und rief: »Das ist er! Den hab' ich mir geschnitten heute vor zwei Jahren in den Einödwäldern!«

Da legte Anna den Finger an den Mund; nur noch einen Ruck mit dem Haupte machte der Alte und ging dann still seiner Wege.

An demselben Vormittage schritt Gabriel über die Felder hinaus und betrachtete den Himmel. Es wanderten die Wolken. – Der Wolkenhimmel ist eine der überwältigendsten Schönheiten unserer Erde. Man meint, alle Menschen, die offenen Auges wandeln, müßten sich an ihr erfreuen, anstatt ihren Blick in den Staub zu bohren. – So dachte Gabriel, als seine Aufmerksamkeit von den lichten Wundererscheinungen des Himmels indes doch der Erde zugelenkt wurde.

Vom Walde her schritt langsam eine Frauengestalt in einem veilchenfarbigen Kleide, das nicht nach ländlichem Schnitte war. In der Hand hielt sie einen Bergstock, den sie bei jedem Schritt wacker auf die Erde stieß; auf dem Haupte saß ihr ein wetterzerrissener Hut mit Band und Hahnenfeder.

War das nicht? War das nicht jene junge Wallerin in die Einöde? –

»Wo ist er denn, mein Waldsing?« rief sie und hüpfte lustig heran und verrannte sich so sehr in Gabriels Arme hinein, daß schier kein Loskommen mehr war.

So hatte Anna den Gedächtnistag des ersten Begegnung gefeiert.

Dann zeigte sie dem Gatten auch das freilich schon lang verwelkte und verblaßte Veilchen, welches damals der Sänger im Waldschatten zu entfalten gesucht und das hernach an dem Busen des Mädchens aufgeblüht war.

Beim Mittagstische waren sie hierauf noch fröhlich beisammen gesessen. Sie gedachten des Tages, da sie sich fanden.

»Wenn man's aber bedenkt,« sagte Anna, »ist es nicht gerade, als hätte ich damals meine drei Tage benutzt, um nur einen Mann zu suchen?«

»Besser, dächte ich, könnte eine Jungfrau ihre Zeit ja gar nicht benutzen!« scherzte Gabriel.

»Ich bitte dich, denke so nicht!« rief Anna, »hätte mir jemand gesagt, meine Landpartie würde den Ehestand zur Folge haben, ich hätte mich lieber drei Klafter tief in die Erde vergraben als in die Einödwälder zu gehen. Aber jetzt, Gabriel,« setzte sie leise bei, »freut es mich doch, daß sich der Prophet nicht gefunden hat.«

Gabriel hob das Kelchgläschen mit dem roten Burgunder, umfing mit dem anderen Arm sein Weib und flüsterte: »Anna, du weißt es, was leben soll!«

»Warte nur, balde!« flüsterte sie, klang an und trank ein klein wenig; und der Widerschein des Rubinenweines spielte auf ihren Wangen.

An demselben Tage war sie viel beschäftigt und eilte durch das Haus von einem Zimmer zum anderen und schichtete in den Schränken.

Am anderen Morgen wiegte Gabriel in seinen Armen ein neugeborenes Kindlein.

Anna schlummerte. Die anwesenden Frauen nahmen den kleinen, unendlichen Schatz nur zu bald wieder aus dem Arm des Vaters. Gabriel lief vor Glückseligkeit hinaus in den Wald, lief wieder zurück in das liebe süße Haus. Er fühlte sich im Mittelpunkte der Welt, er fühlte sich unsterblich, er fühlte sich Arm in Arm mit Gott. Er war Vater. Singen wollte er, konnte nicht, sein Herz war ihm beklommen vor lauter Glück.


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