Peter Rosegger
Heidepeters Gabriel
Peter Rosegger

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Anna, werden Sie mein Weib!

Noch öfter, als mit der lieblichen Tochter Mildaus, wandelte Gabriel freilich allein, und zwar in den stillen Laubwäldern, in denen das eingeschrumpfte Blätterwerk nur mehr unter den Füßen raschelte, das kahle Gezweige oben dem schneidenden Herbstwind überlassend. Nicht Waldlieder dichtete er; anderes hatte er zu denken. – Sein Herz war strenge durchforscht worden. Nun wurden die äußeren Verhältnisse geprüft, so gewissenhaft, als man es eben von einem Liebenden verlangen kann. Auch ein und der andere Freund war zu Rate gezogen worden. – »Was fragst du!« hatte einer von ihnen gesagt, »du tust ja doch, was du willst. Dichter müssen lieben, viel lieben und immer lieben. Was hat denn das Heiraten dabei zu tun?« Gabriel hatte darauf kein Wort entgegnet, sondern war seiner Wege gegangen. Ein Heim wollte er sich gründen. »Philister!« hatte ihm der Freund nachgerufen.

Doch blieben die vielen einsamen Spaziergänge des Poeten nicht fruchtlos. Zu erträumen, sagte er sich, ist dieses Glück nicht, es muß auf geradem Wege erstrebt werden.

Da war es eines schönen Spätherbstnachmittags – saßen die beiden wieder in ihrem Einödwäldchen. Heiterer Himmel blaute über den scharfgeschnittenen Wipfeln. Kaum war ein Vogelflüstern zu hören, die Ruhe eines herbstlichen Tages lag über dem großen Garten.

Sie machten wieder Musik, waren aber heute nicht ganz dazu gestimmt, schraubten jedoch um so mehr an den Saitenhaltern. – Herr und Frau Mildau waren auf eine ländliche Besitzung gefahren. Ferdinand war in die Stadt gegangen; die Gärtner sahen nicht viel Arbeit mehr zu dieser Jahreszeit.

Der Poet und das Mädchen waren allein zwischen dem dichten Gezweige und mitten in den zarten Geweben des Nachsommers, die durch unsichtbare Hand von Baum zu Baum, von Strauch zu Strauch gezogen wurden.

Es ging das Spiel nicht vonstatten und auch nicht das Gespräch. Gabriel wühlte nur so in den Saiten, er blickte nicht auf die Zither, und er blickte nicht auf das Mädchen.

»Fräulein Anna«, sagte er plötzlich, ließ aber nichtsdestoweniger den Saiten eine Ruhe.

Da die Angeredete sein Wort überhört zu haben schien, so wiederholte er noch einmal: »Fräulein Anna!«

Sie hob ein klein wenig das Haupt.

»Ich hätte,« sagte er, »ich hätte Sie wohl gern um etwas gefragt . . .«

Seine Stimme zitterte wie die feinen Stahlfäden auf dem Instrument.

. . . »Anna – wollen Sie meine Hausfrau werden?«

Das Mädchen war stark genug, den Schreck zu verbergen, der bei den Worten durch die Nerven gezuckt war. Es zitterte leise und glitt mit den Fingerspitzen langsam über die Saiten.

Gabriel wiederholte das Wort.

Und nun hauchte sie glühenden Angesichtes: »Ich weiß nicht . . . ob es eine ernstliche Frage ist.«

Da faßte er mit beiden Händen heftig ihre Rechte: »Anna, werden Sie mein Weib!«

Es war eine ungestüme Werbung.

»Verzeihen Sie mir!« sagte nun Gabriel, als das Mädchen immer noch schwieg und unter einer schweren Beklemmung zu leiden schien. »Seit vielen Tagen habe ich mir gute und artige Worte für diese Frage an Sie ersonnen. Ich habe keines dieser Worte jetzt gefunden, und wie es das Herz herausgestoßen, so muß es gelten.«

Das Mädchen sagte weder ja noch nein. Gefaßt hob es nun das große helle Auge und sagte: »Herr Stammer – wenn meine Eltern ja sagen . . .«

Für heute wurde kein Lied mehr gespielt. Schweigsam verließen sie die Tannengruppe; Gabriel sagte seinen herzlichen Abschiedsgruß und ging davon.

Und als er in dem Straßengewühle ihren Augen entschwunden war, stürzte Anna zurück zu den Tannen, sank auf den Knien hin an die Moosbank, und in wilden Atemstößen hervor schluchzte das Glück.


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