Dmitri Mereschkowski
Julianus Apostata
Dmitri Mereschkowski

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XVI.

Oribasius sah einigemal ins Zelt hinein und bot dem Kranken ein kühlendes Getränk an. Julianus wollte es aber nicht nehmen und bat nur, ihn allein zu lassen. Er fürchtete sich vor menschlichen Gesichtern, vor allem Lauten und vor Licht. Er lag nach wie vor mit geschlossenen Augen, die Schläfen mit den Händen zusammenpressend, und bemühte sich, an nichts zu denken und zu vergessen, wo er sich befinde und was mit ihm geschehe.

Die unnatürliche Willensanspannung, mit der er sich in den letzten drei Monaten beherrscht hatte, ließ ihn im Stich; er fühlte sich schwach und erschöpft wie nach einer langen Krankheit.

Er wußte nicht, ob er schlafe oder wache. Visionen zogen, in buntem Reigen, sich zuweilen wiederholend, in unaufhaltsamer Hast und unerträglicher Helle an seinen Blicken vorbei.

Bald sah er sich im großen, kalten Schlafgemach von Macellum; die alte Labda bekreuzte ihn vor dem Einschlafen; das Wiehern der in der Nähe des Zeltes angebundenen Schlachtrosse wurde in seinem Geiste zum komischen, stoßweisen Schnarchen des alten Pädagogen Mardonius; er kam sich als der niemandem bekannte, in den kappadocischen Bergen verlassene kleine Knabe vor, und dieses Gefühl machte ihn glücklich.

Bald atmete er den ihm wohlvertrauten feinen und frischen Duft der von der Märzsonne liebevoll erwärmten Hyazinthen im gemütlichen Gärtchen des Priesters Olympiodoros ein, hörte das liebliche Lachen der Amaryllis, das Rieseln der Fontäne, das Klappern, der Kupferschalen des Kottabus-Spieles und den Ruf der Diophana aus der Küche: »Kinder, der Ingwerkuchen ist fertig!«

Doch die Bilder verschwanden.

Jetzt hörte er nur das freudige Summen der ersten Januarfliegen, die in der Mittagssonne in einer windgeschützten Ecke einer weißen Mauer am Meeresstrande schwärmten; zu seinen Füßen erstarben die hellgrünen, schaumlosen Wellen; lächelnd blickte er den in der unendlichen, blassen Ferne des Meeres und der Wintersonne verschwindenden Segeln nach; er wußte, daß er in dieser seligen Wüste ganz allein sei, daß niemand kommen werde, und er empfand, gleich den lustigen, schwarzen Fliegen an der weißen Mauer, nur unschuldige Freude am Leben, Sonnenwärme und Stille.

Plötzlich kam Julianus wieder zu sich und erinnerte sich, daß er sich im Herzen Persiens befinde, daß er der römische Kaiser sei und ein sechzigtausend Mann starkes Heer unter sich habe; daß es keine Götter gäbe, und daß er gotteslästerlich den Altar umgeworfen habe. Er fuhr zusammen; sein ganzer Körper wurde von einem Frostschauer durchschüttelt; es war ihm, als ob er den festen Boden unter seinen Füßen verliere, in einen Abgrund stürze und sich nirgends mehr anhalten könne.

Er wußte nicht, ob dieser Halbschlummer eine Stunde oder einen ganzen Tag und eine ganze Nacht gedauert habe.

Doch nicht mehr im Traume, sondern in der Wirklichkeit vernahm er deutlich die Stimme seines alten, treuen Dieners, der den Kopf vorsichtig ins Zelt gesteckt hatte:

»Cäsar! Ich will dich nicht stören, doch wage ich es nicht, gegen deinen Befehl zu handeln. Du hast selbst befohlen, es dir zu melden. Im Lager ist soeben der Feldherr Arinthäus eingetroffen . . .«

»Arinthäus!« rief Julianus aus und sprang schnell von seinem Lager; die Meldung wirkte auf ihn wie ein Blitzschlag. »Arinthäus! Er soll sofort kommen!«

Arinthäus war einer der tapfersten Feldherren, den Julianus mit einer kleinen Abteilung Kundschafter nach Norden geschickt hatte, um zu erfahren, ob das dreißigtausend Mann starke Hilfsheer der Comites Procopius und Sebastianus schon in der Nähe sei; diese Hilfstruppen sollten zugleich mit dem Heere des verbündeten armenischen Königs Arsakios vor den Mauern von Ktesiphon zum kaiserlichen Hauptheere stoßen. Julianus wartete schon längst auf diese Hilfstruppen, von denen das Schicksal des ganzen Heeres abhing.

»Bringe ihn her,« rief der Kaiser aus, »er soll sofort kommen! Schnell! Oder warte . . . Ich will selbst . . .«

Trotz der augenblicklichen Erregung fühlte er sich noch zu schwach; es schwindelte ihn; er schloß die Augen und mußte sich auf die Leinwand des Zeltes stützen.

»Gib mir Wein, starken Wein . . . mit kaltem Wasser . . .«

Der alte Diener füllte rasch einen Becher und reichte ihn dem Kaiser.

Julianus trank in langsamen Zügen alles bis zum letzten Tropfen aus und seufzte erleichtert auf. Darauf verließ er das Zelt.

Es war spät am Abend. In der Ferne hinter dem Euphrat zog ein Gewitter vorüber. Ein stürmischer Wind brachte den frischen, kühlen Hauch der Regenluft.

Zwischen den schwarzen Wolken flimmerten vereinzelte, große Sterne, wie im Winde flackernde Lampen. In der Wüste heulten die Schakale. Julianus entblößte seine Brust, gab sein Gesicht dem Winde preis und fühlte mit Wohlbehagen in seinen Haaren die männliche Liebkosung des sich verziehenden Sturmes.

Er erinnerte sich seiner Kleinmütigkeit von vorhin und mußte lächeln; die Schwäche war fast gänzlich gewichen. Die angenehme, einem Rausche ähnliche Anspannung aller geistigen Kräfte kehrte wieder. Er wollte befehlen, er wollte handeln, die ganze Nacht durchwachen, in die Schlacht gehen, mit Leben und Tod spielen und die Gefahren besiegen. Nur ab und zu überlief ihn noch ein Fieberschauer.

Vor ihm stand Arinthäus.

Die Nachrichten, die er brachte, waren traurig: auf die Hilfe von Procopius und Sebastianus durfte man nicht mehr bauen; die Verbündeten hatten den Kaiser in der unbekannten Tiefe Asiens verlassen. Es schwirrten beunruhigende Gerüchte umher von einem Verrate, von einem Treubruche des schlauen Arsakios.

In diesem Augenblicke meldete man Julianus, daß ein persischer Überläufer aus dem Lager des Königs Sapores gekommen sei.

Man brachte ihn vor den Kaiser. Der Perser warf sich vor Julianus nieder und küßte die Erde; er war verstümmelt: sein rasierter Kopf mit den abgeschnittenen Ohren und den zerrissenen Nasenlöchern gemahnte an einen Totenkopf; in seinen Augen leuchtete aber Geist und Entschlossenheit. Er trug ein kostbares Gewand aus feuerfarbener sogdianischer Seide und sprach gebrochen griechisch; zwei Sklaven begleiteten ihn.

Der Perser, der sich Artabanes nannte, erzählte, er sei ein Satrap, den man bei König Sapores verleumdet hätte; bei der Folterung hätte man ihn so verstümmelt und nun käme er zu den Römern, um sich an dem König zu rächen.

»O Beherrscher des Weltalls!« sprach Artabanes schmeichlerisch und hochtrabend, »ich will dir Savores, an Beinen und Armen gefesselt, wie ein Opferlamm überliefern. Ich will dich nachts in sein Lager führen, du wirst den König ganz leise mit deiner Hand einfangen, wie die kleinen Kinder Vögel fangen, höre nur auf Artabanes. Artabanes kann alles, Artabanes kennt alle Geheimnisse des Königs . . .«

»Was willst du von mir?« fragte Julianus.

»Eine große Rache. Folge mir!«

»Wohin?«

»Nach Norden, durch die Wüste; – es sind dreihundertfünfundzwanzig Parasangen; – dann über die Berge nach Osten, gerade auf Susa und Etbatana.«

Der Perser zeigte mit der Hand auf den Horizont.

»Dorthin, dorthin!« wiederholte er, ohne seinen Blick von Julianus zu wenden.

»Cäsar,« raunte Hormisdas dem Kaiser ins Ohr, »sei auf der Hut. Dieser Mann hat einen bösen Blick. Er ist ein Zauberer, oder ein Spitzbube, oder – man soll es nicht vor der Nacht sagen – etwas viel Schlechteres. In dieser Gegend treibt sich nachts allerhand Spuk herum . . . Jage ihn fort, höre nicht auf ihn! . . .«

Der Kaiser achtete aber nicht auf diese Warnung. Er war ganz im Banne dieser seltsamen, flehenden und durchdringenden Augen des Persers.

»Kennst du wirklich den Weg nach Ekbatana?«

»O ja, ja, gewiß!« stammelte dieser verzückt lachend. »Gewiß kenne ich den Weg; wie sollte ich ihn nicht kennen? Ich kenne jeden Grashalm in der Steppe und jeden Brunnen. – Artabanes versteht die Sprache der Vögel, hört das Steppengras wachsen und die unterirdischen Quellen rauschen. In seinem Herzen wohnt die alte Weisheit Zarathustras. Er wird vor deinem Heere laufen, alle Pfade ausspüren und dir den Weg zeigen. – Glaube mir, in zwanzig Tagen gehört dir ganz Persien vom Indus bis zum heißen Ozean! . . .«

Das Herz des Kaisers schlug schneller. Er dachte:

»Vielleicht ist das das Wunder, das ich erwarte? In zwanzig Tagen ist ganz Persien in meiner Hand! . . .«

Vor Freude konnte er kaum atmen.

»Jage mich nicht fort,« flüsterte der Verstümmelte, »ich werde wie ein Hund vor deinen Füßen liegen. Als ich dein Gesicht sah, habe ich dich, du Beherrscher des Weltalls, mehr liebgewonnen, als meine Seele; denn du bist schön! Ich will, daß du auf mich deine Füße setzt und mich zertrittst. Ich werde den Staub von deinen Füßen lecken und singen: Heil, heil, heil dem Sohne der Sonne, dem König des Morgens und des Abends, dem Julianus!«

Er küßte ihm die Füße. Auch die beiden Sklaven fielen nieder, berührten mit ihren Stirnen die Erde und wiederholten:

»Heil, heil, heil!«

»Was soll ich nun mit den Schiffen tun?« sagte Julianus nachdenklich, wie vor sich hin. »Soll ich sie ohne Bedeckung hier den Feinden preisgeben, oder bei ihnen zurückbleiben? . . .«

»Verbrenne sie!« flüsterte Artabanes.

Julianus fuhr zusammen und blickte ihm prüfend ins Gesicht.

»Verbrennen? Was hast du gesagt? . . .«

Artabanes erhob den Kopf und sog sich gleichsam mit seinen Augen an die des Kaisers fest.

»Du fürchtest? Du? – Nein, nein, nur die Menschen fürchten, aber nicht die Götter! Verbrenne sie, und du wirst frei sein wie der Wind: die Schiffe werden nicht in die Hände des Feindes fallen, dein Heer wird aber durch ihre Bemannung vermehrt werden, sei groß und furchtlos bis ans Ende! Verbrenne sie, – in zehn Tagen wirst du vor den Mauern Ekbatanas stehen, in zwanzig Tagen wird ganz Persien in deiner Hand sein! Du wirst größer sein, als der Sohn Philipps, der Besieger des Darius! Verbrenne deine Schiffe und folge mir! – Oder wagst du es nicht?«

»Wenn du aber lügst? Wenn ich in deinem Herzen lese, daß du lügst?« rief der Kaiser aus, mit der einen Hand den Perser an der Kehle packend und mit der anderen sein kurzes Schwert über ihn erhebend.

Hormisdas atmete erleichtert auf.

Einige Augenblicke lang sahen sich beide schweigend in die Augen. Artabanes hielt den Blick des Kaisers aus. Julianus geriet wieder in den Bann dieser klugen, frechen und demütigen Augen.

»Laß mich sterben, laß mich von deiner Hand sterben, wenn du mir nicht glaubst!« wiederholte der Perser.

Julianus steckte sein Schwert in die Scheide.

»Es ist schrecklich und süß, in deine Augen zu schauen!« fuhr der Perser fort. »Dein Antlitz ist wie das Antlitz eines Gottes. Niemand weiß es noch. Ich allein weiß, wer du bist . . . Herr, verwirf nicht deinen Sklaven!«

»Wollen wir sehen,« sagte Julianus nachdenklich. »Ich hatte ja schon längst vor, in die Tiefe der Wüste zu ziehen und eine Schlacht mit dem König zu suchen. Doch die Schiffe? . . .«

»Gewiß, die Schiffe!« fiel Artabanes ein. »Du mußt möglichst bald ausrücken, noch heute nacht, vor Sonnenaufgang, solange es noch dunkel ist, damit es die Feinde in Ktesiphon nicht merken . . . Willst du sie verbrennen?«

Julianus gab keine Antwort.

»Führt ihn fort und laßt ihn nicht aus den Augen,« befahl der Kaiser, den Soldaten auf den Überläufer weisend.

Als Julianus in sein Zelt zurückkehrte, blieb er einen Augenblick lang an der Schwelle stehen; er hob die Augen und sagte vor sich hin:

»Ist es wirklich möglich? . . . So einfach und so schnell? Mein Wille ist wie der Wille der Götter: kaum denke ich etwas, so geht es schon in Erfüllung . . .«

Die Freude in seinem Herzen wuchs an wie ein Sturm. Lächelnd drückte er seine Hand an das wild pochende Herz. Ein Frostschauer überlief noch immer seinen Rücken, und sein Kopf schmerzte ihn etwas, als ob er den ganzen Tag in der Sonne zugebracht hätte.

Er ließ den Feldherrn Victor zu sich ins Zelt kommen und händigte dem alten, ihm blind ergebenen Soldaten seinen goldenen Ring mit dem kaiserlichen Siegel ein.

»An die Befehlshaber der Flotte, die Comites Konstantin und Lucillianus,« befahl Julianus. »Noch vor Sonnenaufgang sind alle Schiffe, mit Ausnahme der fünf großen Getreideschiffe und zwölf kleinen Barken für die Schiffsbrücken, zu verbrennen. Die kleinen Schiffe sind auf Wagen zu verladen. Die großen sind zu verbrennen. Jeden Widerstand werde ich mit dem Tode bestrafen. Alles soll geheim gehalten werden. – Jetzt gehe!«

Er übergab ihm einen Papyrusfetzen, auf den er einige Worte – den lakonischen Befehl an die Befehlshaber der Flotte – hingekritzelt hatte.

Victor äußerte, wie es seine Gewohnheit war, kein Erstaunen und entgegnete nichts; er küßte schweigend mit dem Ausdrucke demütigen Gehorsams den Saum der kaiserlichen Toga und ging hinaus, um den Befehl weiterzugeben.

Trotz der späten Stunde ließ Julianus den Kriegsrat zusammentreten. Die Feldherren sammelten sich in seinem Zelt mit finsteren, mißtrauischen Mienen, ihre gereizte Stimmung kaum bemeisternd. Er teilte ihnen in wenigen Worten seinen Plan mit: nach Norden in die Tiefe Persiens auf Ekbatana und Susa vorzudringen, um den König zu überraschen.

Alle empörten sich gegen diesen Plan und begannen durcheinander zu sprechen; sie äußerten beinahe offen, daß dieses Beginnen ihnen wahnsinnig erscheine. Die ernsten Gesichter der alten, klugen, in mancherlei Gefahren gestählten Feldherren drückten Ermüdung, Ärger und Mißtrauen aus. Viele widersprachen ihm mit großer Schärfe:

»Wohin gehen wir? Wozu?« sagte Sallustius Secundus. »Bedenke doch, gnädigster Cäsar: wir haben bereits das halbe Persien erobert; König Sapores bietet dir Frieden unter solchen Bedingungen an, wie sie noch von keinem König Asiens einem römischen Sieger – weder Pompejus dem Großen, noch Septimius Severus, noch Trajanus – angeboten wurden. Schließen wir doch einen ruhmvollen Frieden, solange es noch nicht zu spät ist, und kehren in die Heimat zurück . . .«

»Die Soldaten murren,« bemerkte Dagalaifus, »bringe sie nicht zur Verzweiflung. Sie sind erschöpft, wir haben viele Verwundete und Kranke. Wenn du sie in die unbekannte Wüste führst, müssen wir jede Verantwortung ablehnen. – habe Erbarmen! Auch du selbst bedarfst der Ruhe: du bist vielleicht noch mehr erschöpft, als wir alle . . .«

»Kehren wir um!« schlossen alle, »weiter zu gehen, ist Wahnsinn!«

In diesem Augenblick erscholl ein dumpfer, drohender Lärm hinter der Wand des Zeltes, der wie das Toben einer fernen Brandung klang. Julianus horchte auf und begriff sofort, daß es eine Empörung sei.

»Ihr kennt Unseren Willen?« sprach er gelassen, den Feldherren den Ausgang weisend, »er ist unabänderlich. In zwei Stunden brechen wir auf. Seht zu, daß alles Nötige vorbereitet wird.«

»Göttlicher Augustus,« sagte Sallustius ruhig und ehrfurchtsvoll, doch mit einem leichten Zittern in der Stimme, »ich will nicht gehen, bevor ich nicht das gesagt habe, was ich dir sagen muß. Du sprachst zu uns, die wir dir zwar nicht an der Würde, so doch an kriegerischen Tugenden gleichkommen, nicht so, wie es einem Schüler des Sokrates und des Plato ziemt. Wir können deine Worte nur mit einer vorübergehenden Gereiztheit, die deinen göttlichen Verstand trübt, entschuldigen . . .«

»Nun, dann ist es um so schlimmer für euch, meine Freunde!« rief Julianus grinsend und vor verhaltenem Haß erbleichend aus. »Ihr seid in der Gewalt eines Wahnsinnigen! Ich habe soeben befohlen, die Schiffe zu verbrennen, und mein Befehl wird jetzt ausgeführt. Ich sah euren vernünftigen Widerspruch voraus und schnitt den letzten Weg zum Rückzuge ab. Ja, euer Leben ist jetzt in meiner Hand, und ich werde euch zwingen, an ein Wunder zu glauben! . . .«

Alle verstummten vor Bestürzung; Sallustius allein ging auf Julianus zu und ergriff dessen Hand.

»Es kann nicht sein! Cäsar, das hast du nicht getan! . . . Oder hast du wirklich? . . .«

Er sprach nicht zu Ende und ließ die Hand des Kaisers los. Alle sprangen auf und horchten hinaus.

Die Schreie der Soldaten draußen wurden immer lauter und lauter; das Toben der Empörung kam immer näher; es war wie ein Sturm, der über die Waldwipfel fegt.

»Mögen sie nur schreien!« sagte Julianus mit ruhiger Stimme. »Die armen, dummen Kinder! Wohin wollen sie von mir fortziehen? Hört ihr es? Das ist der Grund, warum ich die Schiffe, – die Hoffnung der Feigen und die Zuflucht der Faulen verbrannt habe. Jetzt gibt es kein Zurück. Es ist vollbracht. Wir können nur noch auf ein Wunder bauen! Jetzt seid ihr mit mir für Leben und Tod verbunden. In zwanzig Tagen ist ganz Asien in meiner Hand. Ich habe euch mit Schrecken und Todesgefahr umgeben, damit ihr alles besiegt, und mir gleich werdet. Freut euch! Ich werde euch, wie Gott Dionysos, durch die ganze Welt führen, ihr werdet Menschen und Götter besiegen und selbst den Göttern gleich sein! . . .«

Kaum hatte er die letzten Worte gesprochen, als durch das ganze Heer ein Schrei des Entsetzens ging:

»Sie brennen! Sie brennen!«

Die Feldherren stürzten aus dem Zelt. Julianus folgte ihnen. Sie erblickten ein Feuermeer. Victor hatte den Befehl des Herrschers genau ausgeführt. Die ganze Flotte stand in Flammen. Der Kaiser betrachtete die Feuersbrunst mit einem stillen, seltsamen Lächeln.

»Cäsar! Die Götter mögen uns gnädig sein, – er ist entflohen! . . .«

Mit diesen Worten stürzte einer der Centurionen, blaß und bebend dem Kaiser zu Füßen.

»Entflohen? Wer? Was sprichst du da? . . .«

»Artabanes, Artabanes! Wehe uns! . . . Cäsar, er hat dich betrogen! . . .«

»Es kann nicht sein! . . . Und seine Sklaven?« stammelte der Kaiser kaum hörbar.

»In der Folter haben sie eben gestanden, daß Artabanes kein Satrap, sondern nur ein Steuereinnehmer in Ktesiphon sei,« fuhr der Centurio fort. »Er hatte diese List erfunden, um seine Stadt zu retten und dich in die Wüste zu locken, damit du dort in die Hände der Perser fällst; er wußte, daß du die Schiffe verbrennen würdest. Sie sagten auch noch, daß König Sapores mit einem großen Heere heranrücke . . .«

Der Kaiser stürzte zum Ufer, dem Feldherrn Victor entgegen.

»Löscht, löscht, löscht! Schnell! . . .«

Seine Stimme erstarb aber, als er die brennende Flotte sah: er begriff, daß keine menschliche Kraft mehr diese im starken Winde lodernden Flammen aufhalten könne.

In seinem Entsetzen faßte er sich an dem Kopf; obwohl in seinem Herzen weder Glaube, noch Andacht wohnte, hob er seine Augen gen Himmel, als ob er dort etwas suche.

Die blassen Sterne flimmerten durch den blutroten Schein.

Das Heer wogte und tobte immer drohender.

»Die Perser haben sie in Brand gesteckt!« schrien die einen, ihre Hände nach den brennenden Schiffen, ihrer letzten Hoffnung, ausstreckend.

»Es waren nicht die Perser, sondern unsere Feldherren, die uns in die Wüste locken und dort verlassen wollen!« heulten andere.

»Schlagt die Priester tot!« wiederholten dritte. »Die Priester haben den Cäsar behext und seiner Vernunft beraubt!«

»Heil dem Augustus Julianus dem Sieghaften!« schrien die treuen Gallier und Kelten. »Schweigt, ihr Verräter! Solange er lebt, haben wir nichts zu befürchten!«

Die Kleinmütigen jammerten:

»In die Heimat, in die Heimat, zurück! Wir wollen nicht weiter, wir wollen nicht in die Wüste. Wir gehen keinen Schritt weiter, wir sterben auf dem Wege. Es ist besser, wenn ihr uns gleich hier tötet!«

»Ihr werdet eure Heimat ebensowenig wie eure Ohren zu Gesicht bekommen! Wir sind verloren, wir sind in die Falle der Perser geraten!«

»Seht ihr es denn nicht?« triumphierten die Galiläer. »Die Teufel haben sich seiner bemächtigt! Der gottlose Julianus hat ihnen seine Seele verschrieben, und sie ziehen ihn ins Verderben. Wohin kann uns ein von den Teufeln besessener Wahnsinniger bringen?!«

Der Cäsar sah und hörte nichts, wie im Fieber flüsterte er vor sich hin, während über seine Lippen ein blasses und zerstreutes Lächeln glitt:

»Einerlei, einerlei . . . Das Wunder wird geschehen! Wenn nicht jetzt, so später. – Ich glaube an ein Wunder! . . .«


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