Dmitri Mereschkowski
Julianus Apostata
Dmitri Mereschkowski

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V.

Als er aus der Basilika nach Macellum heimgekehrt war, holte er sofort die nun fertige, sorgfältig in ein Tuch gehüllte Trireme hervor und schlich sich mit dem Spielzeug, von niemandem bemerkt, hinaus; Eutropius war für einige Tage verreist. Er lief an der Mauritiuskirche vorbei zum nahen Tempel der Aphrodite.

Der Hain der Göttin grenzte an den Friedhof der christlichen Kirche. Streitigkeiten, Feindseligkeiten und sogar Prozesse zwischen den beiden Gemeinden hörten nie auf. Die Christen verlangten die Zerstörung des Götzentempels. Der Priester Olympiodores hatte sich mehrmals beschwert, daß die Kirchenwächter nachts heimlich uralte Cypressen im heiligen Haine gefällt und auf Aphroditens Boden Gräber für christliche Leichen gegraben hätten.

Julianus trat in den Hain. Ein warmer, harziger Duft umfing ihn, denn die Mittagssonne hatte aus der grauen, faserigen Rinde der Cypressen duftende Harztropfen gesogen. Julianus glaubte in dem Halbdunkel Aphroditens Hauch zu spüren.

Zwischen den Bäumen standen weiße Statuen; auch ein Eros war da, der seinen Bogen spannte und dem jemand, vermutlich einer der Kirchenwächter, zum Spott den marmornen Bogen abgeschlagen hatte: die Waffe der Liebe lag nun mit den beiden Armen des Gottes im Grase zu seinen Füßen; der armlose Knabe aber zielte noch immer mit keckem Lächeln, das eine dicke Beinchen etwas vorgestreckt.

Julianus betrat das kleine Wohnhaus des Oberpriesters Olympiodores. Die Zimmer darin waren klein und eng, beinahe wie in einem Puppenhaus, doch gemütlich. Man sah keinerlei Luxus, weder Teppiche, noch Silbergerät; alles machte eher einen ärmlichen Eindruck; die Fußböden waren mit einfachen Steinen ausgelegt; die Bänke und Stühle waren aus Holz; einige billige Amphoren aus gebranntem Ton bildeten den einzigen Schmuck. Aber jede Kleinigkeit zeugte hier von hohem Geschmack. Der Griff einer einfachen Küchenlampe stellte in alter, kunstvoller Arbeit den Gott Poseidon mit dem Dreizack dar. Julianus konnte zuweilen stundenlang die schlanken Formen einer einfachen tönernen Amphora betrachten, die billiges Olivenöl enthielt. Alle Wände waren mit flüchtigen Fresken geschmückt: hier sah man eine Nereide, auf einem schuppigen Meerpferd reitend, dort eine tanzende, junge Göttin in einem langen Peplum mit wehenden Falten.

In diesem von Sonnenlicht durchfluteten Häuschen schien alles zu lachen: an den Wänden lachten die Nereiden, die tanzenden Göttinnen, die Tritonen und selbst die schuppigen Meerpferde; auch der kupferne Poseidon auf dem Lampengriff lachte; das gleiche Lachen spielte auch auf den Gesichtern der Hausbewohner; ihre Heiterkeit war ihnen angeboren; wenn sie nur zwei Dutzend wohlschmeckender Oliven, ein weißes Weizenbrot, einige Weintrauben und Becher mit Wasser verdünnten Weines hatten, so kam es ihnen wie ein Festmahl vor, und die Frau des Oberpriesters, Diophane, hing zum Zeichen der festlichen Stimmung einen Lorbeerkranz an die Haustüre.

Julianus trat in das Gärtchen. Unter freiem Himmel plätscherte ein Springbrunnen, und daneben stand zwischen Narzissen, Tulpen, Akanthus und Myrten eine kleine Bronzestatue des beflügelten Hermes; er lachte, wie alles im Hause, und schien im Begriffe zu sein, auf und davon zu fliegen.

Im leichten Schatten der Vorhalle spielten Olympiodores und seine siebzehnjährige Tochter Amaryllis das zierliche attische Spiel, den »Kottabus«: auf einem kleinen in die Erde gerammten Pfahl war ein beweglicher Querbalken in der Art eines Wagebalkens angebracht; an seinen beiden Enden hing je eine kleine Schale, und unter jeder Schale stand ein Gefäß mit Wasser und einer kleinen Figur aus Kupfer; die Aufgabe bestand darin, daß man aus einer gewissen Entfernung aus einem Becher etwas Wein in eine der beiden Schalen schleudern mußte, so daß diese sich senkte und die kleine Kupferfigur berührte.

»Spiele nun, spiele! Jetzt ist die Reihe an dir!«

»Eins, zwei, drei!«

Olympiodores schleuderte und traf die Schale nicht; das Mädchen lachte hell auf; die kindliche Ausgelassenheit des älteren, leicht ergrauten Mannes, der vom Spiele ganz hingerissen war, machte einen höchst seltsamen Eindruck.

Das Mädchen warf mit einer schönen Bewegung des nackten Armes ihre lilafarbene Tunika zurück und schleuderte ihren Wein; die Schale des Kottabus schlug klirrend an.

Amaryllis klatschte in die Hände und lachte auf.

Plötzlich sah sie Julianus, der noch in der Türe stand.

Beide eilten ihm entgegen und begannen, ihn zu umarmen und zu küssen. Amaryllis schrie:

»Diophane! wo steckst du nur? Sieh' nur, welch ein Gast! Schnell, schnell!«

Diophane kam aus der Küche herbeigelaufen.

»Julianus, mein liebes Kind! Was hast du? Du siehst etwas heruntergekommen aus. Wir haben dich so lange nicht gesehen . . .«

Strahlend vor Freude fügte sie hinzu:

»Freut euch, meine Kinder! Heute wollen wir ein Festmahl bereiten: ich werde Rosenkränze winden, drei Barsche braten und süßen Ingwerkuchen backen . . .«

In diesem Augenblicke kam eine junge Sklavin herbei, die Olympiodores zuflüsterte, eine reiche Patrizierin aus Cäsarea sei eingetroffen, die den Priester der Aphrodite in einer wichtigen Sache sprechen wolle. Olympiodores ging hinaus.

Julianus und Amaryllis vertieften sich in das Kottabusspiel.

Da erschien unhörbar auf der Schwelle ein zehnjähriges, blasses, schlankes und blondes Mädchen; es war die jüngste Tochter des Olympiodores, Psyche. Sie hatte große, blaue, traurige Augen und schien die einzige im Hause zu sein, die am Dienste der Aphrodite und an der allgemeinen Fröhlichkeit nicht teilnahm. Sie lebte ihr eigenes Leben für sich, blieb ernst, wenn alle lachten, und nie kannte man die Ursache ihrer Freude oder Trauer. Der Vater hielt sie für ein unheilbar krankes, elendes Geschöpf, und glaubte, daß seine Feinde, die Galiläer, sein Kind aus Rache mit ihrem bösen Blick behext hätten. Die schwarzlockige Amaryllis war die Lieblingstochter des Vaters, doch die Mutter verwöhnte insgeheim das kranke Kind; sie liebte es eifersüchtig und leidenschaftlich, obwohl ihr sein inneres Wesen fremd blieb.

Psyche besuchte hinter dem Rücken des Vaters die Basilika des heiligen Mauritius. Die Mutter vermochte weder mit Liebkosungen und Bitten, noch mit Drohungen sie davon abzuhalten. Der Priester war an seiner Tochter verzweifelt und hatte sich von ihr losgesagt. So oft man von ihr sprach, wurde sein Gesicht finster und nahm einen gehässigen Ausdruck an. Er behauptete, durch die Gottlosigkeit des Mädchens brächte ein Weinberg, der früher von Aphrodite mit reicher Ernte gesegnet wurde, in der letzten Zeit weniger ein; denn das kleine, goldene Kreuz, das das Kind am Halse trug, genüge schon, um den Tempel zu entweihen.

»Warum besuchst du die Kirche?« fragte sie einmal Julianus.

»Ich weiß es nicht. Dort ist es so schön. Hast du schon den Guten Hirten gesehen?«

»Ja, ich habe ihn gesehen. Es ist ja nur der Galiläer! Woher weißt du von ihm?«

»Die alte Theodula hat mir von ihm erzählt, seitdem besuche ich so gerne die Kirche. – Sage mir aber, Julianus, warum hassen sie ihn so?«

Indessen kam Olympiodores triumphierend zurück und berichtete über den Verlauf seines Gespräches mit der Patrizierin: es war ein junges, vornehmes Mädchen, das sich vom Bräutigam verlassen glaubte und überzeugt war, daß seine Nebenbuhlerin ihn behext hätte; sie sei schon mehrmals in der Christenkirche gewesen und hätte andächtig und eifrig am Sarge des heiligen Mama gebetet; doch hätte weder Beten, noch Fasten und Wachen genützt.

»Können denn die Christen überhaupt einem helfen!« schloß Olympiodores in verächtlichem Tone seinen Bericht und schielte argwöhnisch auf Psyche, die seinen Worten aufmerksam gelauscht hatte.

»Und so kam diese Christin schließlich zu mir. Aphrodite wird ihr helfen.«

Triumphierend zeigte er zwei gefesselte, weiße Tauben, die ihm die Christin als Opfer für die Göttin gebracht hatte.

Amaryllis nahm die Tauben in die Hand, küßte ihre zarten, rosaroten Schnäbel und meinte, daß es doch schade sei, die reizenden Vögel zu töten.

»Vater, weißt du was? wir wollen sie opfern, ohne sie zu töten.«

»Wie? Gibt es denn ein Opfer ohne Blut?«

»Wir wollen es so machen: wir lassen sie einfach fliegen. Sie werden in den Himmel, zum Throne Aphroditens, fliegen. Es stimmt doch? Die Göttin thront ja dort oben, und sie wird sie huldvoll annehmen. Lieber Vater, erlaube es doch!«

Amaryllis küßte ihn so zärtlich, daß er nicht den Mut hatte, ihr die Bitte abzuschlagen.

Das Mädchen band die Tauben los und ließ sie fliegen. Sie schlugen ihre weißen Flügel und flogen mit freudigem Rauschen in den Himmel, zum Throne Aphroditens. Der Priester schützte seine Augen mit der Hand vor der Sonne und sah, wie das Opfer der Christin im Himmel verschwand. Amaryllis hüpfte vor Freude und klatschte in die Hände:

»Aphrodite, Aphrodite, nimm unser unblutiges Opfer an!«

Olympiodores ging hinaus. Julianus näherte sich feierlich und doch etwas schüchtern Amaryllis. Seine Stimme bebte, und seine Wangen wurden rot, als er leise den Namen des Mädchens nannte.

»Amaryllis! Ich bringe dir . . .«

»Ja, ich wollte dich schon früher fragen, was du da hast.«

»Es ist eine Trireme . . .«

»Eine Trireme? Wieso? Wozu? Was erzählst du da?«

»Eine echte, liburnische . . .«

Er begann das Geschenk eilig auszupacken, doch plötzlich wurde er von einem unüberwindlichen Schamgefühl befallen.

Amaryllis sah ihn verständnislos an.

Nun verlor er ganz seine Fassung und blickte sie flehend an, während er sein Schiff auf die kleinen Wellen der Fontäne setzte.

»Lache nur nicht darüber, Amaryllis, – die Trireme ist echt. Da sind die Segel. Siehst du, sie schwimmt, sie hat auch ein Steuerruder . . .«

Aber Amaryllis lachte laut über das Geschenk:

»Was fange ich mit einer Trireme an? Mit der kann man nicht weit kommen. Es ist ein Schiff für Mäuse oder Grillen. Schenke sie lieber der Psyche: ihr wird es Freude machen. Sieh nur wie sie herschaut.«

Julianus fühlte sich verletzt. Er gab sich Mühe, seine Erregung zu bemeistern, doch fühlte er, wie ihm das Schluchzen den Hals zusammenpreßte, wie seine Mundwinkel zitterten und sich senkten. Er machte verzweifelte Anstrengungen, die Tränen zurückzuhalten und sagte:

»Ich sehe, daß du nichts davon verstehst . . .«

Nach einer Weile fügte er noch hinzu:

»Du verstehst nichts von der Kunst!«

Aber Amaryllis lachte noch lauter.

Wie um ihn noch mehr zu kränken, rief man sie plötzlich zu ihrem Bräutigam. Es war ein reicher Kaufmann aus Samos. Er gebrauchte übermäßig starke Wohlgerüche, kleidete sich geschmacklos und machte im Gespräche fortwährend grammatikalische Fehler. Julianus haßte ihn. Das ganze Haus erschien ihm plötzlich düster, und seine Freude war dahin, als er erfuhr, daß der Mann aus Samos gekommen war.

Aus dem Nebenzimmer hörte man das freudige Zwitschern der Amaryllis und die Stimme des Bräutigams.

Julianus ergriff seine teure, echte, liburnische Trireme, die ihm so viel Mühe gekostet hatte, brach den Mast entzwei, zerriß die Segel, zerrte das Takelwerk auseinander und trat das Schiff so lange mit den Füßen, bis es ganz verstümmelt war. Er machte dies alles in stiller Wut, ohne ein Wort zu sprechen; Psyche sah diesem Auftritt voller Entsetzen zu.

Da kam Amaryllis zurück. Ihr Gesicht spiegelte noch ein fremdes Glück, – den Lebensüberfluß und die überschäumende Liebesfreude eines jungen Mädchens, dem es ganz gleich ist, wen es umarmt oder küßt.

»Julianus, verzeihe mir; ich habe dich beleidigt, verzeihe mir, mein Lieber! . . . siehst du, wie sehr ich dich liebe . . .«

Und ehe sich Julianus besinnen konnte, hatte Amaryllis ihre Tunika zurückgestreift und seinen Hals mit ihren nackten, frischduftenden Armen umschlungen. Sein Herz stand ihm vor süßem Schrecken still: er sah sie und ihre großen, glänzend schwarzen Augen so nahe vor sich, wie noch nie zuvor; sie duftete stark wie eine Blume. Dem Knaben wurde es schwindlig, sie drückte ihn an ihre Brust. Er schloß die Augen und fühlte plötzlich auf seinen Lippen die ihrigen.

»Amaryllis! Amaryllis! Wo bleibst du?«

Es war die Stimme des Kaufmanns aus Samos. Julianus stieß das Mädchen mit aller Kraft von sich, sein Herz zuckte vor Schmerz und Haß zusammen.

»Laß mich, laß mich!« schrie er – riß sich los und eilte davon.

»Julianus! Julianus!«

Aber er hörte nicht und lief, so schnell er konnte, durch den Weingarten und durch den Cypressenhain; erst am Tempel der Göttin blieb er stehen.

Er hörte, wie man ihn rief; er hörte Diophanes Stimme freudig verkünden, daß der Ingwerkuchen fertig sei; doch er gab keine Antwort. Man suchte ihn. Er hatte sich in den Lorbeersträuchern am Sockel der Erosstatue versteckt und wartete ab. Sie glaubten, er sei wieder nach Macellum gelaufen; man war hier im Hause an seine seltsamen Launen gewöhnt.

Als alles wieder still war, kam er aus seinem Versteck heraus und richtete seinen Blick auf den Tempel der Göttin der Liebe.

Der Tempel stand ganz frei auf einem Hügel. Der weiße Marmor der jonischen Säulen leuchtete, von Sonnenlicht übergossen, gegen das tiefe Blau des Himmels; und das warme Blau umfing freudig den Marmor, der kalt und weiß wie Schnee war; an den beiden Ecken des Giebels waren zwei Greife angebracht: mit erhobenen Pranken, mit offenen Adlerschnäbeln und runden Frauenbrüsten hoben sie sich stolz und streng vom blauen Himmel ab.

Julianus stieg die Stufen zum Portikus hinauf, stieß leise die unverschlossene, kupferne Türe auf und trat in das Innere des Tempels, in das geheiligte »Schiff«.

Hier herrschte eine tiefe Stille und Kühle.

Die sinkende Sonne vergoldete noch die obere Reihe der Kapitäle mit den feinen Schnörkeln, die Locken glichen; unten war es schon finster. Vom Dreifuß strömte der Duft von verbrannter Myrrhe.

Julianus hob seine Augen scheu empor, und drückte sich mit verhaltenem Atem an die Wand.

Das war sie. In der Mitte des Tempels stand unter dem freien Himmel die erst eben dem Schaume der Wellen entstiegene kalte und weiße Aphrodite-Anadyomene in ihrer ganzen, keuschen Nacktheit. Die Göttin schien lächelnd den Himmel und das Meer zu betrachten und über die Schönheit der Welt zu staunen, als wisse sie noch nicht, daß es nur ihre eigene Schönheit sei, die vom Himmel und vom Meere, wie von ewigen Spiegeln, zurückgestrahlt werde. Kein Gewand verhüllte ihre göttliche Schönheit. Sie stand da, ebenso keusch und nackt, wie der wolkenlose, beinahe schwarzblaue Himmel über ihrem Haupte.

Julianus sog gierig und unersättlich diesen Anblick ein. Die Zeit stand still. Plötzlich spürte er, wie sein ganzer Körper vom Leben der Andacht ergriffen wurde. Und der Knabe kniete in seinem dunklen Mönchsgewande vor Aphrodite nieder, mit erhobenem Gesicht, die Hände an sein Herz gedrückt.

Dann ließ er sich ebenso scheu in einiger Entfernung von der Göttin auf dem Fuße einer Säule nieder, immer noch die Göttin anstarrend; seine Wange berührte den kalten Marmor. Ein seltsamer, tiefer Frieden erfüllte sein Herz. Er schlummerte ein. Doch auch im Schlafe fühlte er noch ihre Nähe; sie neigte sich immer näher und näher über ihn, und ihre schlanken weißen Arme legten sich um seinen Hals. Der Knabe gab sich mit leidenschaftslosem Lächeln der leidenschaftslosen Umarmung hin. Die Kälte des weißen Marmors drang ihm in das tiefste Innere seines Herzens. Diese heilige Umarmung glich nicht der krankhaft leidenschaftlichen, schweren und schwülen Umarmung der Amaryllis. Seine Seele befreite sich von der irdischen Liebe. Er genoß diese letzte Ruhe, die wie eine ambrosische Nacht Homers, wie die süße Ruhe des Todes war . . .

Als er erwachte, war es ganz dunkel. Im Viereck des freien Himmels funkelten die Sterne. Die Sichel des Mondes übergoß das Haupt der Göttin mit bläulichem Scheine.

Julianus stand auf. Olympiodores schien inzwischen dagewesen zu sein, ohne jedoch den Knaben bemerkt zu haben; vielleicht auch hatte er ihn bemerkt, aber ihn nicht wecken wollen. Jedenfalls glimmte jetzt auf dem kupfernen Dreifuß neue Kohlenglut, und wohlduftender Rauch stieg aus dem Opferbecken zu der Göttin empor.

Julianus näherte sich dem Dreifuß, entnahm der Schale aus Chrysolith, die zwischen den Füßen des Dreifußes stand, einige Körner wohlriechenden Harzes und warf sie in die Kohlen; der Rauch stieg dichter empor. Der rötliche Widerschein der Flamme leuchtete wie ein warmer Lebenshauch auf dem Antlitze der Göttin und vermengte sich mit dem Scheine des neuen Mondes. Die keusche Aphrodite-Urania schien von den Sternen zur Erde hinabzusteigen.

Julianus neigte sich nieder und küßte die Füße des Bildwerkes.

Er betete zu ihr:

»Aphrodite! Aphrodite! Ich werde dich ewig lieben.«

Und seine Tränen benetzten die Marmorfüße der Göttin.


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