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An Friedrich August Lichtenberg

Göttingen, den 20. Februar 1795

Dein Brief, mein teuerster, liebster Vetter, hat mich und die Meinigen sehr gerührt. Ich nehme den herzlichsten Anteil an dem traurigen Geschicke, das Dich und Deine liebe Frau Gemahlin betroffen hat. Ich bitte den Himmel, daß er von Dir und Deinem Hause, bei dieser traurigen Zeit, wenigstens die körperlichen Leiden entfernen möge, gegen welche der stärkste Mut nichts vermag. Den übrigen, hoffe ich, wirst Du als Mann entgegen gehen und den lieben Deinigen zum Beispiel dienen. Du bist noch jung; Deine Stärke wird wieder kommen. Mit mir ist es anders, und dennoch habe ich Mut. Wir sind bisher auf unserer Reise durch dieses Jammertal in der Kutsche gefahren, jetzt stehen wir alle am Ufer des stürmischen Meeres und müssen hinüber. Es kann sein, daß da Wasser und Brot unser wartet, oder daß wir versinken. Auch gut, denke ich zuweilen: Das ist der Fall von Tausenden. – Du tust sehr recht, Dein Vaterland nicht zu verlassen. Ich bin willens die Schurken an meinem Schreibtisch zu erwarten, es gehe wie es gehe. Ich habe den Tod sehr nahe gesehen, und seit der Zeit sind mir eine Menge von Dingen, die die Welt fürchtet, eine Kleinigkeit. Aber das Alter tut auch etwas dabei, freilich.

Noch zur Zeit fürchte ich im Ernst die Franzosen nicht, ich kann mich irren, aber je weiter sie vordringen, desto mehr vergrößert sich der Umfang. Denkt man sich die Ausbreitung sehr weit hinaus, so würden sie einzeln tot geschlagen werden, und so etwas könnte ihnen früher passieren. An Mut dazu fehlt es im Innern des Landes nicht, wie es auch sonst mit unserer Armee stehen mag. Die Schurken möchten ihr Ende finden, ehe sie die Elbe erreichen.

Teuerung haben wir unter unserer weisen Regierung schlechterdings nicht. Einige Veränderungen in den Preisen der Dinge sind nicht der Rede wert, wir haben es in nassen Jahren sehr viel schlimmer gehabt, und wäre kein Krieg und keine Furcht, so würde man davon nicht einmal reden.

Meine Zeit verstreicht, also nur noch kurz einiges. Vierzehn Tage vor der Revolution in Holland erhielt ich einen Ruf nach Leiden mit 2000 fl. Gehalt und 500 fl. an Emolumenten, und Freiheit, mir bessere Konditionen noch zu machen. Und was mich besonders noch gefreut hat, war der Umstand, daß ich von allen Kuratoren, wovon 2 von der Oranischen und 2 von der patriotischen Partei waren, einstimmig gewählt worden bin. Du kannst Dir, mein lieber Vetter, leicht denken, daß ich es ausschlug, und zwar ohne unserer vortrefflichen Regierung auch nur ein Wort davon zu sagen. Sie erfuhr es aber, und ich erhielt das ehrenvollste Schreiben, eine Art von Dank, mit der Versicherung unter Siegel, bei der ersten Gelegenheit entschädigt zu werden.

Vom Hogarth erhältst Du alle Fortsetzungen gewiß. Gott gebe, daß es in Frieden geschieht. Ich habe mich zu dieser Arbeit entschlossen meiner Familie wegen. Hiervon künftig mehr. Ich weiß meine müßigen Stunden nicht besser anzuwenden, wie Du mir gerne zugeben wirst, wenn ich Dir im Vertrauen sage, daß ich für das erste Heft 30 Louisdor erhalten habe; ich glaube nach eurem Gelde 720 fl., und das habe ich spielend an etwa 20 Sommer-Morgen zusammengeschrieben. Soll man so etwas nicht tun? Das zweite Heft erscheint ehestens. Auch diese Anstalt würden die Vandalen vernichten, wenn sie kämen.

Der Metzger, der Deinen letzten Brief überbringen sollte, hat ihn nicht selbst gebracht, und ebensowenig hat er sich bei seiner vermutlichen Retour bei mir eingestellt.

Nun Adieu, mein Lieber, und sei von meiner Liebe überzeugt. Lasse ja kein solches Korrespondenz-Interregnum mehr eintreten. Ich verspreche Dir von meiner Seite Präzision....

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