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An Johann Christian Dieterich

[Osnabrück, Dezember 1772]

....N.S.

Neulich ist mir noch ein Neujahrs-Wunsch eingefallen, der etwas weitschweifig ist, es könnte aber ein passabler daraus geschnitten werden, wenn Herr Boie sein Schnitzmesser dran wagen wollte. Ich setze ihn deswegen her, weil er eine Entschuldigung enthält, warum ich nicht recht gut Wünsche an Frauenzimmer schreiben kann.

An ein artiges Frauenzimmer.

Sehnsucht und Tugend sannen beide
An einem Wunsch an Dich für heute,
Sie stritten lang, und was mir übrig blieb,
War bloß ein Ach, als beide sich verglichen,
Denn was die Sehnsucht sonst noch schrieb,
Das hat die Tugend weggestrichen.

Ferner hatte ich einen an einen gewissen Stutzer gemacht, der aber unnütze gewesen wäre, weil man ihn keinem Menschen hätte geben können, wenigstens nicht ohne ein paar Ohrfeigen dagegen zurück zu bekommen. Ich habe also ein Sinngedicht daraus gemacht.

Daß oft dem tugendhaftsten Kind
Die Stutzer doch gefährlich sind,
Erkannte Zeus; als er Europen freite,
Erschien er ihr als Stutzer auf der Weide.

Was mich doch ein Brief an Dich aufmuntern kann. Ich hätte nicht gedacht, daß ich so viel schreiben würde. Aber wann kommst Du dann, Affe, so sage doch? Was meinst Du, Dieterich? (Christelchen) Mein Mann meint, wann Sie kämen?

O Madam, Ihnen kann ich die Antwort nicht versagen. Ich denke so mit dem Neuenjahr, oder wenigstens in dessen Suite. Es ist gar zu süß in einem zugemachten Wagen an einem Neuenjahrs-Tag unterwegs zu sein, denn meine Wünsche hört der Himmel doch und auch die, die für mich getan werden, aber ich brauche mich der ersten wegen nicht anzuziehen, und die letztern höre ich nicht. Ist das nicht beides vortrefflich?

Neulich schriebe ich: hier sitze ich. Es war aber ein Versehen, ich sitze und hänge hier nicht, sondern ich klebe.

Nun ist mein Brief zu Ende. Meine Laune hat mir schon dreimal ihr Stundglas vorgehalten.

Adieu

Herr Kaltenhofer hat neulich bei Dir zu Nacht gespissen, das war brav, ich hätte mir über die Nachricht beinah einen Rausch getrunken. Warum wollen zwei Männer, auf die ich beide sehr viel halte, und die beide auch etwas auf mich halten, nicht auch, wo nicht viel, doch wenigstens etwas, aufeinander halten. Schicke doch die Jungfer Marie (oder was ist sie jetzt) in sein Haus und vermelde ihm meinen Gruß, er kann an ihrem Gesicht etwas profitieren, zumal wenn sie ihm dieses selbst sagen müßte.

*


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