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An Friedrich August Lichtenberg

Göttingen, den 16. April 1790

Endlich, mein liebster Vetter, schreibe ich wieder. Wollte Gott, es wäre dieses Endlich auch endlich einmal etwas ganz Gutes. Krank bin ich noch immer, jedoch ist mein Leiden sehr viel erträglicher, und dafür danke ich dem Himmel. Noch ist der Ausgang ungewiß. Ich falle bei herzlichem Appetit sehr vom Fleische (denn daß ich würklich Fleisch auf dem Leibe hatte, habe ich im Ernst bei dieser Gelegenheit als eine große Neuigkeit erfahren), aber ein eigentliches Fieber ist nicht da. Ich fahre nun täglich aus, wiewohl in der Nachtmütze und in dem Pelz, und denke im Ernst in 14 Tagen meine Collegia anzufangen. Ich habe diesen Entschluß gefaßt, um meinen Freunden ihr stärkstes Argument wider meine Schwindsucht zu entkräften: nämlich dieses, daß ich für einen Schwindsüchtigen viel zu viel glaubte, daß ich schwindsüchtig wäre. Indessen ist so viel gewiß, meine Lunge ist gesund, ich huste nicht und atme viel freier als ehemals in Tertia, zumal wenn Haberkorn Dreschtag hatte. Auch mein Magen ist gut, allein die Leber fürchte ich, da liegt der Wurm. – Doch hiervon ehestens mehr. Das Schreiben wird mir sehr sauer, nicht aus Mattigkeit, sondern aus einer besondern Empfindlichkeit, die ich nicht beschreiben kann. Ich eile also, meiner Gewohnheit nach, Dich mit einem Auftrag zu beschweren, um dessen baldmöglichste Besorgung ich Dich inständigst bitte. – Ich werde, wenn ich leben bleibe, diesen Sommer viel auf dem Garten sein, und da wünschte ich einige Versuche zu machen mit allerlei Pflanzen, und dazu wünschte ich von Darmstadt aus zu haben:

1. Vom besten Mais (dort heißt es, glaube ich, wälsches Korn), und zwar wo möglich noch in den Zapfen. Schicke mir also etwa 3 Zapfen von der schönsten Art, wo möglich einen gelben, einen roten und einen bunten, doch kann letzterer auch wegfallen. Aber nur im äußersten Notfall schicke ihn in bloßen Körnern, denn ich wünschte gerne das Ganze zu zeigen. Sollte indessen vielleicht vorzüglich guter Samen in Körnern da sein, so schickst Du mir auch Körner; ein paar Hände voll ist genug. Daß alles vom vorigen Sommer sein müsse, versteht sich.

2. Etwa ½ oder ¼ Pfund vom besten Schnittkohl-Samen. Ich meine den Kohl, den man etwa auf 6 bis 7 Zoll hoch werden läßt und dann abschneidet, worauf das übrige wieder wächst. Auch hierbei das Verfahren ihn zu säen und zu behandeln nur kurz.

3 ¼ £ oder ½ £ vom besten Römischen Kohl (Beta Romana, Darmstädtisch: Remschkeel) und endlich, nun lacht ja nicht!

4. ein Pfund von der schönsten Spelz. Man läßt hier Spelzenmehl von Frankfurt kommen, aber viele Leute haben so wenig Spelz wachsen gesehen als Du und ich den Brotbaum. – Siehe, das sind meine Bitten. Vielleicht ist Dir der Herr Oberteichmeister Reuling bei dieser Sache behülflich, dem ich mich gehorsamst zu empfehlen bitte. Zugleich ersuche ich Dich, mir ja alle Auslage zu berichten und keine Kosten zu scheuen, wenn auch Boten einige Meilen weit müsten detachiert werden, weil Darmstadt selbst eben nicht der Ort ist, wo alles am vollkommensten zu haben sein möchte. Alles dieses läßt Du in eine neue starke Schachtel gut einpacken und gibst es unfrankiert auf die Post, allein, liebster Vetter, so bald als möglich. Die Zeit der Saat ist vor der Tür, die von der Spelz und vielleicht die – von mir. Mein lieber Bruder wird mir vergeben, daß ich ihm nicht schreibe. Ich werde alles einholen, wenn ich leben bleibe.

Die Nachricht von dem Tode des Landgrafen hat mich sehr erschreckt. Gottlob, daß ihr einen solchen geprüften Nachfolger in eurem Ludwig X. habt....

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