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An Johann Christian Dieterich

[Osnabrück, Februar 1773]

Gevatter,

Deinen guten Willen sowohl als die Tat habe richtig erhalten. Ich huste noch immer. Ich glaube doch nun im Ernst fast, daß es Berg ab geht. Ich habe auch keinen Schlaf. Neulich bin ich einmal mit dem Schlag dreiviertel auf 5 eingeschlafen. Der Mut ist mir noch nicht gelähmt, ich verstehe mich aufs Husten und Lachen zu gleicher Zeit, so gut als ein junges Mädchen aufs Weinen und Lachen auch zu gleicher Zeit. Vom Teufel spüre ich wenig oder nichts. Meine linke Hand trägt meinen Kopf und die rechte traktiert ihn des Tages zweimal mit Stern-Anis-Tee und Suppe, die übrige Zeit schreibt sie feierfangende Sachen in Sybillchen, schreibt Briefe und kratzt das Ohr.

Ich weiß nicht, ob Du den großen gelben Hosenknopf gekannt hast, den ich voriges Jahr zu oberst an meinen Hosen trug. Es war der einzige metallene an meinem ganzen Leibe. Er hat mich nie verlassen, seit 1769 versah er diese Stelle mit einer für einen Hosenknopf bewundernswürdigen Treue und Ernst. Da ich hier merkte, daß ihm der Dienst sauer wurde, so adjungierte ich ihm einen neuen Modeknopf, der ehmals auf Swantons Uniform gesessen hatte, das Regiment liegt jetzt in Minorca. Dieses nahm er übel. Im Dezember fing er an zu klagen und den Kopf zu hängen, und gestern nachmittag zwischen 3 und 4 zerriß das Band das uns über 3 Jahre an einander geknüpft hatte, ich meine die Saite im Holz, und er lag vor mir auf der Erde. Ich nahm den armen Teufel auf und sah ihn eine Zeitlang an mit einem Mitleid, als wenn er mein Neben-Geschöpf gewesen wäre. Habe Dank, sagte ich ihm, erster unter den Knöpfen, für Deine Dienste. Wer weiß, ob ich nun nicht ewig die Hosen heben muß. Ruhe sanft, ein Philosoph erkennt Deinen Wert, und damit flog er in einen Bach, der unter meinem Fenster wegfließt, so dichterisch als je einer in einem Liedchen gemurmelt oder gerieselt hat.

Wandrer, sieh diesen Hosenknopf, den treusten seines Geschlechts, an, statt über dieses Lob zu lachen, so fühle erst, ob Dir der Deinige noch festsitzt, und gehe weiter.

Dieses hat die rechte Hand auch geschrieben, nun muß sie hinter dem Ohr kratzen und wäre der Feder gerne los, also

Dietrich, vermutlich zum letztenmal aus Osnabrück
bin ich Dein Freund und Diener G. C. L.

Grüße alle Freunde, durchs ganze Alphabet, auch den Herrn Gumprecht, ob er sich gleich mit einem Gimmel schreibt.

*


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