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An Johann Christian Dieterich

London, den 16ten November 1775

Mein lieber Dieterich

Noch einmal schreibe ich Dir und bitte Dich sogar um eine Antwort. Ich werde nicht vor der ersten Woche im Dezember abreisen und hoffe also, wenn Du Dich gleich hinsetzest und schreibst, so soll mich der Brief noch hier treffen. Ich habe wieder drei Tage die Stube gehütet, welches in Göttingen nichts, allein in London, wenn das Herz gesund ist, eine wahrhafte Pein für einen Abreisenden ist.

Herrn Professor Büttner frage doch gleich: ob ich ihm ein Irländisch und Englisches Wörterbuch kaufen soll, das mir aufgestoßen ist. Es ist in 4to und zu Paris 1732 gedruckt. Am Ende befindet sich eine Irische Grammatik. Dieses ist der Teil, wo das Englische voran steht. Der ungenannte Verfasser verspricht in der Vorrede einen andern Teil mit dem Irischen voran. Er ist aber, wie ich höre, nie erschienen. Der Mann fordert eine halbe Guinee. Eine irländische und schottisch-hochländische Bibel habe ich noch nicht erhalten können, aber eine in wallisischer oder wälscher Sprache habe ich für den Herrn Professor erstanden, habe aber 9 Schillinge dafür bezahlen müssen. Herrn Blumenbach sage nebst meinem gehorsamsten Kompliment, daß ich ihm auf die meisten seiner Fragen nach Vermögen dienen werde, und daß ich seinen Fleiß überall gerühmt habe. Der botanische Gärtner in Kew, Herr Aiton, wird sich ein Vergnügen daraus machen nicht allein mit ihm zu korrespondieren, sondern ihm alles zu verschaffen was in seinem Vermögen steht. Ich wohne jetzt auf einem Kaffeehause ganz allein und mein Heinrich in Lord Bostons Hause eine Meile von mir. Künftigen Montag reise ich wieder auf das Land. Es ist jetzt ein sehr großes Sterben hier, und manche Leute, die mehr zu verlieren haben als Dein Freund, sind äußerst ängstlich. Ich bin sehr gelassen dabei und lebe so ordentlich fort wie vorher, ohne mich mehr in acht zu nehmen. Sterbe ich, so gehe ich nicht nach Deutschland, das ist alles.

Ich wünsche nur, daß Du einmal einen solchen Londonschen Tag, wie den heutigen, sehen könntest, es regnet als wenn die Engel glaubten, es brennte hierunten, und eine Steinkohlen-Dampf-Wolke hat sich so dick in meiner Straße niedergelassen, daß ich, um meinen Augen keine Gewalt anzutun, indem ich dieses schreibe (um halb eilf des Vormittags), ein Licht brenne und noch gestern abend um 10 Uhr war es sternhell und fror hart. Das wäre gewiß nicht auszustehn, wenn es nicht von der andern Seite wieder Trostgründe gäbe, die das alles weit überwiegen. Mit einem Wort ( aber unter uns), wenn die unbeschreiblich schönen, zutuligen, treuherzigen, bei aller Gelegenheit hülfreichen Bettwärmerinnen nicht hier wären, so wollte ich wetten, die Engländer gingen alle aus England, des Winters wenigstens.

Lebe wohl, mein Wertester, und grüße Dein Haus und das Baldingerische.

G. C. Lichtenberg

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