Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Die Verwandlung.

Wenn es den Herren gefällig ist, mögen sie, bevor es zu spät am Tage wird, eilends meine kleine Geschichte anhören, – den kurzen Bericht von einem wackeren Bischof in Spanien, der in irgendwelchen Angelegenheiten seines Herrn, des Königs von Kastilien, zur Zeit dieser Geschichte den Hof zu Rom besuchte.

Dieser wackere Prälat, von dem diese köstliche Geschichte handelt, kam eines Abends in ein kleines Städtlein in der Lombardei. Und da er am Freitag und ziemlich frühzeitig vor Abend dort angelangt war, hieß er seinen Hausmeister, das Abendessen gut zu richten und ihm recht reichlich und nett alles aufzutischen, was sich nur in der Stadt Brauchbares auftreiben ließe. Denn Gott sei Dank, er war zwar dick und fett, aber wenn er den Tag über so gefastet hatte, dann gab er sich der schonen Tätigkeit des Essens gern und gehörig hin.

Sein Hausmeister begab sich gehorsam auf den Markt, eilte auch von einem Fischladen zum andern, aber er vermochte keinerlei Fisch aufzutreiben. Um nicht lange drumherum zu reden: er konnte nicht einmal einen einzigen armseligen Bissen ergattern, obwohl er und der Wirt sich alle erdenkliche Mühe gaben.

Als sie dann schließlich ohne Fisch wieder ins Gasthaus zurückkehrten, trafen sie zufällig dort einen braven Landmann, der zwei Rebhühner hatte und sich nichts Besseres wünschte, als sie loszuwerden. Flugs sagte sich der Hausmeister, wenn er die Hühner billig haben könnte, würde er sie auf alle Fälle bereit haben; sie wären ja zum Sonntag gerade recht und sein Herr würde dann ein schönes Festessen haben. Er kaufte sie also, bekam sie billig, lief mit den beiden noch lebenden fetten und leckeren Rebhühnern in der Hand zu seinem Herrn und erzählt ihm, was es für ein Jammer mit den Fischen in der Stadt gewesen sei, und wie betrübt über sein Mißgeschick er heimkehre.

Worauf der Bischof meinte:

»Also was können wir denn heute abend essen?«

»Ich kann Euch Eier auf hunderttausenderlei Art herrichten,« versetzte der Hausmeister. »Außerdem könnt Ihr Apfel und Birnen haben. Unser Wirt hat auch noch guten, fetten Käse im Hause, wir werden also ganz gut zurechtkommen. Geduldet Euch nur für heute, so ein Abendessen ist bald vorbei, und so es Gott gefällt, werdet Ihr morgen besser versorgt sein, wir werden bis dahin nach der Stadt kommen, die weit besser mit Fischen versehen ist, wie diese hier, und für den Sonntag habt Ihr bestimmt ein treffliches Festtagsgericht zu erwarten, denn hier sind zwei Rebhühner, die ich mir verschafft habe. Sie sind gut bei Fleisch und überaus köstlich.«

Der Herr Bischof ließ sich die beiden Rebhühner reichen und überzeugte sich, daß sie ganz vortrefflich ausschauten. Deshalb bedachte er, daß sie beim Abendessen recht gut die Stelle der Fische vertreten könnten, auf die er gerechnet hatte und die er nicht erlangen konnte. Denn daß noch welche zu finden waren, schien ausgeschlossen.

Er ließ sie also eiligst töten, rupfen, in Speck wickeln und auf den Spieß stecken. Als der Hausmeister sah, daß er sie braten lassen wollte, fiel er aus allen Wolken und sagte zu seinem Herrn: »Hochwürden, zwar ist's ja ganz gut, daß sie getötet worden sind, aber sie jetzt schon für Sonntag zu braten, scheint mir nicht das Richtige.«

Unser Hausmeister aber redete ins Blaue. Denn mochte er auch noch so viel Einwürfe machen, er fand kein Gehör. Die Rebhühner wurden richtig auf den Spieß gesteckt und gebraten, und der wackere Prälat war den größten Teil der Zeit, da sie brutzelten, anwesend. Sein Hausmeister fiel aus einer Verwunderung in die andere. Er ahnte ja nicht die Geistesverwirrung seines Herrn, der just danach schleckte, die Rebhühner gleich jetzt auf der Stelle zu verzehren; wogegen er vermeint hatte, daß er sie für den Sonntag vorbereite, um sie gleich ordentlich zum Essen herzurichten.

Sie wurden also fix und fertig gemacht, und als sie bereit und schön gebraten waren, als der Tisch gedeckt dastand, der Wein gebracht war, die auf verschiedenerlei Art hergerichteten und zubereiteten Eier aufgetragen wurden, setzte sich der Prälat an den Tisch, sprach das Benedicite und verlangte sich feine Rebhühner mit Mostrich.

Sein Hausherr hätte gern gewußt, was sein Herr wohl mit den Rebhühnern anfangen wollte. Er brachte sie also herbei, just wie sie vom Spieße kamen. Sie strömten einen gar köstlichen leckeren Duft aus, darob jedem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammengelaufen wäre. Und unser guter Bischof machte sich auch gleich darüber her und zerlegte sofort das allerschönste, das da war. Er begann aufzuschneiden und zu essen, und er hatte solche Eile, daß er seinem Pagen, der ihm das Essen vorlegen, sollte, überhaupt keine Zeit ließ, mit seinem Brote noch mir seinen Messern zuwege zu kommen.

Als der Hausmeister sah, wie sein Herr über die Rebhühner herfiel, erstaunte er, konnte aber nicht den Mund halten, sondern mußte sich zu der Frage versteigen: »Ach, Hochwürden, was tut Ihr da? Seid Ihr denn ein Jude oder Sarazene, der sich um den Freitag nicht kümmert? Mein Wort, ich bin über die Maßen erstaunt über das, was Ihr da tut.«

»Schweigt, schweigt!« versetzte der wackere Prälat, dessen Hände und Bart von dem Fett dieser Rebhühner trieften. »Du bist ein Dummkopf und weißt nicht, was du sagst. Ich tue durchaus kein Unrecht. Denn du weißt und siehst doch recht wohl, daß ich und jeder andere Priester durch die rechten Worte eine Hostie, die doch nur aus Mehl und Wasser besteht, in den köstlichen Leib Jesu Christi verwandle. Kann ich dann also nicht mit um so viel mehr Recht, – zumal ich am Hofe zu Rom und an mancherlei andern Orten so vieles gesehen habe, – durch die rechten Worte diese Rebhühner, die aus Fleisch bestehen, in Fisch verwandeln, obgleich sie äußerlich weiter die Form und Gestalt von Rebhühnern behalten? So geschieht es, siehst du. Schon mancher Tag ist ins Land gegangen, seit ich diese Praxis kenne. Die Hühner staken noch nicht recht auf dem Spieße, als ich sie bereits durch Worte, die ich zu diesem Zwecke weiß, derart bezaubert habe, daß sie sich in das Wesen von Fischen verwandelten. Ihr könnt auch alle, die ihr hier seid, gleich mir davon essen, ohne eine Sünde zu begehen. Aber ob der falschen Vorstellungen, die ihr dabei haben könntet, würden sie bei euch Schaden anrichten. Und deshalb werde ich allein diesen Fehler begehen.«

Der Hausmeister und alle andern Leute des Gefolges begannen zu lachen und taten, als ob sie dem Spaße ihres Herren beipflichteten, denn der Scherz war ja schlau hergerichtet und geschickt frisiert. Späterhin ließen sie sich das gar wohl gesagt sein, und sie haben es noch oft an mancherlei Orten fröhlich berichtet.


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