Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Ehemann als Pfarrer.

Im letztvergangenen Jahre Fünfzig (1450) machte sich der Schreiber eines Dorfes aus der Diözese Noyon auf den Weg, um die weithin bekannten Ablässe zu Rom zu erflehen und zu erlangen. Er befand sich in Begleitung mehrerer anständiger Leute aus Noyon, Compiègne und verschiedenen Nachbarorten. Aber vor seinem Aufbruch traf er in all seinen Angelegenheiten genaue und bestimmte Anordnungen: erstens wegen seiner Frau und seines Haushaltes und dann wegen der Pfarre, die er einem jungen, netten Küster anvertraute, der dort bis zu seiner Rückkehr Dienst tun sollte.

In ziemlich kurzer Zeit kam er mit seiner Gesellschaft nach Rom, und alle beteten und wallfahrten, so gut sie es irgend verstanden.

Nun müßt ihr aber wissen, daß unser Schreiber zufällig in Rom einen früheren Schulgefährten traf, der bei einem mächtigen, großen Kardinal in Diensten stand. Der war sehr erfreut, ihn wieder getroffen zu haben, denn sie hatten früher sehr aneinander gehangen. So fragte er ihn denn, wie es ihm ginge, und der andere erzählte ihm vor allem, daß er leider verheiratet sei, weiter wieviel Kinder er habe, und auch, daß er Küster in einem Sprengel sei.

»Ach,« versetzte sein Gefährte, »bei meinem Schöpfer, das tut mir recht leid, daß Ihr verheiratet seid.«

»Warum?« fragte der Küster.

»Das will ich Euch sagen,« meinte der andere. »Der und der Kardinal hat mich eindringlichst beauftragt, ihm einen Angestellten aus unserem Lande aufzutreiben, der bei ihm als Schreiber eintreten kann. Ihr könnt mir glauben, das wäre ein guter Posten für Euch gewesen, da er reichlich bezahlt wird, wenn nur Eure Ehe nicht wäre, die Euch wieder nach Hause zwingt. Ihr habt dadurch alle Aussichten, mehr zu verlieren als Ihr je gehabt habt.«

»Ach, wißt Ihr,« versetzte der Küster, »meine Ehe hat damit nichts zu tun. Denn offen gestanden bin ich zwar aus unserem Lande fortgegangen unter dem Vorwande, mir hier Sündenvergebung zu holen, aber das war nicht meine Hauptabsicht. Ich wollte es mir nämlich zwei oder drei Jahre lang in verschiedenen Ländern gut gehen lassen, und würde Gott in dieser Zeit meine Frau zu sich nehmen, dann wäre ich über die Maßen glücklich. Deshalb bitte ich Euch, seid mein Mittler bei dem Kardinal, damit ich in seinen Dienst trete. Wahrhaftig, ich werde so fleißig sein, daß Ihr mir nichts vorzuwerfen braucht. Und bekämt Ihr das fertig, dann würdet Ihr mir einen Dienst tun, wie ihn größer kein Freund dem andern tun kann.«

»Da Ihr es nun einmal so wollt,« sagte sein Gefährte, »so will ich Euch sofort diesen Dienst tun, und ich werde Euch in eine Stellung bringen, in der Ihr es gut haben könnt, wenn Ihr damit einverstanden seid.«

»Ach, lieber Freund, wie dankbar bin ich Euch,« rief der andere.

Kurz und gut, unser Küster wurde bei dem Kardinal untergebracht, und das berichtete er denn auch seiner Frau, nämlich erstens sein ganzes Erlebnis und zudem seine Absicht, daß er nicht so bald wieder heimkehren würde, wie er es bei der Abreise gesagt hatte. Sie tröstete sich und schrieb ihm zurück, sie würde alles daheim so gut wie möglich führen.

Unser braver Küster hielt und zeigte sich im Dienste des Kardinals gar tüchtig. Und so kam es, daß er schließlich seinen Herrn sehr für sich einnahm. Dieser bedauerte es recht von Herzen, daß der Küster keine Gottesdienste abhalten konnte, denn er hätte ihn reichlich damit versorgt. Während aber unser Küsterlein sich besagte Gunst eroberte, war der Pfarrer seines Dorfes mit dem Tode abgegangen und so war seine Pfründe frei geworden, die vom Papste zu verleihen war. Da dachte sich der Küster, der für seinen Gefährten in Rom die Stelle vertrat, er wollte sich schleunigst nach Rom begeben und die Hilfe seines Gefährten benutzen, um den Posten zu erlangen. Das tat er auch keineswegs schläfrig; vielmehr sorgte er dafür, daß er trotz aller Mühe und Beschwer schon nach wenigen Tagen in Rom anlangte, wo er sich nicht eher zufrieden gab, bis er seinen Gefährten, den Küster im Dienste des Kardinals, aufgetrieben hatte.

Nachdem sie sich beiderseits überströmend herzlich begrüßt hatten, erkundigte sich der Küster nach seiner Frau. Der andere gedachte, ihm eine besondere Freude zu machen und dadurch die Erledigung, um die er ihn bitten wollte, besser zuwege zu bringen, und deshalb erwiderte er: ›Sie ist tot‹. Das log er aber, denn ich wette, zur selben Zeit wußte sie ganz gehörig ihren Mann zu hörnen. »Was, Ihr sagt also, meine Frau ist tot?« rief der Schreiber. »So bitte ich Gott, er möge ihr ihre Sünden vergeben.«

»Ja, gewiß,« versetzte der andere, »die Pest im vergangenen Jahre hat sie und viele andere hin weggerafft.«

Er erzählte diese Geschichte, die ihn später recht teuer zu stehen kam, weil er ja wußte, daß sein Kamerad sein Land nur um seiner Frau willen verlassen hatte, die so wenig friedlich war, daß er gar keine bessere Nachricht von ihr bringen konnte als die ihres Todes. Das war freilich wahr, aber die Kunde war falsch.

»Und was führt Euch hier ins Land?« fragte der Küster nach diesem und jenem Gespräch.

»Das will ich such sagen, lieber Freund und Kamerad. Unser Pfarrer in der Stadt ist nämlich dahingeschieden und ich komme nun zu Euch, damit ich durch Eure Unterstützung seine Pfründe erlangen kann. Ich weiß recht gut, daß Ihr es in der Hand habt, sie mir zuzuwenden, denn Ihr könnt Euch ja auf die Hilfe Eures Herrn verlassen.«

Der Küster bedachte, nun sei seine Frau doch tot, und wenn die Pfarre in seiner Stadt frei stünde, so könne er ja selbst diese Pfründe schlucken und anderes noch mit, wenn es sich herausschlagen ließe. Das sagte er freilich seinem Gefährten nicht, vielmehr versicherte er ihm, daß er, so weit es an ihm läge, Pfarrer in seinem Städtchen werden würde. Dafür wurde er mit Dankesworten überhäuft, aber die Geschichte ging ganz anders weiter.

Denn am nächsten Tage verlieh der Heilige Vater auf Ersuchen des Kardinals, des Herrn unseres Küsters, diesem die Pfarre. Daraufhin kam unser Freund, sobald er die Nachricht empfangen hatte, zu seinem Gefährten gelaufen und sagte:

»Ach, lieber Freund, wahrhaftig, Eure Sache ist schief gegangen. Es tut mir furchtbar leid.«

»Wieso denn?« fragte der andere.

»Die Pfarre unserer Stadt war bereits vergeben,« versetzte jener, »aber ich weiß nicht an wen. Mein Herr glaubte, Euch helfen zu können, aber es stand nicht mehr in seiner Kraft, etwas für Euch zu tun.«

Das ging natürlich dem armen Kerl arg gegen den Strich, denn er hatte viel Arbeit, Mühe und Geld verschwendet, um den weiten Weg zu machen. Aber schade war es ja eigentlich nicht um ihn. Er nahm also recht kläglich von seinem Gefährten Abschied und kehrte in sein Land zurück, ohne weiter etwas von seinem Schwindel verlauten zu lassen, den er verzapft hatte.

Nun zurück zu unserm Küsterlein, das über den Tod seiner Frau und die Pfarre in seiner Stadt, die ihm auf Ersuchen seines Herrn der Heilige Vater zum Lohne verliehen hatte, vergnügter war, wie ein Fisch im Wasser. Wir können also berichten, wie er in Rom zum Priester geweiht wurde und dort voller Demut seine erste Messe las; und wie er dann von seinem Herrn für eine Weile Abschied nahm, um flugs in seiner Heimat seine Pfarre anzutreten.

Als er nun in sein Städtlein einzog, widerfuhr ihm ein besonderes Glück: der erste Mensch, dem er begegnete, war seine Frau! Und ich kann euch versichern, da riß er den Mund auf und die Galle schwoll ihm.

»Was soll denn das heißen?!« rief er. »Liebe Freundin! Man hat mir doch erzählt, daß Ihr gestorben wäret.«

»Da habe ich mich fein gehütet,« sagte sie. »Ihr sagt das, wie mir scheint, weil Ihr es gern erlebt hättet. Und Ihr habt es ja auch gezeigt, denn Ihr habt mich fünf Jahre lang mit einem großen Haufen kleiner Kinder sitzen lassen.«

»Liebste Freundin,« rief er, »ich bin sehr froh, Euch bei bestem Wohlsein zu sehen, und preise Gott von ganzem Herzen! Verflucht der Kerl, der mir die andere Nachricht gebracht hat.«

»So sei es,« versetzte sie.

»Also nun muß ich Euch sagen, Liebste: ich kann jetzt hier nicht verweilen, denn ich muß eiligst zu Herrn von Noyon in einer Angelegenheit, die ihn betrifft. So bald ich aber kann, werde ich Euch wiedersehen.«

Er verließ seine Frau, macht sich nach Noyon auf, aber unterwegs dachte er, weiß Gott, immer nur an sein klägliches Erlebnis:

»Ach,« stöhnte er, »ich bin ein verlorener, entehrter Mensch: Priester, Küster und verheiratet! Ich glaube, ich bin das erste Unglückshuhn, dem so etwas widerfahren ist.«

Er kam also zum Bischof von Noyon, der über seinen Fall aufs äußerste verwundert war und keinen Rat zu geben wußte; darum schickte er ihn wieder nach Rom zurück. Als unser Freund dort ankam, erzählte er seinem Herrn des langen und breiten die volle Wahrheit seiner Geschichte. Der Kardinal war tiefbetrübt darüber und berichtete am nächsten Tage dem Heiligen Vater vor dem Kardinalskollegium und dem ganzen Rate, was seinem Manne, den er zum Pfarrer gemacht hatte, widerfahren war. Und da wurde denn bestimmt, das er Priester, Ehemann und Pfarrer zugleich bleiben solle. So blieb er denn mit seiner Frau wie ein ehrenwerter tadelloser Ehemann, und seine Kinder werden als durchaus vollberechtigt gelten und nicht als uneheliche Kinder, obgleich ihr Vater Priester ist. Und obendrein wurde beschlossen: Wenn es sich herausstellt, daß er auf Abwege geht und nicht zu seiner Frau hält, verliert seine Pfründe.

So also wurde der Schelm bestraft, weil er seinem Gefährten eine falsche Nachricht gebracht hatte. Und jener wurde gezwungen, in seiner Pfründe und, was doch schlimmer ist, mit seiner Frau zusammen zu bleiben, auf die er gern verzichtet hätte, wenn es die Kirche nicht also bestimmt haben würde.


 << zurück weiter >>