Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Ein nicht gar säuberlicher Weihwasserkessel.

Während die andern nachdenken und in ihrem Gedächtnis nach erlebten Begebnissen oder Vorfällen kramen, die unterhaltsam und ansprechend genug sind, um hier eingefügt zu werden, will ich euch kurz erzählen, wie der eifersüchtigste Ehemann seiner Zeit und des ganzen Landes hineingelegt wurde. Ich glaube ja gern, er ist nicht der einzige gewesen, der von dieser Krankheit befallen war, aber immerhin war er über alles Maß von dieser Krankheit besessen, und deshalb mag ich nicht über ihn hinweggehen, ohne daß ihr erfahrt, was ihm für ein netter Streich gespielt wurde.

Dieser wackere Eifersüchtling aber, von dem ich hier erzählen will, war ein großer Geschichtsforscher und hatte gar vielerlei gesehen, gelesen und studiert. Aber die Hauptsache, auf die sein ganzes Streben und seine Arbeit hinauslief, war, zu wissen und zu erfahren, welcher Art und wie, durch welche Mittel und Ränke die Frauen ihre Männer hintergehen können. Denn Gott sei Dank, alte Geschichten, wie Matheolet, Juvenal, ›Die fünfzehn Ehefreuden ‹ und so manches, das ich gar nicht alles aufzählen kann, enthalten ja schon eine hübsche Sammlung verschiedenster Listen, Trugesarten, pfiffiger Streiche und Hintergehungen in derartigen Fällen. Die also hatte unser Eifersüchtling täglich in Händen, und er war davon nicht minder verdummt, wie ein Narr von seiner Blödheit. Trotzdem las er, studierte immer und machte sich einen kleinen Auszug aus all diesen Büchern, in denen solche Ränke angeführt, beschrieben und vermerkt waren, die sich um Verführungen und Überlistungen von Frauen drehten und auf Kosten ihrer Ehemänner vollbracht wurden. Das tat er einzig zu dem Zwecke, um besser verschanzt und auf der Wacht zu sein, wenn etwa seine Frau zufällig einmal solch einen ehelichen Streitfall vom Zaune brechen sollte, wie er sie in seinem Buche eingetragen und wohlgeordnet ausgezeichnet hatte. So kam's, daß er seine Frau ganz wie ein eifersüchtiger Italiener behandelte, und damit war er noch nicht einmal zufrieden, denn die verfluchte Eifersuchtskrankheit setzte ihm gar zu schlimm zu und hatte ihn ganz in ihrem Banne.

In diesem angenehmen ergötzlichen Zustande lebte der wackere Mann drei oder vier Jahre mit seiner Frau. Sie kannte nur einen Zeitvertreib, der sie bisweilen von seiner höllischen Anwesenheit erlöste: das waren die Stunden, wo sie in Begleitung einer alten WärterinDas französische Wortspiel: servante (Dienerin) und serpente (Drachen) dürfte in dem Doppelsinn des Wortes »Wärterin« wenigstens andeutungsweise wiedergegeben sein. Th. v. R. zur Messe ging und wieder heimkehrte. Dann lag freilich die Aufsicht in der Hand der Alten.

Ein Edelmann hatte von diesem Zustand gehört, und so machte er sich eines Tages auf dem Kirchgange an die gute Dame heran. Sie war in jeder Beziehung anmutsvoll, schön und wohlgestalt. Es fiel ihm daher nicht schwer, ihr mit größter Liebenswürdigkeit zu versichern, wie gern er ihr zu Diensten wäre, er beklagte und beseufzte, in liebevoller Teilnahme für sie, ihr verdammtes Schicksal, das sie an den eifersüchtigsten Mann des Erdkreises gefesselt hatte, und verschwor sich obendrein hoch und teuer, daß sie die einzige aus der Welt sei, für die er gern noch mehr tun würde.

»Da ich Euch aber hier nicht sagen kann,« fuhr er fort, »wie sehr ich Euch ergeben bin, – und so manches andere, das Euch hoffentlich auch nicht unangenehm wäre, so werde ich's Euch schreiben und Euch morgen zustecken. Nur bitte ich Euch flehentlich, daß Ihr meine geringen Dienste, die von ganzem Herzen und aus bester Absicht kommen, nicht zurückweisen wollet.«

Sie hörte ihn gern an. Da aber der Zerberus dabei war und allzu nahe stand, so antwortete sie kaum. Trotzdem war sie sehr damit einverstanden, seine Briefe zu lesen, wenn sie kommen sollten; und das gab sie ihm auch zu verstehen.

Der liebeheiße Edelmann nahm recht frohen Abschied, und er hatte ja auch allen Grund dazu. Und die Schöne, dies Musterbild von Sanftmut und Güte, entließ ihn voller Huld. Aber die Alte, die immer mit giftigem Mißtrauen hinterher war und sie nicht aus dem Auge ließ, konnte sich natürlich nicht verkneifen, sie zu fragen, was sie denn da für einen Schwatz gehalten hatte mit dem Herrn, der eben von dannen gegangen sei.

»Er brachte mir Nachrichten von meiner Mutter,« sagte sie. »Ich bin darüber sehr froh, denn ich höre, es geht ihr gut.«

Die Alte fragte nicht weiter und so kamen sie ins Haus zurück.

Am nächsten Tage erschien der Jüngling mit einem Brieflein, in dem Gott weiß was stand, paßte die Dame ab und gab ihr die Botschaft so schnell und geschickt, daß selbst der scharfe Blick der alten Eule nichts davon wahrnahm. Sie öffnete den Brief, auf den sie so brannte, mit Freuden und las ihn, sobald sie für sich allein war. Im großen und ganzen stand darin, daß er von Liebe zu ihr ergriffen sei, und sich niemals mehr wohl fühlen würde, wenn er nicht du Zeit und Möglichkeit fände, ihr des längeren darüber sein Herz auszuschütten. Er bat zum Schluß, sie möchte ihm doch gnädigst Tag und Ort Bestimmen, wo das möglich sei, und ihm diesen Bescheid zusammen mit der Antwort auf den Brief zustellen.

Darauf schrieb sie gar anmutig, sie entschuldige sich, für jemanden Liebesgefühle zu hegen, dem sie nicht Treue und Anhänglichkeit gelobt habe; immerhin wolle sie aber nicht, da er sich doch nun einmal so arg in sie verliebt habe, daß er ungelohnt bliebe, und deshalb wäre sie sehr zufrieden zu hören, was er ihr sagen wolle, wenn sie es nur könnte oder wüßte, wie. Aber das ginge bestimmt nicht, denn ihr Mann hielte sie so streng, daß er sie nicht von sich ließe, außer der Zeit zur Messe, wo sie auf dem Wege zur Kirche mehr als überwacht werde von dem verteufeltsten Drachen, der je einem Menschen in der Quere gewesen sei!

Der junge Edelmann nahte ihr diesmal in ganz anderem Gewande als am vorigen Tage. Aber sie erkannte ihn gar wohl, und beim Vorübergehen trat er so dicht neben sie, daß er besagten Brief aus ihrer Hand erhaschen konnte. Kein Wunder, daß er gierig darauf brannte, den Inhalt zu lesen. Er ging zur Seite an einen Ort, wo er das bequem bewerkstelligen konnte, und entnahm aus ihrem Schreiben, daß die Sache anscheinend schönstens im Gange war. Aber er begriff, daß es sich nun vor allem und einzig darum drehte, wo er mit seinem Unternehmen zum Ziele und glücklichen Ende kommen konnte. Infolgedessen dachte er von nun an Tag und Nacht darüber nach, wie das wohl anzustellen sei. Und so fiel ihm schließlich ein glücklicher Streich ein, der es wohl lohnt, im Gedächtnis behalten zu werden:

Er begab sich zu einer guten Freundin, die just halbwegs zwischen der Kirche und dem Hause der Dame wohnte. Der erzählte er unverhohlen den Stand seines Liebesabenteuers und bat sie, ihm dabei behilflich und zur Hand zu sein.

Nachdem sie ihn angehört hatte, meinte sie:

»Ihr könnte überzeugt sein, daß ich von Herzen alles für Euch tun will, was ich kann.«

»Ich danke Euch,« versetzte er beglückt, »Wäret Ihr dann auch einverstanden, daß sie zu Euch käme, um sich mit mir zu besprechen?«

»Gewiß,« stimmte sie zu. »Euch zuliebe litte ich das gern.«

»Famos!« rief er. »Und wenn ich Euch einen gleichen Dienst erweisen kann, dann rechnet auf meine Erkenntlichkeit!« –

Ihm war nicht eher wohl, als bis er wieder seiner Geliebten geschrieben und ihr den Brief zugestellt hatte, der da besagte:

»Ich habe mich mit jemandem in Verbindung gesetzt. Das ist eine gute Freundin von mir, eine sehr anständige, ehrliche und verschwiegene Frau, die Euch kennt und wohl will und uns ihr Haus zu einem Gespräch zur Verfügung stellen wird. Hört also, was ich ausgedacht habe: Morgen bin ich oben in dem Zimmer, das zur Straße geht, und neben mir wird ein großer Kübel Wasser mit Asche darin stehen. Damit werde ich Euch in dem Augenblick, wenn Ihr vorbeigeht, begießen. Und ich werde in einem so unkenntlichen Gewande sein, daß weder Eure Alte noch sonst eine Menschenseele mich erkennen kann. Seid Ihr derart hergerichtet, dann tut Ihr entsetzt und flüchtet Euch in dies Haus. Ihr schickt Euren Drachen, ein anderes Kleid holen, und während sie unterwegs ist, sprechen wir zusammen.«

Um kurz zu sein: der Brief wurde übergeben, und die Dame antwortete ihm mit freudiger Zustimmung. So kam der Tag. Die Schöne wurde von ihrem Liebsten mit dem Aschewasser übergossen, und das geschah so reichlich, daß ihr Hut, ihr Kleid und all ihre Gewänder durch und durch naß wurden und völlig verdorben waren. Ihre Entrüstung und ihren Schrecken verstand sie, weiß Gott, gut zu spielen. Und da sie sich in einem unmöglichen Zustande befand, schlüpfte sie in das Haus mit so ahnungslosem Gesicht, als ob sie nicht wüßte, wo sie sei.

Sobald sie die Dame sah, beklagte sie sich über ihr Mißgeschick, und ich brauche nicht zu sagen, wie sehr sie ob dieses Unglückfalles sich anstellte und aufbegehrte. Erst war's ihr Kleid, dann ihr Hut, dann ihr Rock, kurz, wenn man sie so hörte, war die Welt untergegangen. Und der Zerberus, der vor Ungeduld tobte, nahm ein Messer zur Hand, um das Kleid, so gut es ging, zu reinigen.

»Nein, nein, meine Liebe,« fuhr ihre Herrin dazwischen, »Ihr müht Euch vergebens. Das ist so in aller Eile nicht zu säubern, was Ihr jetzt macht, ist doch ganz zwecklos. Da hilft gar nichts weiter, ich muß ein ander Kleid und einen anderen Hut haben. Also geht heim und holt mir das! Und sputet Euch, daß Ihr mir bald zurückkommt, damit wir nicht über dies Mißgeschick auch noch die Messe versäumen!«

Die Alte sah recht wohl, daß dies unvermeidlich sei, und wagte der Herrin nicht zu widersprechen. Sie nahm Kleid und Hut unter ihren Mantel und ging nach Hause. Kaum aber hatte sie den Rücken gedreht, da wurde ihre Herrin schon in das Zimmer geführt, wo ihr Liebster saß, der sie mit Freuden im Unterrock und mit unverhülltem Haar erblickte.

Während die beiden plaudern, wenden wir uns der Alten zu. Die kam daheim an und fand ihren Herrn zuhause vor. Aber er ließ sie gar nicht zu Wort kommen, sondern fragte hastig:

»Was habt Ihr mit meiner Frau gemacht? Wo ist sie?«

»Sie befindet sich bei der und der im Hause,« antwortete die Alte.

»Wie kommt das?« erkundigte er sich angstvoll.

Nun zeigte sie ihm das Kleid und den Hut, erzählte ihm die Geschichte mit dem Schmutzwasser und der Asche und sagte, sie käme, um andere Kleider zu holen, denn in diesem Zustande wage seine Frau nicht dort fortzugehen.

»So ist es?« ächzte er geknickt. »Mein Gott, der Streich steht noch nicht in meinem Buch! Schnell, schnell, ich sehe schon, wie die Dinge stehen!«

Er hätte gern gesagt, daß er sich ein Geweih zugelegt habe, und ihr könnt mir glauben: – so war es auch.

Fortan mochte er keine Bücher und Leitfaden bei sich haben, in denen derartige Dinge aufgezeichnet standen. Man darf auch wohl annehmen, daß er diesen jüngsten Streich gut genug im Gedächtnis behielt, um ihn nie mehr zu vergessen. Nein, wahrlich, besonders aufzuschreiben brauchte er ihn also nicht, und für die kurze Zeit, die er noch lebte, blieb ihm jede Einzelheit recht frisch in seiner Erinnerung.


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