Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Zwischen zwei Feuern.

Ein Edelmann aus den Burgunder Marken, ein kluger, wackerer, wohlerzogener, ruhm- und ehrwürdiger Mann, der zwischen den Besten und Angesehensten genannt zu werden verdient, genoß die Gunst einer schönen Dame soweit, daß er sich ihren Diener nennen durfte und nach einiger Zeit alles erlangte, was man anständigerweise erlangen kann. Obendrein rang er ihr ab, daß sie ihm ihre Huld nicht verweigern konnte, die gar mancher vordem und nachdem vergeblich erstrebte.

Das bemerkte und nahm sich ein sehr edler, hochgestellter Herr zur Lehre, ein gar scharfsinniger Mann, dessen Namen und Titel ich nicht erwähnen will; denn wäre ich in der Lage, die euch zu nennen, dann wüßtet ihr alle gleich, um wen es sich dreht; und das will ich nicht.

Also besagter Edelmann merkte die Liebesgeschichte des obenerwähnten Rittersmannes, und als er sah, worauf die Sache hinauslief, da fragte er ihn, ob er nicht in diese und diese Dame verliebt sei (und er nannte eben jene Schöne). Der antwortete ihm: nein, das sei nicht der Fall. Aber der andere wußte es besser und versetzte deshalb, er wisse ganz genau, daß es so sei. Aber wie eindringlich er ihm auch sagen oder darlegen mochte, daß er ihm eine derartige Geschichte doch nicht verbergen dürft, denn wenn ihm selbst etwas ähnliches und gar größeres Glück widerfahren wäre, würde er es ihm nie verschweigen, – der andere wollte ihm doch nicht eingestehen, was jener ganz genau wußte. So bedachte er denn, ob er nicht, – statt irgend etwas anderes zu tun, und um sich die Zeit zu vertreiben, – einen Weg oder eine Möglichkeit finden könnte, sich an die Dame heranzumachen und in ihre Gunst an Stelle dessen einzuschleichen, der so ablehnend war und so wenig Vertrauen zu ihm hatte.

Das glückte ihm denn auch ganz nach Wunsch, denn in kurzer Zeit war er bei ihr gar glänzend aufgenommen, – ja ebensogut wie der, der vor ihm den Vorrang gehabt hatte. Er konnte sich fortan rühmen, ebensoviel erlangt zu haben wie jener, und das ohne großes Mühen oder Nachlaufen, während jener sich gar arg abgequält hatte und sich Arme und Beine dafür ausreißen mußte. Und ein Gutes war vor allem dabei: er war nicht die Spur in sie verliebt.

Der andere, der keine Ahnung hatte, daß er einen Gefährten besaß, war dafür über Kopf und Kragen in sie verliebt, zum mindesten soviel, um damit ein liebeheißes Herz zu füllen. Aber man darf ja nicht etwa glauben, daß er von dem guten männertollen Weiblein schlechter oder just ebensogut gehalten wurde wie früher, denn sie zog ihn immer tiefer hinein und machte ihn immer närrischer. Tatsächlich lag die Sache so, daß diese wackere Frau keineswegs untätig war, nun sie zwei in der Hand hatte, deren Verlust sie gar betrübt hätte. Zumal an dem letzten lag ihr viel, denn er war aus besserem Teige gebacken und edlerem Holz geschnitzt als der erste.

Sie bestimmte jeden Tag die Stunde und Zeit, wann der eine oder der andere zu ihr kommen sollte: heute der, morgen der und so weiter. Auf diese Weise erfuhr der Letztgekommene genau die Zeit des anderen, tat aber so, als ob er nichts davon ahnte, und in Wirklichkeit kümmerte es ihn auch kaum, er scherte sich nicht eine Spur um die Narrheit des ersten, der sich gar zu wichtig um ein so wertloses Ding machte. Vielmehr bedachte er, daß er ihn schließlich doch darauf aufmerksam machen wollte, und das tat er denn auch. Er wußte ja zu gut, daß jene Tage, an denen ihm das Frauenzimmer verbot, zu ihr zu kommen (worüber er mit viel Geschick den Unzufriedenen spielte), für seinen zuerst gekommenen Gefährten bestimmt waren. Also paßte er mehrere Nächte auf und sah ihn durch dieselbe Tür und zur selben Stunde bei ihr hineinschlüpfen, wie er das sonst an seinen Tagen tat. So sagte er denn eines Tages unter anderem zu ihm:

»Ihr habt mir die Liebe zwischen Euch und jener Frau stets mit übertriebener Sorgfalt verhehlt; jeden Eid wolltet Ihr mir darauf schwören, daß so etwas nicht der Fall sei, und ich bin wirklich recht erstaunt, daß Ihr so wenig Vertrauen zu mir habt, denn ich weiß viel mehr und ganz genau, wie es zwischen ihr und such steht. Und damit Ihr wohl unterrichtet seid, daß ich weiß, was los ist, so erfahret denn, daß ich Euch mehrmals um so und so viel Uhr bei ihr hineingehen sah, und gestern erst stand ich ganz dicht dabei und sah Euch hineingehen. Ihr müßt doch zugeben, daß ich die Wahrheit sage.«

Als sich der Erstangekommene so genauen Angaben gegenüber sah, wußte er nicht, was er sagen sollte. Er fühlte sich genötigt, einzugestehn, was er gern verhehlt hätte und nur ihm allein bekannt glaubte. Also erklärte er seinem Gefährten, daß er ihm fürder nicht mehr verbergen könne und wolle, wie verliebt er in sie sei, und daß er ihn nur um des Himmels willen bäte, die Sache nicht breitzutreten.

»Und was werdet Ihr sagen,« fragte der andere, »wenn Ihr hört, daß Ihr auch noch einen Gefährten habt?«

»Gefährten?« fragte der andere, »was für einen Gefährten?«

»Einen Liebesgefährten.«

»Das kann ich nicht glauben,« meinte der.

»Beim heiligen Johann,« versicherte ihn der Letztgekommene, »ich weiß es genau und will Euch nicht erst lange zappeln lassen: ich bin es. Und da ich Euch verliebter sah, als das Ding wert ist, wollte ich Euch auf diesem Wege darauf aufmerksam machen. Aber Ihr wolltet mich ja nicht hören, und tätet Ihr mir nicht mehr leid als Euch selbst, dann ließe ich Euch in Eurer Narrheit. Aber ich kann es nicht ertragen, daß solch ein Weibstück Euch und mich so lange an der Nase herumzieht.«

Das war für den Erstankömmling eine arge Überraschung, denn er glaubte wunders wie in Gunst zu stehen. Er wußte nicht, was sagen oder denken. Als er endlich Worte fand, stöhnte er:

»Heilige Jungfrau, da hat man mir arg mitgespielt und ich hatte keine Ahnung davon. Das war leicht, einen hineinzulegen. Hol' der Teufel das Weibsstück, wenn es so eine ist!«

»Ich sage Euch, sie glaubt uns zu betrügen,« versetzte der andere, »und wirklich hat sie es recht gut angefangen. Aber jetzt müssen wir sie selbst hineinlegen.« »Bitte, tut das,« sagte der erste. »Die Pest mag ihr in die Knochen fahren, wenn ich mich noch weiter mit ihr einlasse!«

»Ihr wißt ja,« sagte der Neuankömmling, »daß wir immer abwechselnd zu ihr gehen. Nun muß also einer von uns das nächstemal, wo er bei ihr ist, zum Beispiel Ihr, zu ihr sagen, daß Ihr ganz bestimmt bemerkt und festgestellt habt, daß ich mit ihr einen Liebeshandel habe, und daß Ihr mich zu der und der Zeit und in dem und dem Gewand zu ihr kommen und bei ihr eintreten sähet. Und schwört ihr dann bei Tod und Teufel, Ihr würdet mich kurzerhand umbringen, wenn Ihr mich noch einmal zu ihr kommen seht, was Euch auch daraus erwachsen möge. Ebenso werde ich über Euch sprechen, und dann wollen wir einmal sehen, was sie tun und sagen wird, und uns dann weiter darüber beraten.«

»So ist's recht, das will ich,« meinte der andere. Gesagt, getan. Einige Tage später war der Letztgekommene an der Reihe, machte sich auf den Weg und kam zum bezeichneten Ort. Als er mit dem verliebten Frauenzimmer allein war, die ihn, soweit es schien, gar zärtlich und heißen Herzens empfing, tat er, – was er sehr gut verstand, – als ob er sehr kühl zu ihr sei und gebärdete sich recht zornig. Sie war gewöhnt, ihn immer ganz anders zu sehen, und wußte nicht, was davon denken sollte. Sie fragte ihn also, was er habe; denn sein Gebahren zeige, daß ihm nicht recht ums Herze sei.

»Ganz recht,« versetzte er, »und ich habe auch Grund genug, unzufrieden und unfreundlich zu sein. Das habe ich Euch zu danken, denn ihr habt mich in solchen Zustand versetzt.«

»Ich?!« rief sie. »Nicht daß ich wüßte. Denn Ihr seid der einzige Mensch auf dieser Welt, den ich glücklich machen möchte und dessen Kummer und Unzufriedenheit mir zu Herzen geht!«

»Verdammt, wer daran glaubt!« sagte er. »Glaubt mir, ich habe recht gut gemerkt, wie Ihr es mit dem und dem haltet (er nannte den Erstgekommenen). Ja, ja, mein Wort, ich sah zu gut, wie er abseits mit Euch redete und außerdem habe ich ihn belauscht und bei Euch eintreten sehen. Aber Tod und Teufel! Finde ich ihn jemals hier, dann ist sein letztes Stündlein gekommen, was auch geschehen mag. Ehe ich geduldig mit ansehe, wie er mir solchen Ärger macht, möchte ich lieber tausendmal sterben. Auch seid Ihr recht ungetreu, denn Ihr wißt nur zu gut, da ich nach Gott niemanden so liebe wie Euch, die Ihr ihm weiter zu meinem Schaden Eure Gunst gewährt.«

»Ach, edler Herr,« jammerte sie, »wer hat Euch das hinterbracht? Auf Ehre, Gott und Ihr sollt wissen, daß dies Ding ganz anders liegt, und ich rufe ihn selbst als Zeugen dafür an, daß ich nicht an einem einzigen Tage meines Lebens dem, den Ihr mir da nennt, oder irgendeinem anderen ein Stelldichein gegeben habe, so daß Ihr auch nur den geringsten Grund hättet, damit unzufrieden zu sein. Ich will gar nicht leugnen, daß ich mit ihm gesprochen habe und täglich spreche. Das tue ich auch mit anderen, aber von Liebeshandel ist da keine Rede. Ich schwöre sogar, daß er an so etwas gar nicht denkt, und, bei Gott, er würde sich auch gewaltig irren. Gott soll mich nicht mehr am leben lassen, wenn ich auch nur ein Bruchteil von dem, was ganz Euer eigen ist, an andere abgäbe.«

»Verehrteste,« erwiderte er, »Ihr wißt recht schöne Worte, zu machen, aber ich bin nicht so dumm, das zu glauben.« So unzufrieden er auch war, so tat er doch, wozu er gekommen war, und beim Fortgehen sagte er:

»Ich habe es Euch also gesagt und Ihr sollt es von jetzt ab wissen: merke ich noch jemals, daß der andere hierherkommt, dann lasse ich ihn umbringen oder versetze ihn selbst in einen Zustand, daß er weder mich noch einen andern mehr ärgern kann.«

»Ach, Herr,« sagte sie, »Ihr habt bei Gott Unrecht, Eure Gedanken auf ihn zu richten. Glaubt mir, ich kann sicher sein, daß er an so etwas gar nicht denkt.« Damit ging jener fort.

Am folgenden Tage versäumte der andere nicht des edlen Herrn Morgenbesuchsstunde, um Nachrichten einzuholen. Und der erzählte ihm lang und breit, wie es gegangen war, wie er den Zornigen gespielt, Todesdrohungen ausgestoßen hatte, und was des Frauenzimmers Antwort darauf gewesen war.

»Mein Wort, das war gut gemacht. Nun laßt auch mich an die Reihe kommen, mich soll's wundern, wenn ich meine Rolle nicht ebensogut spiele.« Allgemach kam auch er an die Reihe und fand sich bei dem Weibe ein, das ihn nicht minder zärtlich empfing, als sie ihn sonst zu empfangen pflegte, just wie es auch dem letztgekommenen eben ergangen war. Hatte dieser sich in Worten und Taten bereits arg auf die Hinterfüße gestellt, so tat es jener noch mehr, und gleich ihm heuchelte er eine Wut, die selbst den größten Freudenüberschwang übertraf. Er fuhr sie nämlich an:

»Wie muß ich den Tag und die Stunde verfluchen, da ich Eure Gunst erlangte. Denn Gott und die ganze Welt kann nicht so viel Schmerz, Bedauern und bittere Reue im Herzen eines armen Liebhabers aufhäufen, wie mich heute umdrängen und bestürmen. Ach, unter vielen habe ich Euch als eine unvergleichlich hochherzige und liebevolle Frau erkoren, hielt Euch für die Krone aller Tugend und hohen Sinnes und gab such deshalb mein Herz hin, gab mich ganz in Eure Hand. Ach, ich vermeinte wirklich, an einen edleren Menschen nicht geraten zu können. Ihr hattet mich gar soweit gebracht, daß ich bereit und entschlossen war, den Tod zu erwarten, ja, schlimmeres noch, wenn es möglich gewesen wäre, um Eure Ehre zu retten. Und nun muß ich, der ich fest und unerschütterlich auf Euch baute, – nicht durch fremde Warnung, nein – mit eigenen Augen erschauen, daß ein anderer auftaucht, der mich zur Seite schiebt. Nun ist all meine einstige Hoffnung in mir ertötet, in Euren Diensten von Euch über alles hoch und in Ehren gehalten zu werden.«

»Lieber Freund,« antwortete das verbuhlte Frauenzimmer, »ich weiß nicht»wer an Eurer Seelenverwirrung schuld ist, aber aus Eurem Gebahren und Euren Worten kann man annehmen und schließen, daß such etwas über die Leber gelaufen ist. Worum es sich handelt, kann ich mir aber nicht recht denken, wenn Ihr nicht deutlicher sein wollt, wahrscheinlich ist es reine Eifersucht, die Euch quält. Die aber brauchte Euch nicht zuzusetzen, wenn Ihr bei Vernunft wäret. Soweit es mich angeht, sollt Ihr jedenfalls keine Gelegenheit dazu haben. Und wenn Ihr alles recht bedenkt, so steht Ihr doch mit mir gut genug, daß ich such deutlich genug bewiesen habe, wie fest Ihr auf mich vertrauen könnt. Und nun tut Ihr mir den Kummer an, so etwas zu mir zu sagen.«

»Ich bin nicht der Mann,« versetzte der gekränkte Liebhaber, »den Ihr mit Worten abspeisen könnt, denn solche Entschuldigung hat keinen Wert. Ihr könnt doch nicht bestreiten, daß der und der (er nannte den Letztankömmling) zu Euch gar zärtliche Beziehungen hat?! Ich weiß das ganz genau, denn ich habe aufgepaßt und ihm aufgelauert, und so sah ich ihn erst gestern zu Euch kommen. Ich stand wenige Schritte von ihm, es war so und so viel Uhr und er harte das und das an. Aber ich gelobe bei Gott, er kann sein Testament machen, denn ich habe es auf ihn abgesehen. Und stände er auch hundertmal höher als ich, – begegne ich ihm, dann nehme ich ihm das Leben! Er oder ich, einer von uns beiden muß daran glauben. Denn in der Gewißheit, daß sich ein anderer an Euch ergetzt, könnte ich nicht länger leben. Falsch seid Ihr und treulos, daß Ihr mich so betrogen habt. Nicht ohne Grund verfluche ich die Stunde, da Ihr mit mir zusammenkamt, denn ich weiß genau, es ist mein Tod, wenn der andere von meiner Absicht hört. Und durch Euch weiß ich's, daß ich ein toter Mann bin. Läßt er mich aber leben, dann schärft er selbst das Messer, das ihm den Lebensfaden unbarmherzig abschneiden wird. So wird es kommen, denn die Welt ist nicht groß genug, um mich zu retten, wenn mir der Tod droht.«

Das Frauenzimmer mußte sich nicht schlecht Mühe geben, um nachzudenken, wie es schnell eine genügende Ausrede finden sollte, die den empörten Edelmann zufriedenstellen konnte. Immerhin machte sie sich alsbald daran, ihn aus seinem Trübsinn zu reißen, und um ihn desto zufriedener zu stellen, sagte sie:

»Lieber Freund, ich habe des langen Eure vielen Vorwürfe mitangehört, aus denen ich entnehme, daß ich wohl wirklich nicht so vernünftig gewesen bin, wie ich hätte sein sollen, daß ich wohl doch zu eilig Euren trügenden Worten Glauben geschenkt habe, und daß ich mich allzu fügsam bereit fand, Euch anzuhören. Ihr denkt doch gar zu schlimm von mir. Da steckt sicher etwas ganz anderes hinter Eurem Grimm, denn Ihr wißt ja nur zu gut: ich bin von Liebe zu Euch entbrannt und kam dadurch soweit, daß ich ohne Euch fürder nicht mehr leben könnte. Dies und noch andere Gründe haben es dahin gebracht, daß Ihr mich ergeben wie eine Sklavin halten wollt, die nicht einmal das Recht hat, mit jemand anderem als Euch zu reden. Macht Euch das Spaß, so soll es mir recht sein, aber Ihr habt keinen Grund, mich wegen irgendeines lebenden Wesens zu beargwöhnen, und ich habe mich auch für nichts zu entschuldigen. Die Wahrheit selbst ist meine beste Verteidigung.«

»Bei Gott, Liebste,« erwiderte der Erstankömmling, »die Wahrheit lautet so, wie ich es Euch sagte. Das wird Euch eines Tages bewiesen werden, und dem andern und mir teuer zu stehen kommen, wenn Ihr keine Änderung eintreten laßt.«

Nach diesen Worten und anderen Reden, die zu berichten zu lang wäre, ging der Edelmann fort, versäumte aber nicht, am nächsten Tage seinem Gefährten des langen und breiten die ganze Geschichte zu erzählen. Die beiden spaßten und wollten sich weiß Gott halbtot darüber lachen.

Das Frauenzimmer aber sah sich mit dieser verkniffelten Sache arg in der Klemme, denn sie merkte und begriff gar wohl, daß ihre beiden Liebsten sich gegenseitig beargwöhnten und beobachteten. Trotzdem unterließ sie nicht, ihnen immer wieder Stelldicheins zu geben, weil jene darum baten, und so kam stets von neuem bald der eine, bald der andere an die Reihe, ohne daß sie einen verabschiedete. Jedem schärfte sie ein, ja recht geheim zu ihr zu schleichen, damit es keiner gewahren könne. Aber ihr könnt euch ja denken, daß der erste, als er an der Reihe war, wieder seine alte Klage vorbrachte und drohte, daß es um das Leben seines Gefährten geschehen sei, wenn er ihn träfe, und ebenso bemühte sich der andere am Tage seines Stelldicheins, zu zeigen, daß ihm womöglich noch schlimmer ums Herz war. Wenn man ihn hörte, dann war sein Gefährte schon so gut wie tot, falls er ihn auf der Tat erwischte.

Die listige, doppelzüngige Frau glaubte ihn durch Worte zu täuschen, denn die hatte sie immer flugs zur Hand, so daß ihr Schwatz so wahr erschien wie das Evangelium. Und sie bildete sich denn auch tatsächlich ein, daß es niemals trotz alles Argwohns und Mißtrauens zu einem wirklichen Krach kommen würde, und daß sie wohl die Frau wäre, um alle beide besser an der Strippe zu behalten, als einer der beiden für sich allein vermocht hätte, ihr weites Herz auszufüllen. Aber die Sache ging anders.

Denn der Letztankömmling, den zu verlieren sie große Angst hatte (obgleich ihr auch der andere sehr wert war), sagte ihr eines Tages gehörig seine Meinung und erklärte ihr kurz und gut, daß er nie mehr zu ihr kommen würde. Dabei blieb es denn auch, was ihr gar betrüblich und bedauerlich schien. Obendrein aber schickte er, um ihr noch ärger das Feuer zu schüren, einen Edelmann aus seinem Gefolge zu ihr, der ihr seine Unzufriedenheit gehörig vorhalten sollte, weil er in ihrem Dienste einen Gefährten gehabt habe. Und er ließ ihr kurz und gut sagen: wenn sie jenem nicht den Abschied gäbe, würde er sein Lebtag nicht wiederkommen.

Wie schon oben gesagt, hätte sie seine Liebe nur ungern eingebüßt. Sie beschwor alle Heiligen, entschuldigte sich wegen ihrer Beziehungen zu dem anderen, und schließlich sah sich gezwungen, dem Junker zu sagen:

»Seht, ich will Eurem Herrn zeigen, daß ich ihn liebe. Gebt mir Euer Messer.«

Sobald sie es hatte, löste sie ihr Haar und schnitt es mit dem Messer ab. Der andere, der die Geschichte ganz genau kannte, nahm das Geschenk entgegen und bot ihr an, die Sache, so gut er könne, einzurenken und das Geschenk ins rechte Licht zu stellen, – was er denn auch tat.

Der Letztgekommene empfing das Päckchen, öffnete es und fand darinnen die schönen, selten langen Haare der Dame. Ihm war erst wieder wohl, als er seinen Gefährten gefunden hatte, dem er diese Botschaft, die ihm übermittelt worden war, so wenig verhehlte wie das große Geschenk, das er bekommen hatte und das doch wirklich keine Kleinigkeit darstellte. Er zeigte ihm also die schönen Haare und sagte:

»Ich glaube, ich stehe in großer Gunst. Euch wird solch Glück wohl nicht zuteil werden.«

»Beim Johann,« sagte der andere, »seht einmal, was für Neuigkeiten! Nun ist ja kein Zweifel mehr, ich sitze auf dem Trockenen. Jetzt dreht sich alles nur noch um Euch!«

»Mein Wort,« erwiderte der andere, »ich wette, daß die Sache noch nicht so weit ist. Ich bitte Euch, laßt uns nachdenken, was da zu machen ist. Man muß ihr doch ganz deutlich zeigen, daß wir wissen, was mit ihr los ist.«

»Das will ich wohl,« versetzte der andere.

So dachten sie hin und her und kamen schließlich auf folgendes: Am nächsten Tage oder bald danach befanden sich die beiden in einem Zimmer, wo auch die hochherzige Dame mit mehreren anderen war. Jeder saß und nahm Platz, wo es ihm gefiel; so der Erstgekommene bei der wackeren Schönen. Nach längerem Plaudern zeigte er ihr die Haare, die sie seinem Gefährten geschickt hatte.

Was sie auch denken mochte, – jedenfalls zeigte sie sich nicht erschrocken. Im Gegenteil, sie sagte, daß sie den Schopf nicht kenne und daß er nicht von ihr käme.

»Wie,« fragte er, »haben die Haare sich so schnell verändert, daß sie unkenntlich geworden sind?«

»Ich weiß nicht,« versetzte sie, »was das für Haare sind, ich jedenfalls kenne sie nicht.«

Als er das hörte, bedachte er, daß es nun Zeit sei, sein Spielchen zu spielen. Er tat so, als wolle er seinen Hut aufsetzen, der ihm über der Schulter hing, und dabei stieß er so hart an ihren Kopfputz, daß er zu Boden fiel. Ach, wie arg beschämt und bekümmert machte sie das! Denn nun merkten alle Anwesenden gar wohl, daß ihre Haare ganz kurz geschnitten waren. Schnell sprang sie auf, raffte ihren Kopfputz vom Boden und eilte in ein anderes Zimmer, um ihn wieder aufzusetzen. Aber der Edelmann folgte ihr. Er fand sie tiefbetrübt und erzürnt, ja, sie weinte gar vor Gram, daß er ihr den Putz vom Kopf gerissen hatte. Alsbald fragte er sie, weshalb sie denn weine und bei welchem Spiel sie ihre Haare verloren habe. Sie wußte nicht, was antworten, so arg war sie überrascht. Er aber war soweit, um den mit seinem Gefährten vereinbarten Schluß zu ziehen, und sagte demgemäß zu ihr:

»Ihr falsches, treuloses Ding! Ihr waret fast daran schuld, daß jener andere und ich einander umbrachten und entehrt wurden. Und ich bin überzeugt, daß Ihr es gern getan hättet (denn Ihr habt es ja bewiesen), um zwei neue Freunde zu fangen. Aber Gott sei dank, wir haben gut aufgepaßt. Und damit Ihr nun wißt: ich kenne seine Geschichte, wie er die meine, denn hier die Haare, die Ihr ihm geschickt habt, hat er mir zum Geschenk gemacht. Glaubt nur nicht, daß wir so dumm sind, wie Ihr es Euch bis jetzt eingebildet habt.«

Dann verließ er sie, rief seinen Gefährten, und als der herbeikam, sagte er zu ihm:

»Ich habe der wackeren Frau hier ihre Haare wiedergegeben und eben begonnen, ihr vorzuhalten, wie schön sie uns beide mit ihrer Gunst beglückt und wie sie durch ihr Verhalten gezeigt hat, daß es ihr gar nicht darauf ankam, uns gegenseitig zu entehren. Gott allein hat uns davor bewahrt.«

»Beim heiligen Johann, jetzt bin ich an der Reihe,« versetzte jener. Und nun fuhr er stracks über das Frauenzimmer her, und weiß Gott, er hat ihr ganz gehörig ins Gewissen geredet und ihr ihre Gemeinheit und die Niedrigkeit ihres Herzens vorgehalten. Sicherlich wurde niemals eine Frau derartig heruntergeputzt, wie sie, erst von dem einen, dann von dem andern.

Sie wußte nicht, was darauf sagen und antworten, da sie zu offensichtlich überführt war. Sie fand nur Tränen, und damit sparte sie nicht. Und das könnt ihr euch denken: sie hatte keinen Spaß mehr daran, sich mit den beiden einzulassen, mit denen sie diese kummervolle Stunde durchmachte. Der Schluß freilich war, daß die beiden sie nicht sitzen ließen, sondern fortan nach gegenseitigem Einvernehmen einer um den anderen zu ihr gingen. Und kommen einmal beide zugleich, dann macht einer dem andern Platz, und beide sind gute Freunde wie früher, ohne mehr von töten und sich schlagen zu sprechen. So wurde es eingerichtet, und die beiden Gefährten führten eine ganz lange Weile dies Leben und diesen unterhaltsamen Zeitvertreib, ohne daß das Frauenzimmer ihnen irgend zu widersprechen wagte. Wurde aber zufällig der eine ferngehalten und blieb der Platz dem anderen, dann mühte sich der, all die guten Ratschläge zu befolgen, die jener ihm bei seinem Fortgehn gab. Sie machten auch recht schöne Sprüchlein und Gesänge, schickten sie einander zu, und noch heute wird davon geredet und auch auf besagte Geschichte angespielt, von der ich jetzt aber nichts weiter erzählen will, um endlich Schluß zu machen.


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