Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Die drei Ratschläge.

Einst lag ein sehr hochgestellter, kluger, tugendsamer und weiser Edelmann auf dem Sterbebette. Und als er alle Anordnungen getroffen und sein Gewissen nach Möglichkeit entlastet hatte, rief er seinen einzigen Sohn zu sich, dem er eine Menge irdischer Güter hinterließ. Er empfahl ihm seine Seele an, auch die seine Mutter, die vor nicht zu langer Zeit gestorben war, und überhaupt im allgemeinen sämtliche Insassen des Fegefeuers, und dann legte er ihm drei Dinge ans Herz als den letzten Rat, den er ihm jemals erteilen konnte. Er sagte nämlich zu ihm:

»Teurer Sohn, zum ersten rate ich Euch, besucht ein Haus niemals länger, als bis euch der Wirt Schwarzbrot anbietet. Zum zweiten ermahne ich Euch, hütet Euch wohl, Euern Gaul jemals bergab galoppieren zu lassen. Und zum dritten nehmt niemals eine Frau aus fremdem Lande. Erinnert such stets dieser drei Dinge, dann brauche ich nichts zu besorgen und es wird Euch immer gut ergehen. Handelt Ihr aber anders, dann könnt Ihr überzeugt sein, Ihr werdet die Erfahrung machen, daß die Lehre Eures Vaters zu beachten ratsam für Euch gewesen wäre.«

Der gute Sohn dankte seinem Vater für den guten Wink und versprach ihm, sich die drei Weisungen fest ins Gedächtnis einzuprägen und sie so wohl im Sinne zu behalten, daß er sich niemals dagegen verstoßen würde. Bald danach starb sein Vater und die Leichenfeier wurde begangen, wie es sich für einen Mann seines Ranges und seiner Stellung geziemte. Denn sein Sohn wollte seine Pflicht erfüllen wie einer, der sich nicht lumpen zu lassen brauchte.

Einige Zeit danach erging es ihm wie es einem nun einmal so ergeht: Man hat mehr Verkehr bei einem wie beim anderen, und so verkehrte unser wackrer Edelmann, der doppelt Waise und noch nicht verheiratet war, auch noch nicht wußte, was ein Haushalt ist, bei einem seiner Nachbarn und aß und trank fast alle Tage bei ihm im Hause. Sein Nachbar war verheiratet und hatte eine sehr schöne Frau. Allmählich kam er in die holde Leidenschaft der Eifersucht hinein und seine argwöhnischen Augen weckten in ihm die Vorstellung, daß unser Edelmann nur um seiner Frau willen ins Haus käme, daß er wirklich in sie verliebt sei und daß er sie auf die Dauer im Sturm erobern könnte.

Das behagte ihm gar nicht, und er wußte nicht, wie er ihn auf anständige Weise loswerden konnte. Denn so, wie er sich die Frage dachte, konnte er sie ihm doch nicht sagen, er faßte also den Entschluß, ihm in kleinen Bröckchen die Sache derart beizubringen, daß er, wenn er nicht zu dumm war, verstehen mußte, wie wenig ihm dieser ewige Besuch gefiel. Und um seinen Plan auszuführen, ließ er ihm zunächst statt Weißbrot Schwarzbrot vorlegen. Ich weiß nicht, nach wieviel Mahlzeiten unser Edelmann das bemerkte. Aber er erinnerte sich plötzlich des Ratschlages von seinem Vater, sah ein, daß er auf falschem Wege war, begriff seine Schuld, steckte sich ganz heimlich solch ein Schwarzbrot in seinen Ärmel und trug es in sein Haus heim. Zur Erinnerung hing er es an einem Strick inmitten seines großen Saales auf und kehrte fortan nicht mehr in das Haus seines Nachbarn zurück, wo er vordem so viel gewesen war.

Er war jetzt auf Unterhaltungen ganz versessen. Eines Tages nun befand er sich auf dem Felde; die Hunde hatten einen Hasen aufgejagt und er spornte sein Pferd, so scharf er konnte, um ihm nachzusetzen. So erreichte er mit Hasen und Hunden einen Bergabhang, wo sein Gaul, der aus Leibeskräften vorwärts stob, mit allen Vieren stürzte, niederfiel und sich den Hals brach. Das jagte ihm einen gewaltigen Schrecken ein, aber er war auch recht froh, als er sah, daß er mit dem Leben und ohne Verletzung davongekommen war. Außerdem hatte er zum Lohn den Hasen. Als er den so in der Hand hielt und sein sehr geliebtes Pferd betrachtete, erinnerte er sich des zweiten Ratschlages, den ihm sein Vater gegeben hatte. Hätte er den gut im Gedächtnis behalten, dann würde ihm dieser Verlust erspart geblieben sein, und er wäre auch nicht diese große Gefahr gelaufen. Als er nach Hause kam, hing er deshalb in seinem Saal neben dem Schwarzbrot an einem Strick auch die Haut des Pferdes auf, zur Erinnerung und zum Gedächtnis an den zweiten Wink, den ihm sein Vater einst gegeben hatte.

Einige Zeit später überkam ihn der Wunsch, auf Reisen zu gehen und fremde Länder zu besichtigen. Er traf also demgemäß seine Anordnungen, rechnete alles ab und durchstreifte gar manches Land, kam in verschiedene Gegenden, und schließlich machte er halt und nahm in dem Hause eines mächtigen Edelmannes Aufenthalt, der in einem fernen, fremden Lande heimisch war. Er führte sich so hochgemut und gut in diesem Hause, daß der hohe Herr gern bereit war, ihm seine Tochter zur Frau zu geben, trotzdem er von ihm nichts weiter kannte als sein löbliches Wesen und Gebahren. Kurz und gut, er verlobte sich der Tochter des edlen Herrn an, und so kam der Tag der Hochzeit. Als er sich nun für die Nacht zu ihr begeben wollte, wurde ihm bedeutet: Es sei des Landes Brauch, daß ein Mann nicht die erste Nacht bei seiner Frau verbrächte, und er solle sich bis zum nächsten Tage gedulden.

»Ist das so Brauch,« meinte er, »dann wünsche ich durchaus nicht, daß die Sitte um meinetwillen gebrochen werden soll.«

So wurde denn sein Eheweib nach dem Tanz in ein Zimmer zur Ruhe geführt, er in ein anderes, und glücklicherweise war zwischen den beiden Zimmern nur eine Wand aus gemauerter Erde. Um sie genauer zu betrachten, kam er auf den Gedanken, mit seinem Degen in diese Wand ein Loch zu bohren. So sah er gar wohl und bequem, wie sein Eheweib sich in ihr Bett verfügte; er sah aber auch, und das dauerte nicht lange, wie der Kaplan des Schlosses zu ihr schlüpfte, um ihr Gesellschaft zu leisten, auf daß ihr nicht bange wurde, vielleicht auch, damit sie wohlvorbereitet wäre oder damit er für dir Zukunft den Zehnt erhebe, wie es die Pfaffen taten, von denen weiter vorn die Rede war.

Ihr könnt euch denken, daß unser guter Edelmann innerlich arg ins Gedränge kam, als er dieser Vorgänge inne wurde. Und alsbald kam ihm der dritte Rat seines guten Vaters in Erinnerung, den er so schlecht vor Augen behalten hatte. Immerhin tröstete er sich und sagte sich, daß die Sache ja noch nicht so weit gediehen sei, also daß er noch mit heiler Haut entschlüpfen könne.

Am nächsten Morgen erhob sich sein Vorgänger und Platzhalter für diese Nacht, der wackere Kaplan, in aller Frühe, und zufällig vergaß er unterm Kopfkissen der Jungvermählten seine Unterhosen. Unser Edelmann tat, als wüßte er von nichts, ging zu ihr ins Bett, begrüßte sie voll Anstand, wie er das so wohl zu tun wußte, und verstand es, die Beinkleider des Priesters an sich zu nehmen, ohne daß eine Menschenseele dessen inne ward.

Den ganzen Tag über ging es gar hoch her, und als es dann Abend war, wurde das Bett der jungen Frau gar erstaunlich reich und prächtig geschmückt und hergerichtet, und alsdann wurde sie zu dem Ehelager geführt. Sodann wurde dem Bräutigam eröffnet, er könne nun bei seinem Weibe ruhen, wenn es ihm gefällig sei. Er aber hatte seine Antwort schon bereit und erklärte dem Vater, der Mutter und allen Verwandten, die es hören wollten, gar bescheidentlich:

»Ihr wißt nicht, wer ich bin und wem ihr eure Tochter gegeben habt. Somit erweiset ihr mir die größte Ehre, die je einem fremden Edelmanne zuteil werden konnte, und nie werde ich euch genugsam dafür danken können. Trotzdem habe ich für mich selbst den Beschluß gefaßt und mir vorgenommen, bei ihr erst zu ruhen, wenn ich ihr und euch gezeigt habe, wer ich bin, was ich habe und wie ich wohne.«

Alsbald nahm der Vater das Wort und entgegnete: »Wir wissen gar wohl, daß Ihr edlen Stammes und ein vornehmer Mann seid, und Gott hat Euch gewißlich nicht so viele schöne Vorzüge verliehen, ohne sie durch Freundschaften und Schätze zu ergänzen. Wir sind also mit Euch zufrieden, und darum zögert nicht, Eure Ehe zu vollziehen. Später ist es immer noch Zeit, uns, wenn es such gefällt, Genaueres über Euch wissen zu lassen.«

Um kurz zu sein: jener verschwor und versteifte sich darauf, nicht eher bei ihr zu ruhen, bis sie in seinem Hause sei, und lud den Vater, die Mutter und mehrere Verwandte seiner Frau in seine Heimat ein. Er ließ sein Schloß für den Empfang instand setzen und traf dort einen Tag vor ihnen ein. Sobald er abgestiegen war, nahm er die Hosen des Priesters, die er mitgebracht hatte, und hing sie bei sich im Saale neben dem Brot und der Haut des Pferdes auf. Die Verwandten und Freunde der jungen Frau wurden ganz großartig empfangen und gefeiert. Sie staunten gewaltig beim Anblick des prächtigen Hauses voller Geschirr, reichgestickten Vorhängen und all dem vielen Hausrate, die dieser junge Edelmann besaß. Und alle priesen innerlich ihr Glück, die schöne Tochter so gut unter die Haube gebracht zu haben.

Indem sie durch die Räume gingen und alles betrachteten, gelangten sie auch in den mit schönen Teppichen geschmückten Saal. Da gewahrten sie in der Mitte das Schwarzbrot, die Pferdehaut und ein paar Hosen, die sie staunend dort hängen sahen. Natürlich fragten sie den Hochzeiter, ihren Wirt, was das bedeuten solle. Er aber erwiderte, er würde ihnen das gern, aber aus gewissen Gründen erst später sagen, wenn sie bereits gegessen hätten.

Schon war das Mahl bereit, und sie wurden, weiß Gott, gar prächtig und gut bedient. Kaum aber hatten sie ihr Mahl beendet, da fragten sie von neuem nach dem geheimnisvollen Schwarzbrot, der Haut und so weiter und wollten deren Bedeutung kennen lernen. Nunmehr erzählte ihnen der wackere Edelmann des langen und breiten, wie sein Vater ihm auf dem Sterbebette drei Ratschläge gegeben habe und, kurz, alles wie es zuvor berichtet worden ist: daß der erste besagte, nur so lange ein Haus zu besuchen, bis ihm Schwarzbrot vorgelegt würde.

»Diesen Rat habe ich schlecht befolgt: denn nach seinem Tode ging ich bei einem Nachbarn aus und ein, bis er auf seine Frau eifersüchtig wurde. So bekam ich eines Tages statt des gewohnten Weißbrotes Schwarzbrot vorgesetzt. Zur Erinnerung und als Bestätigung für die Wahrheit dieser Lehre habe ich dies Schwarzbrot hier aufgehängt Der Zweite Rat meines Vaters besagte, niemals talabwärts zu galoppieren. Und doch kam ein Tag, wo ich nicht darauf acht gab und so ging es mir schlecht: denn ich jagte mit meinen Hunden einem Hasen den Berg hinunter nach, mein Pferd brach sich den Hals und ich wurde gehörig verletzt. Zur Erinnerung daran hängt nun die Haut des Pferdes dort, das ich bei diesem Unfall verlor. Als dritten Rat hieß mich mein Vater, niemals eine Frau aus fremdem Lande zu heiraten. Auch dagegen habe ich mich verstoßen, und ich will auch jetzt sagen, was für mich dabei herausgekommen ist. In jener ersten Nacht, in der ihr mir abschluget, bei eurer Tochter hier zu schlafen, wurde ich in einem Zimmer unmittelbar neben ihr untergebracht. So ist es die volle Wahrheit. Und weil die Wand zwischen ihr und mir nicht sehr stark war, durchbohrte ich sie mit dem Degen, und so sah ich euren Hauskaplan zu ihr schlüpfen. Als er sich am Morgen erhob, vergaß er zu Häupten ihres Bettes seine Hosen, ich eignete sie mir an, und sie waren es, die ihr dort hängen sahet. Sie bezeugen und bestätigen die kanonische Wahrheit auch des dritten Rates, den mir einst mein seliger Vater gab und den ich nicht befolgt habe. Damit ich aber nicht so arg damit hineinfalle, wie bei den anderen beiden Lehren, sollen mich diese drei Erinnerungsstücke mahnen, fortan klug und vorsichtig zu sein.

»Gott sei Dank, ich habe mich mit eurer Tochter nicht so sehr eingelassen, daß sie mich nicht verlassen könnte, und so bitte ich euch, nehmt sie mir hinweg und kehrt in eure Heimat zurück. Da ich euch aber von so weither kommen ließ und euch zeigen wollte, daß ich nicht ein Mann bin, der die Überbleibsel eines Pfaffen verdient, so will ich euch gern eure Auslagen bezahlen.«

Die anderen wußten nicht, was antworten. Sie sahen sich ins Unrecht gesetzt, sahen sich fern ihrer Heimat und hier an diesem Orte machtlos. So gaben sie sich denn damit zufrieden, daß ihnen ihre Kosten zurückerstattet wurden und sie von dannen gehen konnten, woher sie gekommen waren. Wer bei solcher Sache am meisten hineingesteckt hat, hat auch am meisten verloren.

Aus dieser Erzählung konntet ihr lernen, daß die drei Ratschläge, die der wackere Vater seinem Sohn« gab, gar wohl zu beherzigen sind. Schreibe sie sich jeder hinter seine Ohren, so deutlich und nachdrücklich, als er davon betroffen werden zu können vermeint.


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