Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Not macht erfinderisch.

Bei einer dieser Geschichten fällt mir ein, daß in den Marken der Picardie kürzlich ein Edelmann lebte, – ich glaube sogar, daß er noch zur Stunde sich dort befindet, – der gewaltig in die Frau eines Rittersmannes in der Nachbarschaft verliebt war. Darob konnte er keine ruhige Minute, kein glückliches Stündlein mehr finden, es sei denn, daß er sich bei ihr befand ober wenigstens von ihr Nachricht erhielt. Und was nicht wenig besagen will: er war auch ihr nicht minder wert und teuer. Der Jammer bestand bloß darin, daß sie keinerlei Mittel und Wege erdenken konnten, unter vier Augen miteinander allein zusammen zu sein, um nach Behagen einander sagen und ausdrücken zu können, wie es ihnen ums Herz war. Denn das hätten sie um nichts in der Welt vor irgendeinem andern, wäre es auch der beste Freund gewesen, enthüllen mögen.

Nachdem sie nun so manche arge Nacht, manch schmerzlich kummervollen Tag sich durchgequält hatten, richtete es Amor, der seine treuen Diener gern einmal hilfreich unterstützt, wenn er bei Laune ist, so ein, daß sich ein Tag fand, wie sie ihn so von Herzen ersehnten: der qualvolle Ehemann nämlich, der eifersüchtiger war, als sonst ein Lebender überhaupt fertigbekommt, sah sich genötigt, seinen Haushalt im Stich zu lassen und sich wegen einer Angelegenheit hinwegzubegeben, die ihm also nahe ging, daß er einen gewaltigen Sack voll Geld eingebüßt haben würde, wenn er nicht selbst zur Stelle gewesen sein würde, dagegen er durch sein Eintreten dies Geld retten konnte, was er denn auch tat. Indem er aber diesen Gewinn einheimste, fiel ihm noch eine andere herrlichere Beute zu: er erntete den Titel eines Hahnrei zu dem eines Eifersüchtlings, der er schon vordem gewesen war.

Denn kaum war er aus seinem Hause hinaus, als der Edelmann, der für kein anderes Jagdtier mehr Sinn hatte, sich heranmachte und bei ihm eindrang, und ohne erst lange Umstände zu machen, unverzüglich tat, wofür er gekommen war: er erlangte von seiner Liebsten, was nur ein ergebenster Diener erbitten kann und zu fordern wagt, und das so gar erquicklich und in aller Vergnüglichkeit, wie man es sich nicht besser wünschen kann. Sie nahmen sich nicht einmal sonderlich in Acht, daß der Ehemann sie überraschen könnte. Sie ließen sich dadurch nicht ihr Glück verkümmern, hofften sogar, in der Nacht zu vollenden, was der Tag freudevoll, für sie schier zu knapp, begonnen hatte, und dachten wirklich und wahrhaftig, daß dieser Teufel von einem Ehemann nicht vor dem nächsten Tage zur Zeit des Mittagessens, geschweige denn früher, zurückkehren könnte.

Aber die Sache kam anders. Denn die Teufel brachten ihn ins Haus zurück; und ich weiß nicht und mir liegt auch nichts daran, zu wissen, wie er seine Sache so flugs erledigen konnte. Genug, er kam schon abends wieder heim, und darüber war das Pärchen, nämlich unsere zwei verliebten Leutchen, über die Maßen verblüfft. Ja, ihre Besorgnisse, daß diese schmerzvolle Rückkunft ihnen über den Hals kommen könnte, waren so gering gewesen, daß sie völlig überrascht wurden und der arme Edelmann keinen anderen Ausweg fand, als sich in den Abtrittsraum des Zimmers zu verkriechen, in der Hoffnung, irgendwie später hinauszuschlüpfen. Wie, das sollte seine Liebste herausfinden, bevor der Rittersmann etwa in jene Ecke hineinkäme. Aber auch das kam ganz anders, denn unser Rittersmann hatte den Tag über seine fünfzehn oder sechzehn gehörige Meilen stramm geritten und war so matt, daß er kaum seine Glieder regen konnte. Er wollte gleich in seinem Zimmer, wo er die Stiefel ausgezogen hatte, zu Abend essen, und ließ dort decken, ohne erst in den Saal zu gehen.

Ihr könnt euch denken, daß dem wackeren Edelmanne die schöne Zeit, die er an diesem Tage verbracht hatte, gehörig in den Gliedern steckte, denn er starb schier vor Hunger und obendrein auch vor Kälte und Angst. Und dazu kam, um das Übel noch ärger zu machen und zu verschlimmern, daß ihn ein greulicher, gewaltiger Husten packte, bei dem es ihm schier blau vor Augen wurde, und es hing an einem Haare, daß er bei jedem Huster, den er tat, in dem Zimmer gehört wurde, wo die ganze Gesellschaft, der Rittersmann, die Dame und die übrigen Leute aus dem Hause beisammensaßen.

Die Dame hatte Aug' und Ohr gespitzt und dachte nur an ihren Freund. So hörte sie ihn auch zwischendurch gelegentlich, und das gab ihrem Herzen einen gewaltigen Stoß, denn sie mußte fürchten, daß auch ihr Mann ihn hören könnte. Immerhin fand sie die Möglichkeit, gleich nach dem Abendessen allein zu ihm zu schlüpfen, und da redete sie auf ihren Freund ein, er möge sich doch um Gottes willen hüten, derart zu husten.

»Ach, Liebste,« erwiderte er, »ich kann doch wirklich nicht anders. Gott weiß, wie hart ich gestraft bin. Und um Gottes willen sinnt nur darauf, wie Ihr mich hier aus dieser Klause hinausbekommt.«

»Das will ich tun,« erwiderte sie.

Und alsbald ging sie wieder hinaus, und unser wackerer Mann begann wieder seinen Hustengesang, und zwar so laut, daß man ihn mit Leichtigkeit hätte hören können, wenn nicht die Gespräche gewesen wären, die seine Dame in Schwung zu bringen bemüht war.

Als sich der wackere Held derart von Husten bestürmt sah, wußte er schließlich kein anderes Mittel, um nicht gehört zu werden, als seinen Kopf in den Sitz zu stecken. Das war zwar recht duftig, weiß Gott, aber ihm war das immer noch lieber, als gehört zu werden. Um kurz zu sein, er hockte derart eine lange Weile, spuckte, nieste und hustete, und es war schier, als habe er sein lebelang nie etwas anderes zu tun gewußt.

Immerhin ließ bei diesem geschickten Abhilfmittel der Husten etwas nach, und er glaubte, den Kopf wieder zurückziehen zu können. Aber er war nicht imstande, ihn aus dem Loch herauszubekommen, so tief und fest hatte er ihn hineingesteckt. Ihr könnt euch denken, wie wohl ihm zumute war! Kurz, er wußte kein anderes Mittel, herauszukommen, so sehr er sich auch mühte. Sein Hals war ganz zerschunden, seine Ohren förmlich abgerissen. Schließlich wollte es Gott gefallen, daß er eine mächtige Anstrengung machte und richtig das Brett losriß, so daß er es um den Hals trug. Aber er war außerstande, es dort fortzukriegen, und war es ihm auch unbehaglich genug, so sah er sich immer noch lieber in dieser Lage als in der vorigen.

In dieser glücklichen Verfassung kam seine Liebste an, um ihn aufzusuchen. Sie fiel freilich aus allen Wolken, wußte auch nicht, wie sie ihm helfen sollte; um aber sein Glück voll zu machen, erklärte sie ihm, daß sie keinen Ausweg zu finden wüßte, um ihn aus dieser Ecke herauszubekommen.

»Weiter nichts?!« meinte er. »Holla, holla! Tod und Teufel, ich bin gerüstet genug, um mit einem fertig zu werden, wer es auch sein mag, hätte ich nur einen Degen in der Hand.«

Den bekam er denn auch, und zwar einen gar trefflichen. Als ihn die Dame in dem Zustande sah, konnte sie sich trotz all ihrem Kummer des Lachens nicht enthalten, und ihr Schildträger nicht minder.

»Also jetzt empfehle ich mich Gott an,« meinte er alsbald, »und ich will versuchen, wie ich hier hinauskomme, nur schwärzt mir zuvor noch gehörig mein Gesicht.«

So tat sie, empfahl ihn dem Schütze Gottes, und der wackere Mann mir dem Holzschmucke am Hals, den bloßen Degen in der Hand und mit einem Gesicht, schwärzer als Kohle, setzte an, sprang in die Stube, und glücklicherweise war der erste, aus den er traf, der beklagenswerte Gatte. Als der ihn sah, bekam er eine Mordsangst, denn ihm bedünkte, daß sei ein Teufel. So lang er war, ließ er sich zur Erde niederfallen. Es fehlte nur ein Haar, daß er sich das Genick brach, und lange Zeit war er vollständig besinnungslos.

Als seine Frau ihn in diesem Zustande sah, sprang sie herzu und spielte mit täuschender Ähnlichkeit die Erschreckte, die sie gar nicht war. Sie nahm ihn in ihre Arme und fragte ihn, was er habe. Schließlich war er einigermaßen wieder zu sich gekommen und sagte mit gebrochener, überaus kläglicher Stimme:

»Habt Ihr nicht diesen Teufel gesehen, dem ich da eben begegnet bin?«

»Gewiß habe ich ihn gesehen,« versetzte sie. »Es fehlte nichts, daß ich vor lauter Schrecken über diesen furchtbaren Anblick geradeswegs gestorben wäre.«

»Aber woher mag er denn nur hier ins Haus gekommen sein!« barmte der Mann, »und wer hat ihn uns auf den Hals geschickt?! Das ganze Jahr lang und darüber hinaus noch werde ich nicht beruhigt sein, so entsetzt bin ich gewesen!«

»Weiß Gott, mir geht es ebenso,« versetzte die demutsvolle Dame. »Ihr könnt sicher sein, das soll irgend etwas bedeuten. Mag uns Gott vor allem üblen Geschick behüten und bewahren! Mir ist ob dieser Erscheinung gar schlimm ums Herz.«

Darauf sagte jeder der Hausleute sein Sprüchlein wegen dieses Teufels, denn alle glaubten wahr und wahrhaftig, daß alles wirklich so vor sich gegangen sei. Die Dame freilich wußte ganz genau, was dahinter steckte, und deshalb war sie von Herzen froh, daß sie alle dieses Glaubens sah. Und fortan blieb der Handel mit dem besagten Teufel im Gange, so wie jeder das gern haben möchte, und weder der Ehemann noch all die andern kamen hinter die Sache, mit Ausnahme der vertrauten Kammerfrau, die in ihre Geschichte eingeweiht war.


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