Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Der Staatsrat mit der Mehlhaube.

Einst war zu Paris in der Rechnungskammer als Vorsitzender ein gar gelahrter Rittersmann, schon hoch bei Jahren, aber lustig und froh im Gehabe wie in der spaßigen Art, wie er mit Männern und Frauen redete. Dieser wackere Herr hatte eine schon ältliche, kränkliche Frau geheiratet, konnte aber auf eine stattliche Nachkommenschaft blicken.

Unter den Damen, Kammerfrauen und Dienerinnen seines Hauses befand sich eine Magd, bei der sich die Natur in den Kopf gesetzt hatte, eine Schönheit aus ihr zu machen. Sie hatte für das Alltägliche des Hausrates zu sorgen, für die Betten, das Brot und anderes derart. Der Herr ließ sich an Liebesfreuden nichts entgehen, solange ihm nur etwas zwischen die Finger kam. So verhehlte er auch der hübschen Magd durchaus nicht, wie wohl er ihr wollte, hielt ihr einen großen Vortrag als Einleitung zum Liebessturm, beschrieb ihr, wie arg ihm die Liebe zusetze und so weiter, versprach ihr das Blaue vom Himmel herunter und zeigte ihr dar, wie wohl sich alle Teile dabei stünden, wenn sie sich so und so verhielte. Wenn man ihn derart reden hörte, hätte man wahrhaft meinen können, daß der Magd gar kein größeres Glück widerfahren konnte, als seinen zärtlichen Wünschen zu willfahren.

Die schöne Magd war tugendsam und gut, und darum war sie auch nicht so dumm, den holden Worten ihres Herrn eine günstige Antwort zu erteilen, vielmehr entschuldigte sie sich so anmutsvoll, daß der Herr vor ihrem Mut die Waffen strecken mußte, wenngleich es ihm weit lieber gewesen wäre, wenn die Dinge einen anderen Weg genommen hätten. Als ihro Gnaden nun merkte, daß mit zuckriger Süße nichts anzufangen war, entströmten seinem Munde harte Worte. Aber das fixe Ding war ein ganzer Kerl und wollte lieber sterben als ihre Ehre darangeben. So erschrak sie auch nicht, sondern erwiderte ihm ganz entschieden, er könne lassen und tun, was ihm gefalle, aber den Tag, da sie ihm zu willen sei, werde er nicht erleben.

Der Herr, der sie in diesem Entschluß unerbittlich und sich gar anmutvoll entlassen sah, unterließ, ich weiß nicht wieviel Tage hindurch, jedes mündliche Ansinnen. Aber Blicke und andere kleine Zeichen kosteten ihm ja nichts, wenn sie auch dem Mägdelein mehr als lästig waren. Freilich wollte sie keinen Zwist zwischen ihrem Herrn und ihrer Herrin säen, sonst hätte sie diese Treulosigkeit des Edelmannes schwerlich auf die Dauer hingenommen. Und so beschloß sie im Grunde ihres Herzens, die Geschichte, so lange irgend sie konnte, geheim zu halten.

Die Zuneigung, die der edle Herr für die Reize seiner Magd hatte, wuchs von Tag zu Tage. Bald genügte es ihm nicht mehr, sie mit dem Herzen allein zu lieben und zu bezärteln, sondern er wollte ihr auch, wie schon zuvor, in Worten gar nette Dinge sagen. So machte er sich also wieder an sie heran und begann, seinem früheren Redeschwall von neuem aufs schönste freien Lauf zu lassen und seine Worte durch hunderttausend Schwüre und ebensoviel Versprechungen noch zu stützen. Um kurz zu sein: Es nützte ihm gar nichts! Er konnte nicht ein einzig Wörtlein erlangen, geschweige eine Antwort, die ihm wenigstens ein ganz klein bißchen Hoffnung gemacht hätte, daß er jemals zum Ziele gelangen würde. So schwamm er also wieder ab.

Aber er unterließ nicht, ihr zu sagen: ›Würde er sie einmal an einem günstigen Orte haschen, dann müsse sie ihm gehorchen oder es würde ihr schlimm ergehen.‹ Die Magd bekam es durchaus nicht mit der Angst und ging an ihre Arbeit in die Küche oder sonsten, ohne noch viel daran zu denken.

Ich weiß nicht wieviel Tage später, eines Montagmorgens beutelte sie Mehl. Nun muß man wissen, daß die Kammer, wo sie diese Arbeit tat, unweit des Zimmers von dem gnädigen Herrn lag, also daß er ganz deutlich den Lärm und das Geräusch ihrer Beschäftigung vernahm. Eins, zwei, drei verstand er, daß es seine Herzensmagd war, die dort mit dem Sieb hantierte, und sogleich kam ihm der Einfall, daß sie diese Arbeit besser nicht allein mache. Er wollte ihr also helfen, und natürlich noch obendrein zuwege bringen, was er ihr versprochen hatte, denn eine bessere Gelegenheit konnte er ja gar nicht treffen. Dabei sagte er sich:

»Mag sich ihr Mundwerk auch noch so zur Wehr setzen, – ich werde trotzdem zum Ziel kommen, wenn ich sie nur recht zu fassen kriege.«

Er schaute nach und stellte fest, daß es noch recht früh und die Gnädigste noch nicht erwacht war. Nun glitt er sachte, so, wie er war, in der Nachtmütze aus dem Bett, nahm den Schlafrock um, schlüpfte in die Schuhe und eilte so schnell aus seinem Zimmer zu ihr hinunter, daß er in der Kammer, wo die Magd siebte, angelangt war, bevor sie noch etwas merkte: sie sah ihn erst, als er bereits darinnen stand.

Kam einem das Staunen, dann widerfuhr das der armen Magd, die nicht schlecht erzitterte, so vertattert war sie in ihrer Angst, daß ihr der Herr rauben könne, was er ihr niemals wiederzugeben vermochte. Der seinerseits bemerkte kaum ihren Schrecken, da begann er auch schon, ohne ein Wort zu verlieren, einen kühnen Sturmangriff, und in kurzer Zeit würde er wohl auch die Festung erobert haben, wenn er sich nicht schließlich bereit gefunden hätte, zu verhandeln. Das Mägdelein sagte nämlich zu ihm:

»Ach, gnädiger Herr, ich bitte Euch um Gnade. Ich ergebe mich, mein Leben und meine Ehre sind in Euren Händen! Habt doch Mitleid mit mir.«

»Ich weiß nicht, welche Ehre,« versetzte ihr Herr, der sehr in Glut und Hitze war. »Jetzt geht es dir so, wie ich es dir vorausgesagt habe.«

Damit begann er, seinen Sturm noch kühner wieder aufzunehmen. Das Mädchen sah ein, daß es nicht entwischen konnte; aber rasch kam ihr ein glücklicher Gedanke und sie rief:

»Gnädiger Herr, ich überlasse such meinen Besitz lieber aus Liebe, denn durch Gewalt. Endet, bitte, dieses heftige Drängen, mit dem Ihr mich bestürmt, dann werde ich alles tun, was Ihr begehrt.«

»Damit bin ich einverstanden,« versetzte der Edelmann. »Aber seid versichert, daß Ihr mir ansonsten nicht entgeht.«

»Nur um eines müßt Ihr mich beruhigen,« meinte alsbald das Mädchen. »Ich habe große Angst, daß die gnädige Frau Euch hört oder gar schon gehört hat, und würde sie zufällig kommen und Euch so mir nichts dir nichts hier finden, dann wäre ich verloren. Denn zum mindesten schlägt sie mich, wenn sie mich nicht umbringt.«

»Sie hütet sich, zu kommen,« beschwichtigte der unternehmungslustig Kämpe, »denn sie schläft fest wie ein Stein.«

»Ach, Herr, mir ist so bange, – ich muß doch erst sicher gehen. Ich bitte und flehe Euch an: gebt meinem Herzen erst Ruhe und sorgt, daß wir ungestört bleiben! Laßt mich gehen und nachsehen, ob sie schläft oder was sie tut.« »Heilige Jungfrau! – du wirst am Ende nicht zurückkommen,« beunruhigte sich der Edelmann.

»Doch tue ich's, bei meinem Eide,« erwiderte sie. »Auf schnellstem Wege!«

»Also dann ist's gut,« meinte er, »spute dich!«

»Ach, gnädiger Herr, wenn Ihr so gut sein wolltet,« drängte sie, »so nehmt doch das Sieb und beutelt hier weiter für mich, damit die Gnädige arbeiten hört, wenn sie etwa aufwachen sollte, und das Geräusch vernimmt, mit dem ich des morgens begonnen habe.«

»So zeigt her, ich werde es richtig besorgen! Und macht flott.«

»Nein, Herr, nehmt auch dies Kopftuch über,« meinte sie, »dann seht Ihr ganz und gar wie eine Frau aus.«

»Also denn meinetwegen,« brummt« er.

Er wurde also in das Kopftuch eingewickelt und begann eifrig zu beuteln, daß es eine wahre Freude war, ihm zuzusehen: so wohl stand es ihm an. Derweile lief die Magd zum Zimmer hinauf, weckte die Gnädige und erzählte ihr, wie ihr der Herr vordem mit Liebesflehen zugesetzt und nun eben einen Sturmangriff auf sie gemacht habe, während sie siebte.

»Wenn Ihr die Güte hättet, so guckt Euch an, wie ich ihm entschlüpft bin und in welcher Lage er sich befindet. Kommt nur hinunter, dann werdet Ihr schon sehen.«

Ihre Herrin sprang flugs auf, nahm ihren Nachtkittel und stand alsbald vor der Kammertür, wo der gnädige Herr so fleißig siebte. Und als sie ihn mit der Mehlhaube und in diesem Zustande erblickte, da legte sie los:

»Ei, ei, Euer Gnaden, was soll denn das? Wo sind Eure Ehrenbriefe, Eure Auszeichnungen, wo steckt Eure Gelehrsamkeit und Eure Bildung?«

Als sich der Edelmann ertappt sah, antwortete er jach: »Teufel auch! Sie haben nur den Stachel meines Fleisches heut geschärft!«

Sehr geknickt und wütend über die Magd warf er das Sieb und die Mehlhaube fort und stieg in sein Zimmer hinauf. Die Gnädige flugs hinterher und nimmt die Gardinenpredigt wieder auf, aber der Herr Ehemann schert sich den Teufel darum.

Als er sich angezogen hatte, bestellte er sein Maultier und begab sich zum Gerichtsgebäude, wo er sein Erlebnis verschiedenen angesehenen Leuten erzählte. Die lachten darüber nicht schlecht, und nachträglich habe ich gehört, daß er trotz seines anfänglichen Zorns für seine schöne Magd gesorgt und ihr später mit seinem Einfluß und seinem Reichtum dazu verholfen hat, daß sie sich gut verheiratete.


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