Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Einer oben, einer unten.

Seinerzeit kannte ich eine ehrengeachtete wackere Frau, die des Gedenkens und schönsten Rufes wohl wert ist; ja, fürwahr, ihre Tugenden sollten nie verheimlicht oder unter den Scheffel gestellt werden, sie verdient es sogar geradezu, öffentlich gepriesen zu werden. Ihr sollt nun, mit Verlaub, kurz und knapp, aus dem Hergang in dieser Geschichte erfahren, durch welchen Vorfall ich ihr Ansehen zu steigern und auszubreiten gedenke.

Diese wackere und, beim heiligen Denis, keusche Frau war mit einem arg gehörnten Ehemann vermählt. Sie hatte gar manchen Liebeswerber, Leute, die recht hitzig hinter ihrer Gunst her waren; und denen fiel's nicht allzu schwer, ihr Ziel zu erlangen, da die Gute voll Sanftmut und Erbarmen war. Darum wollte und konnte sie denn auch ihre Gunst mit vollen Händen an jeden hinstreuen, der ihr irgend recht und willkommen schien.

Kamen da eines Tages die zwei zu ihr, wie ihnen das schon ein liebe Gewohnheit geworden war. Natürlich wußte keiner etwas von dem andern. Sie baten also und fragten, wann sie wieder an der Reihe wären und vorgelassen würden. Die gute Frau war eine Kraftnatur, die weder vor zweien noch selbst vor dreien zurückgewichen wäre. Sie bestimmte ihnen also Tag und Stunde, wo sie sich bei ihr einfinden sollten; und zwar am nächsten Tage der eine um acht Uhr morgens, der andere daran anschließend um neun Uhr, und jedem wurde sorglich eingeschärft, daß er zur festgesetzten Stunde ja nicht auf sich warten lassen solle. Woraus die zwei sich hoch und heilig verschworen, daß nur der Tod allein sie hindern werde, zur festgesetzten Zeit da zu sein. Als es am nächsten Tage wohl um die sechs Uhr morgens war, erhob sich der Ehemann dieser wackeren Frau, kleidet sich an und macht sich fertig, dann weckt und ruft er sie, sie solle aufstehen. Aber sie gehorchte ihm nicht, sondern schlug es ihm geradewegs ab und sagte: »Bei Gott, ich habe solches Kopfweh bekommen, daß ich mich nicht auf den Füßen halten kann. Selbst zum Sterben könnte ich mich nicht aufrichten, so schwach und gerädert bin ich. Weißt du, – ich hab heut nacht überhaupt nicht geschlafen, nicht ein Auge zugetan. Ich bitte dich, laß mich hier, ich hoffe, ich werde etwas Ruhe finden, wenn ich allein bin.«

Ihr Mann glaubte es zwar nicht recht, aber er wagte nicht zu widersprechen oder etwas zu erwidern, und ging weg, um seine Pflichten in der Stadt zu versehen, die seine Stellung mit sich brachte. Derweile war sein Weib daheim nicht untätig: eben schlug es acht, da erschien schon unser braver Gesell, der am Tag vorher für diese Zeit bestellt war, und pochte an die Tür. Und flugs ließ sie ihn ein.

Kaum hatte er sich seiner Kleider entledigt und war aus den überflüssigen Sachen geschlüpft, da leistete er schon der Hausfrau Gesellschaft, damit sie nicht so einsam sei. So lagen beide Arm in Arm oder sonst wie in lieblicher Behaglichkeit, und die Zeit ging hin und war vorbei, ohne daß sich einer darum kümmerte, bis sie es gewaltig an der Tür klopfen hörten.

»Ach!« rief sie, »mein Gott, das ist mein Mann! Schnell fort, nehmt Eure Sachen.«

»Euer Mann?« fragte er. »Kennt Ihr ihn denn am Klopfen?«

»Ja,« sagte sie, »ich weiß genau, er ist's. Sputet Euch, damit er Euch hier nicht findet.«

»Dann wird er mich wohl doch sehen müssen, wenn er's ist. Denn ich wüßte nicht, wo ich entschlüpfen sollte.«

»So Gott will, erblickt er Euch nicht, denn Ihr und ich, wir beide wären des Todes!« drängte sie. »Er ist in dem Punkt ein gar zu wunderlicher Mann. Also steigt hier oben in diesen kleinen Speicher und haltet Euch ganz muckestill und ruhig, damit er Euch nicht sieht.«

Unser Freund kletterte hinauf, wie sie es ihm gesagt hatte, und sah sich in das kleine Kämmerlein gesperrt, – einen alten, ganz rissigen, mürben, an allen Ecken und Enden löchrigen Verschlag. Sobald die Frau des Hauses gewiß war, daß er dort oben steckte, war sie mit einem Sprung an der Tür. Sie wußte recht gut, daß es nicht ihr Mann war, und ließ den guten Freund ein, der versprochen hatte, sich an diesem Tage um neun Uhr zu ihr zu begeben.

Sie kamen zusammen in ihr Zimmer, standen aber nicht lange herum, sondern umhalsten und küßten sich genau so oder so ähnlich, wie es jener droben im Speicher getan hatte. Und der sah das alles durch eine Ritze mit an; aber sonderlich beglückt war er nicht darüber. Er erwog das Ding lange hin und her, nämlich ob es besser sei, zu reden oder lieber den Mund zu halten. Aber er kam zu dem Entschluß, sich in Schweigen zu hüllen und nichts zu sagen, bis er einen passenden Augenblick erhaschen würde.

Ihr könnt euch denken, daß er gehörig Geduld haben mußte. Während er aber wartete und die Eintracht seiner Liebsten mit dem Neuankömmling beobachtete, kam der Ehemann nach Haus, um sich nach dem Befinden und der Gesundheit seiner Frau zu erkundigen, was doch seine verfluchte Pflicht und Schuldigkeit war. Alsbald vernahm sie ihn, und was blieb ihr anders übrig? Sie mußte ihren Gefährten zum Aufstehen nötigen, und da sie nicht wußte, wohin ihn in Sicherheit bringen, – denn in den Speicher hätte sie ihn doch auf keinen Fall geschickt, – so steckte sie ihn in die Bettecke, deckte ihre Kleider über ihn und sagte:

»Besser weiß ich Euch nicht unterzubringen, also geduldet euch.«

Sie hatte noch nicht ausgeredet, da trat ihr Mann schon ein. Er hatte, wie es schien, einiges verdächtiges Geräusch gehört. Nun fand er das Bett ganz zerknittert und zerwühlt, die Bettdecke in üblem Zustande und gar seltsamlich hergerichtet, und das ganze glich mehr einem Flitterwochenbett als dem Lager einer kranken Frau. Dieser Anblick zusammen mit dem Argwohn, den er schon vordem hatte, bestimmten ihn, sich seine Frau vorzunehmen und sie anzufahren: »Was seid Ihr doch für ein schlimmes, verbuhltes Frauenzimmer! Ich hab mir das schon heut morgen gedacht, als Ihr die Kranke spieltet! Wo ist denn der lüsterne Schürzenjäger? Ich schwöre bei Gott, finde ich ihn, dann ist es mit ihm aus und mit Euch auch!«

Damit legte er die Hand an die Bettdecke und schalt:

»Schaut Euch nur den Staat an! Sieht es nicht aus, als hätten hier die Schweine genächtigt?«

»Was hast du eigentlich, ekliger Säufer?« fauchte sie ihn an. »Soll ich Euch vielleicht an das Übermaß an Wein erinnern, das Ihr die Gurgel hinabgespült habt? Was ist denn das für eine schöne Begrüßung, daß Ihr mich verbuhltes Frauenzimmer heißet? Merkt Euch, bitte: – so etwas bin ich nicht! Ich bin sogar viel zu gut und anständig für solch verlotterten Kerl wie Ihr einer seid. Und es tut mir nur leid, daß ich immer so gut zu Euch war, denn Ihr verdient das wahrhaftig nicht. Ich sollte Euch ins Gesicht springen und Euch die Fratze derart zerkratzen, daß Ihr für immer an diese unbegründete Kränkung denkt, die Ihr mir angetan habt. Das wäre das rechte!«

Fragt ihr mich, woher sie den Mut nahm, so zu antworten und mit ihrem Mann derart zu reden, so finde ich zwei Gründe: zum ersten fühlte sie sich bei diesem Streit im Recht, und obendrein hielt sie sich in dieser Lage für die Stärkere. Man muß doch daran denken, daß der im Speicher und der andere in der Bettdecke ihr beigestanden hätten und zu Hilfe gekommen wären, würde es zur Schlägerei gekommen sein.

Als der arme Ehemann dies verteufelte Weib derart losdonnern hörte, wußte er nicht, was er sagen sollte. Er sah, daß lautes Geschrei und festes Zugreifen nicht angebracht waren und empfahl seine Sache Gott, der gerecht ist und die Dinge zu beurteilen versteht. Nachdem er die Frage zu Ende überlegt hatte, sagte er unter anderem etwa folgendes:

»Ihr entschuldigt Euch sehr wegen der Dinge, die ich ganz offen zutage liegen sehe. Übrigens kümmert es mich auch wenig, was man sagen könnte, ich habe mich nie darum gedrängt, Lärm zu machen: der da oben wird doch alles bezahlen.«

Mit ›dem da oben‹ meinte er Gott und wollte sagen: »Gott, der jedem gibt, was er verdient, wird Euch die Suppe bezahlen lassen, die Ihr Euch eingebrockt habt.« Aber der Liebhaber, der oben im Speicher war, glaubte ganz bieder bei diesen Worten, daß sie für ihn bestimmt seien, und daß ihm gedroht würde, die ganze Suppe auch für das auszuessen, was der andere verbrochen hatte. Und deshalb antwortete er von oben herab:

»Wieso denn? Es genügt doch, wenn ich die Hälfte bezahle. Der dort in der Bettecke kann für die andere aufkommen, denn er war ebenso daran beteiligt, wie ich.«

Wem stand da der Mund offen? Dem Hausherrn, der da glaubte, daß Gott zu ihm spräche, und auch dem in der Bettecke, der nicht wußte, was er denken sollte, denn er ahnte von dem anderen nichts. Immerhin kroch er hervor und der andere, der ihn kannte, kam herunter. Sie gingen zusammen weg und ließen die Gesellschaft in größter Verwirrung und Unzufriedenheit zurück, aber das kümmerte sie begreiflicherweise wenig.


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