Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Das Horn des Teufels.

Ein edler Rittersmann aus Deutschland, ein großer Reisender vor dem Herrn, tapfer im Waffenkampfe, hochgemut und mit allen edlen Tugenden in reichem Maße ausgestattet, kam einst von einer weiten Reise heim in eines seiner Schlösser. Dort wurde er von einem seiner Leute, der in der gleichen Stadt wohnte, gebeten, Pate eines seiner Kinder zu sein und das Neugeborene über die Taufe zu halten, dessen Mutter just zu seiner Rückkehr dem Kindlein das Leben gegeben hatte.

Diese Bitte erfüllte er dem besagten Bürger bereiten Herzens. Obgleich aber unser Rittersmann in seinem Leben schon mehrere Kindlein über die Taufe gehalten hatte, – so andächtig hatte er noch nie den heiligen Worten, die der Pfarrer sprach, oder dem Mysterium dieses heiligen, erhabenen Sakramentes gelauscht, wie in diesem Falle. Ihm schien, das alles sei, wie es ja auch in Wahrheit ist, voll hoher göttlicher Geheimnisse.

Als nun die Taufe beendet war, blieb er, statt auf sein Schloß zurückzukehren, zum Essen in der Stadt, denn er war ein freimütiger, hochherziger Mann und legte Wert darauf, daß seine Leute ihn unter sich sahen. Gesellschaft leisteten ihm der Pfarrer, sein Gevatter und einige der angesehensten Leute. Nachdem über manches hin und her geredet worden war, erhoben sie sich zu immer höheren und höheren Dingen, und so begann der edle Herr gewaltiglich das achtungswerte Sakrament der Taufe zu loben und zu preisen und sagte mit lauter, klar vernehmlicher Stimme, also daß es alle hörten:

»Wenn ich bestimmt wüßte, daß bei meiner Taufe dieselben würdigen und heiligen Worte ausgesprochen worden sind, die ich zur Stunde bei der Taufe meines neuen Patensohnes vernommen habe, würde ich nicht die Spur Angst davor haben, daß der Teufel über mich irgendwelche Gewalt oder Macht erlangen könnte, es sei denn die, mich zu versuchen. Ja, ich würde darauf verzichten, das Zeichen des Kreuzes zu machen, – verstehet mich wohl: ich weiß recht gut, daß dies Zeichen genügt, um den Teufel zu verjagen. Aber ich glaube fest daran, daß die bei der Taufe eines jeglichen Christen ausgesprochenen Worte, wenn sie die gleichen sind, die ich heute hörte, die Macht haben, alle Teufel der Hölle zu verjagen, und wenn es auch noch so viele wären.« »Wirklich,« erwiderte darauf der Pfarrer, »wirklich, hoher Herr, ich kann Euch versichern, in verdo sacerdotis, daß dieselben Worte, die heute bei der Taufe Eures Patenkindes gesprochen wurden, auch bei Eurer Taufe gesagt wurden und erklangen. Das weiß ich genau, denn ich selbst habe Euch getauft, und ich habe die Sache noch so frisch im Gedächtnis, als wäre es gestern gewesen. Gott möge Euren Herrn Vater bedanken: er fragte mich am Tage nach Eurer Taufe, was ich von seinem jüngsten Sohne hielte; die und die waren Eure Paten, und die und die waren anwesend.«

Und er erzählte alle Einzelheiten der Tauffeier und gab die sichere Gewißheit, daß weder vorn noch hinten ein Wort bei dieser Taufe anders gewesen sei als bei der dieses Patenkindes.

»Wenn das so ist,« versetzte darob der edle Rittersmann, »so verspreche ich Gott, meinem Schöpfer, daß ich, um in festem Glauben das heilige Sakrament der Taufe gehörig zu ehren, niemals, in welche Gefahr ich auch kommen mag, wie mich der Teufel auch bestürmen oder wider mich angehen mag, fürder das Zeichen des Kreuzes machen werde. Einzig in Gedanken an das Sakrament der Taufe werde ich ihn von mir jagen, – so festes gläubiges Vertrauen setzte ich in dies göttliche Mysterium. Und nie wird es mir möglich erscheinen, daß der Teufel einem Menschen schaden könnte, der mit solchem Trutz bewaffnet ist. Denn er ist derart fest, daß er allein, ohne jede andere Hilfe, außer natürlich dem wahren Glauben, vollständig genügt.«

Das Essen ging zu Ende, und ich weiß nicht wieviel Jahre später kam der wackere Rittersmann für irgendeine Angelegenheit, die ihn dorthin rief, nach einer netten Stadt in Deutschland, wo er im Gasthof Unterkunft fand. Eines Abends war er nach dem Essen mit seinen Leuten zusammen, redete und stritt mit ihnen, und so kam es, daß er schließlich einmal austreten mußte, denn seine Leute stritten immer weiter, und keiner wollte von dem Streite ablassen. So nahm er also eine Kerze und ging ganz allein hinaus.

Als er nun in die verborgene Klause kam, sah er vor sich ein gewaltig großes, erschreckliches und furchtbares Ungeheuer mit mächtigen langen Hörnern und mit Augen, die noch heller leuchteten als Ofenlöcher, mit dicken, starken Armen, spitzen, scharfen Klauen, kurz, es war ein ganz fürchterliches Ungeheuer, und ich glaube sicher, es war ein Teufel. Dafür hielt es auch unser wackerer Rittersmann, der auf den ersten Anhieb über solche Begegnung mächtig verdutzt war.

Nichtsdestoweniger faßte er sich ein Herz und wollte sich kühnlich zur Wehr setzen, wenn der ihm etwas anhaben sollte. Dabei kam ihm das Gelübde in Erinnerung, das er getan hatte, und die Geschichte von dem heiligen, göttlichen Mysterium der Taufe. In diesem festen gläubigen Vertrauen ging er auf das Ungeheuer, das ich kurz und gut als Teufel bezeichnen will, geradeswegs zu und fragte es, wer es sei und was es wolle.

Ohne ein Wort zu erwidern, begann dieser Teufel auf ihn einzuschlagen, und der wackere Rittersmann, sich zu verteidigen. Immerhin hatte er als einzige Waffe nur seine Fäuste, denn er war im einfachen Wams, im Begriffe, schlafen zu gehen, und sein guter Degen war sein festes gläubiges Vertrauen zu dem heiligen Mysterium der Taufe.

Der Kampf dauerte lange, und der wackere Rittersmann ward schließlich so matt, daß es ein reines Wunder war, wie er dem harten Ansturm überhaupt noch widerstehen konnte. Aber sein Glaubensschild war ihm ein fester Trutz, also daß die Schläge seines Feindes ihm nur wenig Schaden taten.

Schließlich, als dieser Kampf wohl schon eine gute Stunde gewährt hatte, bekam der wackere Rittersmann die Hörner dieses Teufels zu packen, riß ihm eins aus und vermöbelte ihn damit gehörig, so wenig es dem andern auch behagte. Als Sieger verließ er den Kampfplatz, ließ das Ungeheuer vollständig erschöpft liegen und suchte seine Leute auf, die sich noch immer hin und her stritten, wie sie es schon vor seinem Weggange getan hatten.

Sie waren sehr erschrocken, als sie ihren Herrn derart erhitzt, mit ganz zerkratztem Gesicht erblickten. Sein Wams, Hemd und Hosen, kurz alles war zerrissen und zerfetzt, und er war vollständig außer Atem.

»Ach, edler Herr,« riefen sie, »woher kommt Ihr und wer hat Eure Kleider derart zugerichtet?«

»Wer?« meinte er, »der Teufel ist's gewesen, mit dem ich mich derart herumgeschlagen habe, daß ich noch ganz außer Atem bin und in den Zustand kam, in dem ihr mich erblickt. Und ich versichere euch auf mein Wort: ich bin wahrhaftig fest davon überzeugt, daß er mich erwürgt und gefressen hätte, wenn ich mich nicht auf der Stelle meiner Taufe und des erhabenen Mysteriums dieses Sakramentes erinnert hätte, und zugleich auch meines Gelübdes, das ich einst tat, ich weiß nicht, vor wieviel Jahren. Und ihr könnt mir glauben, ich habe es getreulich gehalten. Denn so arg auch die Gefahr sein mochte, die mir drohte, niemals machte ich das Zeichen des Kreuzes, sondern ich hielt mir besagtes heiliges Sakrament vor Augen, habe mich kühnlich verteidigt und bin froh und frei entschlüpft. Lob und Dank sei unserm Herrn, der durch diesen Schild des heiliges Glaubens mich gesund und heil erhalten hat. Mögen auch all die andern bösen Geister kommen, die drunten in der Hölle sind, – so lange dies heilige Zeichen dauert, fürchte ich sie nicht, Preis, Preis sei unserm erhabenen Gotte, der seine Streiter mit solchen Waffen zu rüsten weiß.«

Als die Leute dieses edlen Herrn ihren Meister den Fall berichten hörten, waren sie baß erfreut, ihn so ungefährdet zu sehen. Aber ganz verblüfft staunten sie über das Horn, das er ihnen zeigte, eben jenes, das er dem Teufel vom Kopfe gerissen hatte. Und kein Mensch, der es sah oder fürder vor Augen bekam, vermochte zu sagen und zu beurteilen, woraus es bestand, ob es Knochen oder Horn war, so wie andere Hörner sind, oder was es sein mochte.

Alsbald erklärte einer der Leute dieses Rittersmannes, er wolle hingehen und sehen, ob der Teufel noch da sei, wo ihn sein Meister gelassen hatte, und fände er ihn, so wollte er auch mit ihm kämpfen und ihm das andere Horn ausreißen. Sein Herr redete ihm zu, doch ja nicht hinzugehen, aber er bestand daraus, seinen Willen durchzusetzen.

»Tu das nicht,« drängte ihn sein Herr, »die Gefahr ist zu groß.«

»Kümmert mich nicht,« versetzte der andere, »ich werde hingehen.«

»Glaube mir,« versetzte sein Herr, »und gehe nicht hin.«

Aber was nützte es alles: er wollte nun einmal gehen und seinem Herrn nicht gehorchen. Er nahm also eine Fackel in die eine, ein mächtiges Beil in die andere Hand und begab sich zu der Stätte, wo sich sein Herr herumgeschlagen hatte. Was er dort tat, hat man nie erfahren. Sein Herr bangte um ihn, aber so eilig er ihm auch folgen mochte: – gefunden hat er ihn nicht, und den Teufel auch nicht, und niemals wieder hat er etwas von seinem Gefolgsmann gehört.

So also, wie berichtet, kämpfte der wackere Rittersmann mit dem Teufel und überwand ihn kraft des heiligen Sakra, mentes der Taufe.


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