Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Die ausgeplünderte Dirne.

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, noch eine überraschende Neuigkeit, daß Frauen ihre Ehemänner eifersüchtig, ja selbst, bei Gott, auch zum Hahnrei gemacht haben. So begab es sich kürzlich in der Stadt Antwerpen, daß eine verheiratete Frau, wahrlich nicht das zuverlässigste Weib dieser Erde, von einem gar edlen Manne angegangen wurde, seinen zärtlichen Wünschen zu willfahren. Und da sie zutunlich und, wie gesagt, eben so war wie sie war, so verweigerte sie den Liebesdienst, der ihr vorschlagen wurde, nicht, sondern ließ sich gar gutmütig einfangen und führte dies Leben mit ihm dann eine gute Weile.

Da nun aber Frau Fortuna es so wollte (weil sie ersichtlich solch frohem Glück feindlich und böse gesinnt war), richtete sie es schließlich so ein, daß der Ehemann das Pärlein beim schönsten Kosen antraf, was ihn gar mächtig in Staunen setzte. Freilich weiß man nicht, wer am Ende am meisten verblüfft war, der Liebste, seine Freundin oder der Ehemann. Immerhin vermochte sich der Herr Liebhaber mit Hilfe eines guten Degens des Paares kräftiger Fäuste, die ihn gepackt hatten, zu entledigen und aus der Lage zu retten, ohne Schaden dabei zu nehmen und ohne daß eine Menschenseele ihm folgte. Es verblieben: der Ehemann und die Frau.

Wovon die beiden miteinander zu reden hatten, läßt sich leichtlich denken. Nachdem sie dann aber dieses und jenes hin und wider gesprochen hatten, sagte sich der Ehemann innerlich: Nachdem sie nun einmal mit dergleichen Torheiten begonnen habe, würde es schwer halten, ihr ihre Narrheit auszutreiben; so wie die Sache lag, würde sie möglicherweise das Ding nur noch schlimmer treiben, und kam die Geschichte unter die Leute, dann wäre er öffentlich entehrt. Sie schlagen oder gröblich schelten war verlorene Mühe. Und so entschloß er sich schließlich, sie einfach kurzerhand auf die Straße zu setzen und bei sich aus dem Hause zu werfen, also daß sein Haus niemals mehr, von wem es auch sein mochte, beschmutzt werde.

Er sagte also gar sänftiglich zu seiner Frau:

»Ich sehe gar wohl, daß Ihr zu mir nicht so seid, wie Ihr von Rechts wegen sein solltet. Immerhin will ich hoffen, daß Euch so etwas nicht von neuem widerfährt, und deshalb soll von dem, was geschehen ist, nicht mehr die Rede sein. Aber wir wollen von etwas anderem reden. Ich habe da eine Geschichte, die mich aufs nächste betrifft und Euch auch. Ihr müßt dafür all unsern Schmuck daran geben, und habt Ihr irgendwo noch etwas Silber für Euch zurückgelegt, so müßt Ihr das ebenfalls hervorholen, denn der Fall verlangt das dringend.«

»Auf mein Wort,« versetzte das verbuhlte Frauenzimmer, »das will ich gern und freudigen Herzens tun, aber dafür verzeiht mir auch das Mißgeschick, daß Euch widerfahren ist.«

»Sprecht nicht mehr davon,« erwiderte er, »so wenig, wie ich davon reden will.«

Sie glaubte, ihrer Schuld ledig gesprochen zu sein und Verzeihung für all ihre Sünden erlangt zu haben. Um ihrem Manne zu Gefallen zu sein, nachdem sie ihm eben solchen Streich gespielt hatte, gab sie ihm alles, was sie an Geld besaß, ihre Ketten, Ringe, reiche, prächtig gezierte Täschchen, einen Haufen sehr feiner Hauben, mehrere wertvolle Federn, Gewänder und kurz, alles, was sie hatte und was ihr Mann nur fordern mochte, – all das gab sie ihm, um ihm damit Freude zu machen.

»Sieh nur,« erklärte er, »immer noch ist es nicht genug.«

Als er schließlich alles bis auf ihr Kleid und den Unterrock hatte, die sie trug, erklärte er:

»Ich brauche auch dies Kleid!«

»Aber«, versetzte sie, »ich habe doch weiter nichts anzuziehen. Wollt Ihr, daß ich ganz nackt herumlaufe«

»Es ist unbedingt nötig,« versetzte er, »daß Ihr es mir gebt, und auch den Unterrock müßt Ihr hergeben. Wäre es aus Liebe oder mit Gewalt, – ich muß ihn haben.«

Da sie einsah, daß sie mit Gewalt nicht gegen ihn aufkommen konnte, zog sie ihr Kleid und ihren Rock aus, und wie sie so im Hemde dastand, meinte sie:

»Nun sagt doch, – tue ich Euch nicht alles zu Gefallen?«

»Stets habt Ihr es nicht getan,« erwiderte er. »Gehorcht Ihr mir jetzt zur Stunde, so weiß Gott allein, ob Ihr es gutwillig tut. Aber wir wollen das lassen und von etwas anderem reden. Als ich such in unglückseliger Stunde zum Weibe nahm, brachtet Ihr nichts mit außer Euch, und wenn es wirklich ein wenig gewesen war, so habt Ihr es zum Fenster hinausgeworfen und durchgebracht. Es lohnt sich nicht, daß ich Euch Euer Verhalten im einzelnen vor's Gewissen führen: Ihr selbst wißt besser als jeder andere, was Ihr für eine Frau seid. Und als die, die Ihr seid, gebe ich Euch jetzt feierlichen Abschied und sage such endgültig Lebewohl. Hier ist die Tür, macht Euch fort, und wenn Ihr vernünftig sein wollt, dann laßt Euch nie wieder bei mir sehen.«

Das arme verliebte Frauenzimmer war mehr denn je aus allen Wolken gefallen, wagte aber nach diesen schrecklichen Worten und angesichts dieses furchtbaren Bannfluches nicht, fürder in diesem Hause zu bleiben. Sie ging hinaus und begab sich, soviel ich weiß, zum Hause ihres Liebesgefährten, um wenigstens in der ersten Nacht Unterkunft zu finden. Sie ließ auch durch vielerlei Leute Verhandlungen führen, um ihre Ringe und Kleider wiederzubekommen, aber das nützte ihr nichts. Denn ihr Mann bestand fest, hartnäckig und eigensinnig auf seinem Vorsatz, wollte nichts von ihr hören und dachte noch weniger daran, sie wieder bei sich aufzunehmen. Freilich wurde ihm gewaltig zugesetzt, sowohl von seinen eigenen Freunden wie von denen seiner Frau. Aber dieser blieb nichts weiter übrig: sie sah sich gezwungen, so gut sie konnte, andere Kleider aufzutreiben, und sie mußte statt mit ihrem Manne mit ihrem Freunde vorlieb nehmen. So wartete sie auf die Versöhnung mit ihrem Ehegemahl, der noch zur heutigen Stunde arg gegen sie aufgebracht ist und sie immer noch nicht sehen mag.


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