Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Der zweigestaltige Pfarrer.

In den Marken der Picardie im Kirchspiel Teroenne befand sich vor etwa anderthalb Jahren oder so ein wackerer Pfarrer, der in der guten Stadt, in der er lebte, den liebenswürdigen Schwerenöter spielte, ohne sich irgendwie Zügel anzulegen, er trug einen kurzen Rock, hohe Strümpfe nach dem Brauche des Hofes, und war überhaupt ein Galgenstrick, wie man es nicht schlimmer sein kann, was bei Kirchenleuten doch schon etwas besagen will.

Der Promotor von Teroenne, den Leute mit solchen Gewohnheiten als Teufel zu bezeichnen pflegen, bekam Wind von dem Gebahren unseres liebenswürdigen Pfarrers und ließ ihn vorladen, damit er bestraft und in seinen Sitten gebessert werde. Richtig erschien er auch ganz bieder in seinem kurzen Rock, als ob er sich um den Promotor überhaupt nicht kümmerte, weil er wohl glaubte, er könnte zufälligerweise um seiner schönen Augen willen oder sonstwie frei kommen. Aber so lief die Geschichte denn doch nicht ab.

Als er vor dem Herrn Offizial erschien, zählte ihm sein Partner, der Promotor, sein Sündenregister des langen und breiten auf und bat als Schlußfolgerung, daß ihm diese Art sich zu kleiden und all sein übriges unpassendes Gebühren verboten würde. Und obendrein solle er noch zu einer bestimmten Buße verurteilt werden.

Als der Herr Offizial mit eigenen Augen sah, was unser Pfarrer, den man ihm vorführte, für ein Hecht war, sprach er ausdrücklich bei allen kanonischen Strafen das bestimmte Verbot aus, sich fürder derartig herzurichten, wie er es bis dahin getan hatte, und befahl ihm, fortan ein langes Gewand und langes Haar zu tragen. Außerdem verurteilte er ihn zur Zahlung einer gehörigen Summe Geldes.

Unser Schlingel versprach, sich der Anordnung zu fügen, also daß er künftighin nicht mehr wegen solcher Dinge vorgeladen zu werden brauche. Er verabschiedete sich von dem Promotor und kehrte zu seiner Pfarre zurück. Sobald er dort angekommen war, ließ er den Tuchhändler und den Schneider kommen und sich einen Rock zuschneiden, der zu mehr als dreiviertel hinten nachschleppte, und erzählte dabei dem Schneider die neuesten Nachrichten von Teroenne, das heißt, wie er angefahren worden war, weil er ein kurzes Gewand trug, und daß er angewiesen worden sei, es fortan lang zu tragen. Er zog also fortan dies lange Gewand an und ließ sich die Haare und den Bart wachsen, und in diesem Zustande tat er Dienst in seinem Kirchspiel, las die Messe und erfüllte die anderen Dienste, die ihm als Pfarrer oblagen.

So wurde der Promotor neuerdings darauf aufmerksam gemacht, wie sich sein Pfarrer gegen alle Sitte und allen guten Anstand und den Brauch benahm, der geistlichen Personen gezieme. Der Promotor ließ ihn wie zuvor vor Gericht rufen, und dort erschien er mit demselben langen, schleifenden Gewande.

»Was soll das heißen?« fragte der Offizial, als er vor ihm erschien. »Mir scheint, Ihr macht Euch über die Bestimmungen und Anordnungen der Kirche lustig?! Seht Ihr nicht, wie die andern Priester sich ankleiden? Ginge es nicht um die Ehre Eurer guten Freunde, so würde ich Euch gleich eine gehörige Kerkerstrafe aufbrummen.«

»Wie denn, hoher Herr,« versetzte unser Pfarrer. »Habt Ihr mich nicht beauftragt, lange Kleider und langes Haar zu tragen? Tue ich nicht, wie Ihr mich geheißen habt? Ist dies Kleid nicht lang genug, sind meine Haare nicht lang? Was wollt Ihr denn, daß ich tue?«

»Ich will,« versetzte der Herr Offizial, »daß Ihr Kleid und Haar halblang tragt, nicht lang und nicht kurz.

Für Euren argen Verstoß aber verurteile ich Euch, dem Promotor zehn Pfund, an die Werkerei hier zwanzig Taler und ebensoviel an Herrn von Teroenne zu zahlen, die dieser seinem Almosenamt zuwenden mag.«

Unser Pfarrer war über die Maßen verwundert, aber es half ihm nichts, er mußte die bittere Pille schlucken. Er nahm also Abschied, kehrte in sein Haus zurück und bedachte, wie er sich fortan kleiden sollte, um den Spruch des Herrn Offizial zu erfüllen.

Er bestellte also den Schneider und ließ ihn ein Gewand zuschneiden, das auf der einen Seite so lang war, wie wir oben geschildert haben, auf der andern so kurz wie vordem. Und dann ließ er sich auf der Seite, wo das Gewand kurz war, barbieren. Und in diesem Zustand ging er über die Straße und tat seinen Gottesdienst. Und ob man ihm auch immer wieder vorstellte, daß er daran nicht recht tue, kümmerte er sich darum nicht im geringsten.

Von neuem wurde der Promotor davon benachrichtigt und wiederum ließ er ihn vor sich kommen. Als er erschien, war der Herr Offizial weiß Gott wie ungehalten, Es fehlte fast nichts, daß er wie von Sinnen von seinem Sitze emporsprang, als er seinen Pfarrer in einem Gewände einherkommen sah wie auf einer Mummenschanz.

War der Schlingel schon die beiden ersten Male scharf mitgenommen worden, so wurde er es diesmal noch mehr, denn er bekam zudem eine tüchtige, fette Pön auferlegt. Als sich nun unser guter Pfarrer derart durch Strafzahlungen gerupft und mit Verurteilungen überhäuft sah, meine er:

»Hoher Herr Offizial, mir scheint, mit Verlaub und allem geziemenden Respekt, daß ich ganz nach Eurer Anordnung gehandelt habe. Hört mich nur an, so will ich Euch den Grund sagen.« Alsbald nahm er seine Hand hoch, verdeckte seinen langen Bart damit und erklärte:

»Wenn Ihr wollt, habe ich keinen Bart.«

Und dann legte er die Hand auf die andere Seite, bedeckte das kurzgeschnittene Haar und das barbierte Gesicht und sagte:

»Und wenn Ihr wollt, habe ich einen langen Bart. Habt Ihr mich nicht gerade das geheißen?«

Der Herr Offizial merkte nun, daß er ein richtiger Schelm war und ihn hineinzulegen suchte. Er ließ also den Bartkratzer und den Schneider kommen und dem Schlingel vor allen Anwesenden Bart und Haar zurechtmachen und obendrein das Gewand auf die Länge zurechtschneiden, die nötig und vernünftig war. Dann schickte er ihn auf seine Pfarre zurück, wo er sich fortan durchaus würdig benahm und hielt. Und er hat dies vernünftige Gebaren, das er auf Kosten seines Geldsackes erst erlernen mußte, künftig beibehalten.


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