Antoine de la Salle
König Ludwigs galante Chronika
Antoine de la Salle

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Das Edelfräulein als Rittersmann.

Der bemerkenswerte Vorfall, von dem hier die Rede sein soll, trug sich vor ganz kurzer Zeit im Herzogtum Bradant zu, und ist daher heute noch so frisch in Erinnerung, als hätte er sich eben erst zugetragen. Er ist aber so seltsamlich, daß er wohl den Stoff zu einer Erzählung in diesem Rahmen zu liefern verdient, und so soll er denn gebührlich dargestellt, geschildert und der Nachwelt überliefert werden. Es handelt sich um folgendes:

Zum Hause eines mächtigen Freiherrn jener Gegend gehörte ein junger, anmutiger und wohlgestalter Edelmann namens Gerhard, der sich in eine Ehrendame des gleichen Hauses, Katharina, sterblich verliebte. Als er seiner Gefühle inne ward, zögerte er nicht lange, dem Mägdelein sein wonniges Leid gar mutig zu klagen. Was er darauf zunächst für eine Antwort bekam, brauche ich nicht zu sagen: jeder kann sich das selbst ausmalen, und ich will der Kürze halber darüber hinweggehn. Immerhin geschah es mit der Zeit, daß sich Gerhard und Katharina allmählich innerlich immer näherkamen, und schließlich liebten sich beide so gar herzinniglich und aufrichtig, daß sie ein Herz und eine Seele wurden. Die wundervoll-zärtliche, unvergleichliche Liebe dauerte am Ende schon zwei Jahre, und sintemalen Amor es so sehr schätzt, seinen Gefolgsleuten die Augen zu verbinden, so gelang ihm das auch mit der Zeit bei diesem Pärlein; allemal, wenn sie vermeinten, ihre holden Liebesgedanken überaus heimlich und unbemerkt auszutauschen und zu besprechen, merkten es die andern mit viel Vergnügen, und bald gab es kein Männlein oder Weiblein im ganzen Hause, das sich nicht darauf spitzte und Augen und Ohren aufsperrte, also daß diese Angelegenheit ein Ereignis war, das ganz öffentlich behandelt wurde. Allewelt im Hause sprach nur noch von der Liebe zwischen Gerhard und Katharina. Die beiden Liebesleute glaubten, daß sie die einzigen wären, die sich mit ihren Gefühlen beschäftigten. Ach! wie konnten sie denn auch ahnen, daß davon auch anderen Ortes als zwischen ihnen beiden die Rede war, wo sie doch sogleich ihr Gespräch änderten, wenn ein dritter dazukam.

Aber lag es nun einfach daran, daß die Leute im Hause eben nicht ihren Mund halten konnten, und ewig davon schwatzten, wie über alles, was sie nicht im geringsten etwas anging, – oder gab's da noch ein paar Neidhammel und Wichtigtuer, die ihr verdammtes, ekelhaftes Ränkespinnen nicht lassen mochten, kurz, die Sache kam dem Hausherrn und seiner Gemahlin zu Ohren, und die sorgten dafür, daß die Eltern von Katharina über die Angelegenheit in Kenntnis gesetzt und diesbezüglich gewarnt wurden.

Glücklicherweise hatte das Mägdelein eine Freundin im gleichen Hause, die ihr aufrichtig und herzlich zugetan war. Die machte Katharina darauf aufmerksam, daß ihre Neigung zu Gerhard Gegenstand des allgemeinen Klatsches war, und erzählte ihr ausführlich, wie man ihren Eltern, ihrem Herrn und der Hausfrau die Sache gesteckt hatte.

Katharina war ganz verzweifelt.

»Ach!« jammerte sie, »liebste Freundin, teure Schwester, was soll ich nur anfangen?! Wenn die Sache wirklich so offenkundig geworden ist, daß das ganze Haus davon weiß und alle darüber klatschen, dann ist doch mein Ruf, meine Stellung vollständig zugrunde gerichtet! Ratet mir, um Gottes willen, sonst bin ich verloren, und keine Frau auf Erden kann unglücklicher und verzweifelter sein als ich!«

Bei diesen Worten quollen bittere Zähren aus ihren Äuglein und rieselten in dichten Strömen über ihr lichtes, holdes Antlitz auf ihr Kleid hernieder. Ob dieses Anblickes war die brave Freundin tief ergriffen und suchte sie voller Teilnahme durch herzliche Worte zu trösten: »Liebste Schwester, wie kann man so töricht sein, darüber gleich solchermaßen außer sich zu geraten und in Schmerz zu versinken. Man kann Euch doch, Gott sei Dank, nicht das geringste vorwerfen, was Eure Ehre beflecken oder Eure Freunde in ein schlechtes Licht setzen würde. Wenn Ihr mit einem Edelmann von zärtlichen Neigungen gesprochen habt, so habet Ihr Euch doch damit noch nicht wider die Gesetze des Anstandes verstoßen; vielmehr habt Ihr damit nur den Weg beschritten und das rechte Mittel gebraucht, um zum Ziele Eurer Wünsche zu gelangen. Somit liegt nicht der geringste Grund vor, daß Ihr so verzweifelt tut, und keine Menschenseele kann und darf Euch im Grunde daraus einen Vorwurf machen. Immerhin wäre es gut, wenn Ihr ein paar dummen Redensarten die Spitze abbrächet, die man auf Kosten Eurer Liebe in die Welt gesetzt hat, und hierfür scheint es mir am zweckmäßigsten, daß Euer ergebenster Diener, der Herr Gerhard, in ganz unauffälliger Weise den edlen Herrn und seine Frau Gemahlin bittet, ihn huldvoll aus ihren Diensten zu lassen, damit er (es ist ja gleichgültig, welchen Grund er vorschiebt), sei es eine Reise in ein fernes Land unternehmen oder irgendwo an einem Kriege teilnehmen kann. Unter diesem Vorwande also soll er von hier verschwinden und in den Dienst eines anderen edlen Hauses eintreten, allwo er darauf harret, daß Gott und Amor Eure Angelegenheiten regeln. Hat er einen Posten gefunden, so wird er Euch das durch einen Boten wissen lassen, und durch den gleichen Boten könnt Ihr ihm Nachrichten zustellen. Inzwischen wird sich der Klatsch, der zurzeit herrscht, legen, derweil Ihr mit ihm durch Briefe in Verbindung bleibt und Euch verständigt, bis sich die Sache zum Besseren gewandt hat. Ich habe durchaus nicht den Hintergedanken, daß Eure Liebe deshalb zerstört werden wird und ein Ende nimmt; nein, sie wird nur mehr und mehr wachsen, denn seit langem schon konntet Ihr Euch mit ihm, wie er sich mit Euch, nur durch Blicke verständigen, und das ist keineswegs das beste Mittel, um sich klar und deutlich auszudrücken, auch nicht bei Leuten, die im Banne der Liebe stehen.«

Dieser wohlgemeinte, gute Rat der Edelfrau ward alsbald und schleunigst befolgt und ausgeführt: sowie Katharina die Möglichkeit fand, mit ihrem holdergebenen Gerhard zu sprechen, erzählte sie ihm in gedrängten Worten, wie ihr Liebesgeheimnis entdeckt und gleichermaßen ihren Eltern wie dem Herrn des Hauses und seiner Gemahlin mitgeteilt worden war. »Ihr könnt Euch denken,« fuhr sie fort, »wie es von den Lästermäulern und Klatschbasen durchgehechelt und hier im Hause wie bei der lieben Nachbarschaft breitgetreten worden ist, ehe es der Herrschaft zu Ohren kam. Maßen uns nun also das Schicksal so wenig hold ist, daß es uns nicht gestatten mag, weiter so glücklich dahinzuleben wie bisher; und maßen man uns droht, Ränke schmiedet und allerlei schlimme Pläne und Absichten gegen uns im Schilde führt, die wir durchkreuzen und meiden müssen, so ist es nötig und zweckmäßig, daß wir schnell einen guten Ausweg finden. Zudem ist die Lage für mich recht bedenklich und viel bedenklicher als für Euch; aber ich will Euch nicht erst des langen all die Gefahren schildern, die für mich daraus entstehen können, sondern Euch gleich meine Ansicht sagen.«

Und dann wiederholte sie ihm in wenig Worten den Rat und die Warnung ihrer wohlmeinenden Freundin. – Gerhard war die üble Wendung der Dinge schon nicht mehr ganz unbekannt, und der Gedanke, von seiner Angebeteten getrennt zu werden, schien ihm schlimmer denn ein Weltuntergang. So entgegnete er ihr folgendes:

»Edle, hochverehrte Herrin, Euer demütiger, fügsamer Knecht, der vor Euch steht, liebt nach Gott nichts so herzlich und aufrichtig wie Euch. Mir möget Ihr befehlen und heißen, was Euch nur immer gut scheint und in den Sinn kommt, – stets werde ich Euch rückhaltlos und von ganzem Herzen zu Diensten und gehorsam sein. Nur seid versichert, daß mir nichts Fürchterlicheres widerfahren kann, als wenn ich Eurer so heißgeliebten Person fernbleiben müßte. Ach, wenn es unabwendbar wäre, daß ich von Euch ließe, dann werdet Ihr (das sagt mir mein Herz, und ich bin ganz fest davon überzeugt) – dann werdet Ihr als erste Nachricht von mir die Mitteilung von meinem kläglichen, schwergepeinigten Hinscheiden vernehmen, das als natürliche Folge meines Fernseins mit tödlicher Gewißheit eintreten muß. Aber das kann ja alles nichts nützen: Ihr seid diejenige, Ihr seid die Einzige auf der Welt, der ich uneingeschränkt und bedingungslos gehorchen muß und will, und lieber möchte ich sterben, indem ich Euch gehorche, als fürder, und wäre es selbst für alle Ewigkeit, auf dieser Erde dadurch leben, daß ich Eure edlen Wünsche und Befehle nicht erfülle! Seht her: dieser mein Leib ist ganz der Eure! Zerschneidet, zerstückelt ihn, nehmet, reißt hinweg, tut mit ihm, was Ihr wollt und für gut haltet!«

Man braucht nicht darüber im Zweifel zu sein, daß Katharinas Herz sich vor Gram und Leid gar erschrecklich zusammenkrampfte, als sie ihren Freund solche Worte sprechen hörte, – als sie ihn, den sie doch über alles liebte, in so unbeschreiblicher Verzweiflung erblickte. Und hätte sie Gott nicht mit einer gewaltigen Menge Tugend sattsam und reichlich überschüttet und beschenkt, dann hätte sie ihm wahrhaftig den Vorschlag gemacht, gemeinsam mit ihm von dannen zu gehen. Aber da sie hoffte, daß die Dinge in kurzer Zeit sich zum Besseren wenden würden, so suchte sie ihm seine Gedanken auszureden und sprach daher:

»Teurer Freund, wenn Ihr hier fort müßt, so ist das nur etwas Unvermeidliches, eine Notwendigkeit, der man sich nicht entziehen kann. Drum bitte ich Euch: Vergesset mich nicht, die ich Euch mein Herze schenkte. Damit Ihr aber mit mehr Mut den grausamen, fürchterlichen Kampf übersteht, den Eure Einsicht und Vernunft durchfechten muß, um entgegen all Eurem Wollen und Wünschen den schmerzlichen Entschluß zum Siege zu bringen, daß Ihr von hinnen ziehn müßt, so versichere und verspreche ich Euch hoch und heilig, daß ich, so lange ich lebe, freiwillig und bereitwillig keinen andern Mann heiraten werde als Euch, das heißt, daß ich genau so unerschütterlich treu bleiben werde, wie Ihr es hoffentlich sein werdet. Und als Unterpfand für mein Versprechen nehmet hier diesen Ring, diesen güldenen Reif, darauf schwarze Tränen emailliert sind: sollte man den Versuch machen, mich anderweitig zu vermählen, dann werde ich mich mit allen Mitteln dagegen wenden und meinen Vorsatz, Euch anzugehören, so unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß Ihr mit mir zufrieden sein könnt! Daran könntet Ihr sehen, wie fest ich an meinem Versprechen halte, und daß ich nicht die Absicht habe, es zu brechen. Nur bitte ich Euch, daß Ihr mir sogleich Nachricht gebt, wenn Ihr irgendwo eine Stellung gefunden habt; und ich werde Euch dann umgehend antworten.«

»Ach, teuerste Herrin,« jammerte Gerhard, »ich sehe ja leider ein, daß alles nichts hilft: ich muß Euch verlassen! So flehe ich zu Gott, daß er Euch mehr Glück und Freude beschere, als mir vom Schicksal beschieden wurde. In der Überfülle Eurer Huld, deren ich so ganz unwürdig bin, habt Ihr mir ein Versprechen gegeben, das so hochgemut, so voller Seelengröße ist, daß ich außerstande bin, dafür auch nur hinreichend zu danken, geschweige denn, daß ich die Möglichkeit hätte, mich dessen würdig zu zeigen. So wisset wenigstens, daß ich von dieser beschämenden Überzeugung völlig durchdrungen bin, und wenn ich Euch das gleiche Versprechen zu geben wage, so flehe ich Euch voller Demut und von ganzem Herzen an: entnehmet daraus all meinen guten Willen und genüget Euch damit, gleich als ob ein weitaus würdigerer, verdienstvollerer Mann Euch so etwas versprochen hätte. Und nun lebet wohl, teure Herrin; meine Augen bitten darum, aussprechen zu dürfen, was mir in der Kehle steckenbleibt, wenn ich es in Worte zu kleiden suche.«

Bei diesen Worten küßte er sie, und sie gab ihm gar inniglich den Kuß zurück. Und dann enteilten beide auf ihre Zimmer, allwo sie ihrem Schmerze freien Lauf ließen. Gott allein weiß, wie ihre Zähren aus Augen, Herz und Seele strömten! Erst, als dann die Stunde kam, da sie drunten erscheinen mußten, bemühten sich beide, ihrem Antlitz, ihrem Munde einen freundlicheren Ausdruck zu verleihen und den bitteren Gram zu bergen, der aus ihrem Inneren quoll.

Um kurz zu sein: Gerhard ward bei seinem Herrn vorstellig und erreichte binnen weniger Tage die erstrebte Entlassung, ohne daß man ihm irgendwelche Schwierigkeiten in den Weg legte – dies nicht etwa, weil er sich dienstlich irgend etwas hatte zuschulden kommen lassen, sondern einzig auf Grund seiner Neigung zu Katharina und ihrer Liebe zu ihm. Damit waren nämlich alle unzufrieden, weil weder seine Abkunft, noch sein Vermögen bedeutend genug waren, um solche Bande zu rechtfertigen. Daß sie sich ihm anverlobt hatte, das konnte natürlich kein Mensch ahnen.

Maßen also nichts dazwischen kam, so reiste Gerhard ab und gelangte in einigen starken Tagereisen in die Barer Gegend, allwo er Unterkunft in dem Hause eines dortigen wohlangesehenen Freiherrn fand. Und sobald er dort in Dienst getreten war, sandte er einen Boten mit Nachrichten an seine Herrin, die darob voller Freuden ward und ihm in einem Briefe antwortete: wie es ihr erginge und wie fest sie entschlossen sei, ihm treu zu bleiben, solange er auch ihr in Treue anhinge.

Hierzu muß man wissen, daß unmittelbar nach Gerhards Abreise aus Brabant mehrere Edelleute, Reisige und Rittersleute sich an Katharina heranmachten und sich mit allen Mitteln um ihre Gunst und Huld bemühten. Solange Gerhard dort gewesen war, hatten sie sich zurückgehalten und auf alles Werben verzichtet; sie wußten ja ganz gut, daß jener sie ausstechen würde, weil das Mägdelein ihm wohlwollte. Und so kam es, daß nunmehro gleich mehrere bei dem Vater um die Hand seiner Tochter anhielten, und unter ihnen war einer, der dem Alten gar sehr zusagte.

Deshalb rief er seine Freunde und seine Tochter zu sich und schilderte ihnen, wie er doch nun schon hoch bei Jahren sei: wohl seine größte Freude wäre es, wenn er seine Tochter gut vermählt wüßte. Und weiter fuhr er fort:

»Nun ist so und so ein Edelmann zu mir gekommen und hat um meiner Tochter Hand angehalten. Ich habe nicht das geringste dawider einzuwenden, und wenn auch ihr mir zuredet und meine Tochter damit einverstanden ist, so will ich gern seiner ehrsamen und erfreulichen Bewerbung entsprechen.«

Alsbald lobten seine Freunde und Verwandten die Vorzüge eines solchen Ehebundes, sintemalen die Tugenden, der Reichtum und die sonstigen Vorzüge jenes Edelmannes über allem Zweifel erhaben waren. Als dann aber Katharinen die Frage vorgelegt wurde, ob sie ihn zum Manne haben wolle, da entschuldigte sie sich damit, daß sie überhaupt nicht heiraten wolle; zudem gab sie allerlei Erklärungen und Entgegnungen, mit denen sie die Gegenansichten zu entwaffnen und den Eheplan zum Sturze zu bringen hoffte. Aber am Ende ward sie so sehr in die Enge getrieben, daß sie sich um alle Zuneigung ihres Vaters, ihrer Mutter, ihrer verwandten und Freunde, selbst ihres Herrn und seiner Gattin gebracht haben würde, wenn sie länger an dem Versprechen festhielt, das sie ihrem treuen Gerhard gegeben hatte. Darum erdachte sie sich einen schlauen Plan, der alle die Ihren zufriedenstellen konnte, ohne daß sie sich deshalb gegen ihr Verlöbnis verstieß, und sie sagte:

»Mein hochverehrter Herr und Vater, mir liegt es durchaus fern, Euch auch nur im geringsten ungehorsam sein zu wollen. Aber ich habe meinem Herrgott ein Gelöbnis getan, und ihm schulde ich noch mehr Demut als Euch, vor ihm nämlich hatte ich gelobt, feierlich zugesagt und versprochen, – nicht etwa, daß ich mich nimmermehr vermählen will, sondern, daß ich noch nicht heiraten werde. Und um mein Seelenheil zu retten, muß ich mich gedulden, bis er mich in seiner Huld darüber belehrt, ob er mich lieber vermählt wissen will, oder unvermählt. Maßen ich nun keineswegs so eigensinnig bin, um unnötigen Streit herbeizuführen, wo sich das doch hier ganz gut vermeiden läßt, so habe ich auch nicht das geringste dawider (in den heiligen Stand der Ehe zu treten oder in einen andern, dafern Ihr es wünschen solltet) – dafern Ihr mir nur erlaubt, zum heiligen Nikolaus von Warengeville eine Wallfahrt zu unternehmen, da ich gelobt und zugesichert habe, eine solche zu unternehmen, ehe ich meine derzeitige Lebensstellung ändere.«

Solches sagte sie, um ihren Freund unterwegs zu sehen und ihm zu erzählen, wie man sie gegen ihren Willen zwänge und nötige. Als der Vater ihrer Gutwilligkeit inne ward und ihre kluge Antwort hörte, entsprach er sogleich ihrer Bitte. Und er wollte die Wallfahrt so schnell einrichten, daß er auf der Stelle und vor seiner Tochter zu seiner Gemahlin sagte:

»Der und der Edelmann wird sie begleiten, außerdem noch der und der; ferner Isabeau, Margarete und Johanna. Das dürfte als Gefolge genügen.«

»Ach, edler Herr,« meinte Katharina, »wenn es Euch recht ist, werden wir die Sache ganz anders einrichten. Ihr wißt, der Weg von hier nach St. Nikolaus ist nicht übermäßig sicher, zumal für Leute, die Gefolge haben und Frauen mit sich führen. Auch muß man bedenken, daß ein derartiger Aufwand große Kosten verursachen würde; das macht nur unnötiges Aufsehen, und trifft uns dann am Ende noch irgendein Mißgeschick, werden wir bestohlen oder ausgeraubt, oder wird – Gott behüte! – unsere Ehre angetastet, dann wäre der Jammer groß! vorbehaltlich Eurer Absichten scheint es mir am zweckmäßigsten, daß Ihr mir ein Mannesgewand anfertigen lasset und mich meinem Onkel, dem Bastard, anvertraut. Wir beide werden zwei einfache Pferdlein besteigen, viel schneller, viel sicherer und – viel billiger zum Ziele gelangen. Und wenn Ihr nichts Wesentliches dawider einzuwenden habt, dann würde ich die Wallfahrt solchermaßen viel mutiger antreten, als mit dem meinem Stande entsprechenden Aufwande.«

Der gute Alte dachte eine Weile über den Vorschlag seiner Tochter nach und besprach ihn auch mit seiner Frau. Und beide kamen zu der Einsicht, daß alles, was sie da gesagt hatte, gar vernünftig war und von den besten Absichten beseelt schien. Infolgedessen wurden schleunigst die nötigen Reisevorbereitungen getroffen; bald war alles bereit, und so machte sich die schöne Katharina nur mit ihrem Onkel, dem Bastard, ohne irgendwelches sonstige Gefolge auf den Weg.

Sie waren nach deutscher Art gar schön und kleidsam angetan, und zwar spielte Katharina den Herrn und der Onkel den Knecht. Sie legten täglich so bedeutende Strecken zurück, daß die Wallfahrt, wenigstens soweit sie sich auf den heiligen Nikolaus bezog, in wenigen Tagen beendet war. Als sie sich dann aber auf dem Rückwege befanden und voller Dankbarkeit zu Gott für den bisher so glücklichen Verlauf der Reise über dieses und jenes plauderten, da sagte Katharina zu ihrem Onkel:

»Lieber Oheim und teurer Freund, Ihr wisset wohl, wie es mit mir steht: ich bin Gott sei Dank die einzige Erbin meines Herrn Vaters, und so kann ich Euch in vielerlei Beziehung von Nutzen sein und Unterstützung bieten. Dazu bin ich auch von vornherein bereit, wenn ich einst die Erbschaft angetreten habe, dafern Ihr mir in einer unbedeutenden Angelegenheit, die ich vorhabe, beistehen wollet. Ich will nämlich das Haus eines Barer Freiherrn (sie nannte seinen Namen) besuchen, um dort Gerhard zu sehen, – Ihr wißt ja, wen ich meine. Damit wir, wenn wir heimkommen, etwas Neues erzählen können, wollen wir dort um Aufnahme im Hause bitten; und wenn es uns glückt, daß man unserem Ersuchen entspricht, werden wir dort einige Tage verbringen und uns die Gegend anschauen. Im Übrigen könnt Ihr versichert sein, daß ich meine Ehre so wohl schützen werde, wie sich das für ein tugendsam Mägdelein geziemt.«

Dem Oheim war die Hoffnung, daß es ihm in Zukunft besser gehen würde, sehr verlockend, und zudem war er von des Mägdeleins Tugend so überzeugt, daß er jede Aufsicht für überflüssig hielt. Darum erklärte er sich ohne weiteres damit einverstanden, ihr in allem zu Diensten zu sein und sie überallhin zu begleiten, wohin sie es begehrte. Das Mägdelein dankte ihm dafür aus vollem Herzen und vereinbarte mit ihm, daß er sie, seine Nichte, fortan Konrad nennen solle.

Sie langten, so wie man es ihnen angegeben hatte, reichlich früh bei ihrem Ziele an und wandten sich an den Hausmeister des Schloßherrn, dessen Schildknappe er einstmals gewesen war. Er empfing sie als fremde Gäste voller Aufmerksamkeit und mit viel Ehrenbezeugungen. Alsbald fragte ihn Konrad, ob sein Herr nicht geneigt wäre, einen jungen Edelmann in seinen Hausbestand aufzunehmen, der auf Abenteuer gelüstig sei und das Land kennen lernen wolle. Darob erkundigte sich der Hausmeister, aus welcher Gegend er stamme.

»Aus Brabant,« entgegnete Konrad.

»Sehr wohl,« meinte jener. »Ihr werdet nachher drinnen speisen, und nach dem Essen werde ich mit dem Herrn reden.«

Alsbald ließ er sie in ein prächtiges Zimmer geleiten, befahl, den Tisch zu decken und ein schönes Feuer anzuzünden, und dann wurde einstweilen in Erwartung des bevorstehenden Mittagessens Suppe, Hammelbraten und Weißwein aufgetragen. Hierauf begab er sich zu seinem Herrn und erzählte ihm, daß ein junger Edelmann aus Brabant angekommen sei, der gern in seine Dienste treten wolle. Der Herr war damit einverstanden, wenn es durchaus sein Wunsch sei.

Kurz und gut: nachdem der Hausmeister solchermaßen seine Pflicht erfüllt hatte, kam er wieder zu Konrad, um ihm beim Essen Gesellschaft zu leisten, und brachte zugleich den obenerwähnten wackeren Gerhard mit, weil selbiger ja gleichfalls aus Brabant stammte. Er stellte ihn vor mit den Worten:

»Hier bringe ich Euch einen Edelmann aus Eurer Heimat.«

»Ah, das trifft sich ja wunderschön,« entgegnete Konrad.

»Freilich – und ich heiße Euch herzlich willkommen,« begrüßte ihn Gerhard. Aber denkt euch nur: er erkannte seine Angebetete nicht, während sie ihn auf den ersten Blick erkannt hatte!

Derweile man die üblichen Begrüßungen austauschte, wurde das Fleisch aufgetragen, und dann wies der Hausmeister jedem seinen Platz an. Konrad konnte das Ende der Mahlzeit kaum erwarten, denn er hoffte mit seinem Verehrer gar eingehend und ergötzlich zu plaudern. Freilich nahm er an, daß jener ihn sofort erkennen würde, wenn er mit ihm spräche und von Brabant berichten würde. Aber diese Erwartungen sollten nicht in Erfüllung gehen. Denn während des ganzen Essens erkundigte sich der wackere Gerhard mit keinem Sterbenswörtlein nach irgendeiner Menschenseele in Brabant, weder nach einem Manne, noch nach einer Frau, also daß Konrad gar nicht wußte, was er davon denken sollte. Und als das Essen zu Ende war, ließ der Schloßherr den neueingetretenen Konrad in seinen Dienst einführen.

Der Hausmeister, der alle Obliegenheiten bis ins kleinste kannte, bestimmte, daß Gerhard und Konrad ein Zimmer zu zweit haben sollten, da sie Landsleute waren. Nachdem das dementsprechend angeordnet worden war, gingen Gerhard und Konrad Arm in Arm zu den Pferden, um den Stall zu besichtigen. Aber auch jetzt redete der verdammte Gerhard kein Sterbenswörtlein von Brabant, und nun ward der arme Konrad, das heißt die schöne Katharina, bereits von bangen Zweifeln gepeinigt. Denn ihr ward klar, daß er sie vergessen hatte, wie lästige Sünden, und daß sie ihm völlig gleichgültig war. Aber trotzdem schien es ihr unvermeidlich, daß er sie nach ihr oder doch zum wenigsten über die Herrschaften, bei denen sie wohnte, ausfragen würde, und darob war die Ärmste gar verzweifelt in ihrem Herzen, wenn sie es sich auch nicht merken ließ. Denn sie wußte nicht aus noch ein: sollte sie sich ihm sofort zu erkennen geben, oder lieber nicht, und ihn vielmehr durch listige Fragen auf die Probe stellen?!

Am Ende entschloß sie sich, die Rolle weiterzuspielen und die Maske nicht abzuwerfen, falls Gerhard so blieb, wie er sich jetzt zeigte. Der Abend verging wie die Mahlzeit, und dann gingen die beiden auf ihr Zimmer – plauderten von vielerlei, kamen aber mit keiner Silbe dem Gegenstand näher, der Konrad so auf der Seele brannte. Und als das Mägdlein endlich inne ward, daß Gerhard davon nicht reden würde, wenn man es ihm nicht in den Mund legte, fragte sie ihn, von wo in Brabant er stamme. Er antwortete so, wie es richtig war.

»Und kanntet Ihr dort den und den Edelmann, und die und die Dame, und den Soundso?«

»Beim heiligen Johann – freilich!« entgegnete er.

So fragte sie nach allen möglichen Leuten, zuletzt nach dem Schloßherrn, bei dem sie gewohnt hatten. Und er erwiderte, er kenne jenen sehr gut, aber er erwähnte mit keinem Worte, daß er bei ihm in Diensten gewesen war.

»Man sagte,« fuhr sie fort, »daß in seinem Hause sehr schöne Mägdelein wohnen sollen. Kennt Ihr einige von diesen?«

»Nur wenige, aber sie sind mir auch höchst gleichgültig! Laßt mich schlafen, ich sterbe vor Müdigkeit.«

»Wie denn – Ihr könnt schlafen, wenn man von Mägdelein redet? Ihr scheint für Liebesdinge wenig übrig zu haben!«

Er sagte kein Wort, sondern schlief ein, wie ein dickes Schwein. Und der armen Katharina war nun die Wahrheit schon kaum mehr zweifelhaft. Aber sie entschloß sich, ihn noch weiter auf die Probe zu stellen.

Als der nächste Morgen kam, kleideten die beiden sich an, und jeder sprach und plauderte von dem, was ihm am meisten am Herzen lag: Gerhard von Hunden und Falken, Konrad von den schönen Mädchen hier im Hause und in Brabant. Später, nach dem Essen, richtete es Konrad so ein, daß er Gerhard aus dem Kreise der andern fortzog, und begann ihm anzudeuten, daß Bar ihm bereits mißfiele; Brabant sei doch wahrlich ein viel hübscheres Land. Und indem er also redete, gab er ihm zu verstehen, daß sich sein Herz überstark nach Brabant hingezogen fühle.

»Aus welchem Grund?« erkundigte sich Gerhard. »Was gibt es denn in Brabant zu finden, was hier nicht zu sehen ist? Sind hier nicht prächtige Wälder zum Jagen, schöne Flüsse, hübsche, freie, fröhliche Ebenen, wie man sie sich nur wünschen kann, um sich an der Reiherbeize und sonstiger Jagd zu erfreuen?«

»Das will nicht viel besagen,« versetzte Konrad. »Die Frauen von Brabant sind halt ganz anders, und an denen liegt mir mindestens ebensoviel, wenn nicht noch mehr, als an eurer Jagd und Reiherbeize.«

»Beim heiligen Johann! Das ist doch ein ganz ander Ding,« erwiderte Gerhard. »Ihr scheint Euch ja ganz gehörig in Eurem Brabant verliebt zu haben, das merke ich schon.« »Mein Wort,« meinte Konrad, »Euch kann auch wirklich nichts entgehen! Ja, wahrhaftig, ich habe mich dort geradezu närrisch verliebt. Das ist auch der Grund, daß sich mein Herz ganz unerträglich nach dort hingezogen fühlt, und ich bin ziemlich bange, daß ich schließlich nicht anders kann und euer Bar verlassen muß. Denn ohne meine Angebetete zu sehen, würde ich auf die Dauer nicht leben können.«

»Das ist ja doch reiner Irrsinn,« erwiderte Gerhard. »Warum habt Ihr sie denn verlassen, wenn Ihr Euch so wankelmütig fühlt?«

»Wankelmütig, mein Lieber? Wo gibt's denn jemanden, der nie aus der Rolle des getreuen Liebenden fiele? Kein Mensch ist so klug und weise, daß er immer wüßte, was das Rechte ist. Amor raubt oft seinen Dienern allen Sinn und Verstand.«

Dies Wortgefecht verlief und endete gleichfalls, ohne daß sie weiter auf die kitzlige Frage eingingen, und so kam die Stunde des Abendessens. Und schließlich lagen sie bereits im Bett und rüsteten sich zum Schlafen, ohne ein neues Gespräch angeknüpft zu haben.

Immerhin könnt ihr glauben: Gerhard hätte sicherlich nichts als Schnarchen verlauten lassen, wenn Konrad nicht von neuem über ihn hergefallen wäre. Er begann also eine klägliche, lange, betrübte Jammergeschichte wegen seiner Dame zu erzählen, über die ich der Kürze halber hinweggehen will. Schließlich aber sagte er: »Ach, Gerhard, wie könnt Ihr nur den Wunsch haben, so neben mir einzuschlafen, der ich noch hell wach bin und die ganze Seele voller Gram, Kummer und Sorgen habe?! Es ist geradezu merkwürdig, daß Ihr auch nicht die Spur davon berührt werdet. Glaubt mir: handelte es sich um eine ansteckende Krankheit, dann würdet Ihr nicht so dicht neben mir liegen dürfen, ohne Ausschlag zu bekommen. Ach, ich bitte Euch: fühlt Ihr Euch auch nicht ergriffen, so wendet doch wenigstens ein klein wenig Teilnahme für mich auf. Ich werde ja gar bald sterben, wenn ich nicht schleunigst meine Liebste wieder erblicke.«

»Niemals sah ich einen so närrisch verliebten Kerl wie Euch,« versetzte Gerhard. »Glaubt Ihr, ich wäre nicht auch schon einmal verliebt gewesen? Ich weiß ganz genau, wie das ist, denn in dem Netz habe ich auch schon einmal gezappelt, das kann ich Euch versichern. So verbiestert freilich war ich nicht, daß ich darüber Essen und Trinken verlernte, das Schlafen vergaß und alle Fassung verlor, wie Ihr es jetzt tut. Wahrlich, Ihr seid verdreht und Eure Liebe ist eigentlich keinen Heller wert. Und glaubt Ihr etwa, daß es Eurer Dame ebenso geht? Gar nicht daran zu denken, verlaßt Euch darauf.«

»Ich bin ganz fest davon überzeugt,« entgegnete Konrad, »daß es doch so ist. Sie ist viel zu treu, um mich zu vergessen.«

»Ihr mögt sagen, was Ihr wollt,« meinte Gerhard, »ich glaube nicht, daß die Frauen treu genug sind, um in einen derartigen Zustand zu geraten. Und wer sich so etwas einbildet, ist ein Narr von Kopf bis zu Füßen. Ich habe genau wie jeder andere auch geliebt, und auch jetzt liebe ich eine recht zärtlich. Und um Euch die Wahrheit zu sagen: ich bin aus Brabant wegen einer Liebesgeschichte fortgegangen. Damals, als ich von dannen zog, stand ich bei einem sehr schönen, wackeren Edelfräulein in hoher Gunst und trennte mich nur mit tiefem Schmerz von ihr. Einige Tage ging es mir auch hart an die Nieren, daß sie mir aus den Augen entschwunden war. Freilich vergaß ich aber darüber nicht das Schlafen, Trinken und Essen wie Ihr. Als ich mich dann ihrer Nähe entrückt sah, wollte ich als Gegenmittel Ovids Rat befolgen. Deshalb machte ich mich, kaum daß ich hier in dies Haus gekommen und darin heimisch geworden war, an eines der schönen Mägdelein, die hier sind, heran, und ich habe es Gott sei Dank dahin gebracht, daß sie mir gar wohl will, und ich habe sie ebenfalls recht gern. Auf diese Weise habe ich mir die andere vom Halse geschafft, die ich vorher liebte, und jetzt ist es für mich nicht viel anders, als hätte ich sie niemals gesehen, so hat mich die jetzige Liebste davon abgebracht.«

»Wie ist es denn nur möglich,« verwunderte sich Konrad, »daß Ihr die andere so schnell vergessen und verlassen konntet, da Ihr sie doch aufrichtig geliebt habt? Ich für mein Teil kann so etwas nicht begreifen! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie so etwas möglich ist.«

»Es ist aber doch nun einmal so,« versetzte Gerhard. »Ihr müßt das eben, so gut Ihr könnt, begreifen.« »Das nennt man nicht gerade: die Treue halten,« erwiderte Konrad. »Ich für mein Teil möchte lieber, wenn ich es könnte, tausendmal sterben, als an meiner Geliebten solche Falschheit begehen. Und sicherlich läßt mich Gott nicht länger leben, wenn ich nicht den Willen und überhaupt keinen anderen Gedanken habe, als sie allein zu lieben und zu begehren.«

»Dann seid Ihr gar noch törichter,« versetzte Gerhard, »und wenn Ihr in diese Narrheit verrannt bleibt, wird Euch nie wohl sein. Ihr werdet nichts tun als sinnen und grübeln, werdet auf der Erde verdorren, wie eine schöne Pflanze im heißen Ofen, und werdet Euer eigener Mörder sein. Es geht Euch ja jetzt schon schlimm genug, und was dabei noch ärger ist: Eure Liebste wird nur über Euch lachen, im Falle Ihr das Glück haben solltet, daß es ihr zu Ohren kommt.«

»Ei, ei!« spottete Konrad. »Ihr habt es ja in Liebeserfahrungen recht weit gebracht! Drum bitte ich Euch, seid mir hier im Hause oder sonsten etwas zur Hand, wenn ich um die Liebe einer Dame werbe. Ich will doch sehen, ob ich ebenso wie Ihr geheilt werden kann.«

»Ich will Euch etwas sagen,« meinte Gerhard. »Ich werde Euch morgen mit meiner Liebsten plaudern lassen, und will ihr sagen, daß wir Gefährten sind, und daß sie bei ihrer Gefährtin ein gutes Wort für Euch einlegen soll. Und ich zweifle gar nicht: wollt Ihr wirklich, dann ist es immer noch zeitig genug, und Eure Träumerei, die Euch den Kopf verdreht, wird in kürzester Frist verscheucht sein, vorausgesetzt, daß Ihr keine Schwierigkeiten macht.«

»Hieße es nicht, meiner Geliebten den Eid brechen, dann würde ich keinen lebhafteren Wunsch haben,« entgegnete Konrad. »Aber immerhin will ich versuchen, wie es bei mir damit anschlägt.«

Bei diesen Worten hatte sich Gerhard herumgedreht, und alsbald war er eingeschlafen. Unsere holdselige Katharina aber brach schier unter der Wucht des Ungemaches zusammen, als sie die Treulosigkeit dieses Mannes, den sie über alles liebte, sah und hörte. Ja, sie wünschte sich den Tod herbei. Aber sie warf alle weibliche Zimperlichkeit von sich und rüstete sich mit männlichem Mute. Denn sie besaß Standhaftigkeit genug, am nächsten Tage des langen und breiten mit dem Mägdelein zu reden, die ihr das ärgste Leid antat, das sich erdenken läßt. Ja. sie wappnete sogar ihr Herz und zwang ihre Augen, Zeugen etlicher Zärtlichkeiten zu sein, die sich zu ihrem Schaden, zu ihrer tödlich-quälenden Pein abspielten.

Als sie dann mit seiner Liebsten plauderte, bemerkte sie bei ihr den Ring, den sie selbst ihrem treulosen Verehrer einst gegeben hatte, und das verschärfte noch ihren Schmerz. Aber ihr glühender Wunsch, diesen Ring wieder in Besitz zu bekommen, raubte ihr nicht die Vernunft. Vielmehr fand sie eine nette, reizende Form, um ihn sich anzusehen und dabei an den Finger zu stecken. Und als ihr das gelungen war, verabschiedete sie sich und ging hinweg, als ob sie nicht mehr daran dächte. Sobald dann das Abendessen vorbei war, kam sie zu ihrem Oheim und sagte:

»Wir sind lange genug Barer Mannen gewesen, und es ist Zeit, daß wir uns davonmachen. Seid morgen bei Tagesanbruch bereit, ich werde es auch sein. Kümmert Euch nur darum, daß all unser Gepäck in Ordnung und aufgeschnallt ist. Und kommt nur, so früh Ihr irgend mögt.«

»Alles soll so vorbereitet sein, daß Ihr nur aufzusteigen braucht!« versetzte der Oheim.

Hört nun weiter: Während Gerhard nach dem Abendessen mit seiner Angebeteten plauderte, kam die andere, die vordem seine Herzliebste gewesen war, in sein Zimmer und begann in einem Briefe des langen und breiten zu schildern, wie sie und Gerhard ineinander verliebt gewesen waren, was für Versprechungen sie einander bei der Trennung gemacht hatten, wie man sie hatte vermählen wollen, wie sie das abgelehnt und diese Wallfahrt unternommen hatte, um ihren Eid zu erfüllen und ihm ihre Hand zur Ehe zu bieten.

Dann beschrieb sie, wie sie ihn in Treulosigkeit so tief verstrickt gefunden hatte, derart, daß er ihr die Treue in Worten sowohl wie in Taten und krassester Wirklichkeit gebrochen habe. Sie halte sich also in Anbetracht all dieser oben angeführten Gründe ihres Eides und Versprechens, das sie ihm einst gegeben habe, für ledig und entbunden. Nun zöge sie wieder in ihr Land zurück und wünsche, ihn niemals mehr zu sehen, noch ihm zu begegnen, da er offenbar der treuloseste Mann sei, der sich je an eine Frau herangemacht habe. Sie nähme auch den Ring mit, der ihm einst von ihr geschenkt worden sei. Denn er habe ihn an die Hand einer Fremden gesteckt. Freilich dürfe er sich rühmen, drei Nächte Seite an Seite mit ihr geschlafen zu haben, und das könne er ruhig tun, denn sie fürchte ihn nicht. So schreibe sie mit der Handschrift, an der er sehr gut den Verfasser erkennen könne. Und darunter stand: »Katharina usw., die auch den Namen Konrad trägt«, und auf der anderen Seite: »An den treulosen Gerhard usw.«

In der Nacht schlief sie nur wenig, und sobald sie den Tag anbrechen sah, erhob sie sich ganz sacht, kleidete sich an, ohne daß Gerhard erwachte, nahm ihren Brief, den sie verschlossen und versiegelt hatte, und steckte ihn in den Ärmel von Gerhards Wams. Dann empfahl sie ihn leise Gott und weinte dabei gar zärtlich, denn der hinterlistige Streich, den er ihr gespielt hatte, schmerzte sie namenlos. Gerhard aber schlief weiter und erwiderte kein Wort.

So kam sie zu ihrem Oheim, der ihr Pferd heranführte, stieg auf und trabte derart frisch darauf los, daß sie bald nach Brabant zurückkam. Hier wurden sie, weiß Gott, voll Freude mit offenen Armen empfangen. Natürlich wurden sie auch über die Begebnisse ihrer Reise ausgefragt. Aber in all ihren Antworten hüteten sie sich, den wichtigsten Vorfall zu erwähnen. Nun zu Gerhard und zu dem, was ihm geschah, als der Tag von Katharinas Abreise herangebrochen war. Gegen zehn Uhr erwachte er und bemerkte, daß sein Gefährte schon auf war. Er sagte sich, daß es wohl schon spät sei, sprang in aller Hast auf und griff nach seinem Wams. Als er nun in den einen Ärmel fahren wollte, fiel ein Brief heraus, was ihn höchlich verwunderte, denn er erinnerte sich nicht, dort ein Schreiben hineingesteckt zu haben. Er nahm ihn also auf und sah, daß er verschlossen war. Und hinten drauf stand geschrieben: »An den ungetreuen Gerhard usw.«

War er schon zuvor verblüfft gewesen, so war er es nun noch vielmehr. Schließlich machte er ihn auf und sah die Unterschrift an, die da lautete: »Katharina, die auch den Namen Konrad trägt.«

Er wußte nicht, was er denken sollte. Er las aber doch den Brief, und während er ihn las, stieg ihm das Blut zu Kopfe, sein Herz erzitterte, sein ganzer Körper geriet in wilde Erregung, und er wechselte die Farbe. War aber die Sache auch noch so schlimm, – er las den Brief halt zu Ende, und daraus entnahm er, daß seine Treulosigkeit dem Mägdelein bekanntgeworden war, ihr, die so von ganzem Herzen an ihm gehangen hatte. Und sie hatte es nicht etwa durch den Bericht irgendeines Dritten erfahren, sondern sie selbst mit eigenen Augen hatte sich die Gewißheit verschafft.

Was ihm aber am allermeisten zu Herzen ging, war der Umstand, daß er drei Nächte mit ihr zusammen geschlafen hatte, ohne sie für die Mühe zu belohnen, die sie auf sich genommen hatte, indem sie aus so weiter Ferne herbeigeeilt war, um ihn auf die Probe zu stellen.

Wutschnaubend knirschte er mit den Zähnen, und er tobte schier vor Wut, als er sich derart hineingefallen sah. Nachdem er lange hin und her überlegt hatte, fand er keinen anderen Ausweg, als ihr nachzueilen. Ja, er war ganz gewiß, daß er sie wieder erringen würde. So nahm er denn Abschied von seinem Herrn, machte sich auf den Weg und folgte den Spuren ihrer Rosse. Aber die hatten nicht eher Halt gemacht, bis sie in Brabant angelangt waren, und da traf er gerade zur rechten Zeit ein: denn er kam am Tage der Hochzeit des Mägdeleins an, das ihn auf die Probe gestellt hatte. Er glaubte, er dürfe zu ihr gehen, sie küssen und begrüßen und seine Fehltritte jämmerlich entschuldigen. Aber das duldete sie nicht. Sie drehte ihm den Rücken zu, und weder an diesem ganzen Tage noch weiterhin fand er jemals Mittel und Wege, mir ihr irgendwie zu sprechen. Selbst als er eines Tages zu ihr hintrat, um sie zum Tanze zu führen, schlug sie ihm es laut vor allen Leuten ab, was gar vielen auffiel. Alsbald kam ein andrer Edelmann hinein, hieß die Spielleute aufspielen, trat zu ihr, und sie ging vor Gerhards Augen mit jenem hinab zum Tanze.

So also kam der treulose Mann um seine Zukünftige. Und wenn es mehr solche Leute gibt, dann sollen sie sich an diesem Beispiel eine Lehre nehmen. Es ist bekannt genug, und die Geschichte hat sich ja erst kürzlich zugetragen.


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