Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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96. Die Mäuse

»Ach, Schwester, weißt du schon? Ein Leck hat sich gezeigt«,
sprach eine Maus zur andern mit Emphase,
»das Wasser ist im Raum,
ich rettete mich kaum,
es stieg mir schon bis an die Nase.«
(Doch waren in der Tat erst kaum die Pfoten naß.)
»Es ist kein Wunder auch, der Kapitän
säuft ohne Unterlaß,
die Mannschaft will nur müßiggehn,
von Ordnung keine Spur zu sehn.
Ich habe laut genug gepiept,
daß es ein Unglück gibt
und daß das Schiff muß sinken,
wenn man nicht tut, was sich gebührt.
Glaubst du, man folgte meinen Winken?
Kein Mensch hat sich gerührt,
als schickt' ich große Lügen in die Welt.
Und doch ist die Gefahr
ganz sonnenklar;
wenn man sich an den Raum nur stellt,
sieht man, daß unser Schiff sich keine Stunde hält.
Wozu denn sollen wir mit ihnen sterben?
Komm rasch vom Schiffe fort,
wir retten uns noch vom Verderben,
wer weiß, wie nahe schon die Küste!«
Die schlauen Mäuslein springen über Bord
und – sie ersoffen in der Wasserwüste.
Derweil das Schiff, von kluger Hand geführt,
den Port erreicht, von Schaden unberührt.

Ich höre schon den Leser fragen:
Wie war's denn mit dem Leck?
Was ist vom Kapitän und seinem Volk zu sagen?
Das Leck war winzig klein
und war beseitigt auf dem Fleck;
das andre – waren lauter Klatscherein.


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