Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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74. Der Kessel und der Topf

Mit einem Kessel hatte einst geschlossen
ein Topf ein enges Freundschaftsband.
Der Kessel freilich ist von höhrem Stand;
doch das bekümmerte nicht die Genossen.
Nein, für den Freund steht ein der Kessel männlich,
der Topf fühlt sich beim Freunde gar nicht klein;
sie können ohn' einander nicht mehr sein,
von früh bis spät sind beide unzertrennlich.
Sie mögen auch am Feuer nicht alleine stehn,
man kann es täglich sehn,
wie miteinander sie den Herd beschreiten
und auch vom Herd hinunter sich begleiten.
Einst fiel's dem Kessel ein, die Welt zu sehn;
der Freund wird eingeladen mitzugehn.
Nun, unser Topf verläßt den Kessel nicht,
es wäre ja auch gegen Freundespflicht.
So setzen sie sich auf denselben Karren
und fahren ab. Man hört es knarren
auf holperigem Wege,
so daß die beiden unsanft sich berühren.
Es geht nun über ungebahnte Stege,
bergauf, bergab,
im Trab;
der Kessel tat nicht viel davon verspüren,
doch Töpfe sind ja schwach nur von Natur und zart,
und jeden Stoß empfand der Topf gar hart.
Trotzdem denkt er nicht dran, zurückzubleiben,
denn er, der irdne Topf, ist hoch erfreut,
daß die Gelegenheit sich beut,
sich mit dem Eisenkessel umzutreiben. –
Welch eine Reiseroute beide nahmen,
wie weit sie kamen,
ich weiß es nicht, denkt euch das nach Belieben.
Doch so viel ist gewißlich wahr,
daß heil nach Hause kam der Kessel zwar,
vom Topfe aber nur die Scherben blieben. – –
Der Fabel Sinn macht euch zu schaffen schwerlich:
Für Lieb' und Freundschaft ist die Gleichheit unentbehrlich.


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