Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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15. Hundefreundschaft

Im Hofe, unterm Küchenfenster, lagen
bequem am sonn'gen Orte
der Phylax und der Karo voll Behagen,
statt draußen vor der Pforte
mit Wachehalten sich zu plagen.
Getafelt haben sie,
und weil ja wohlerzogne Hunde
bei Nacht nur bellen, doch am Tage nie,
so wollen sie zur guten Stunde
plaudern von allerlei, was sittlich und was schändlich,
von Lust und Leid und von der Freundschaft endlich.
»Was könnte wohl«, sagt Phylax, »mehr erfreun,
als mit dem Freund ein Herz und eine Seele sein,
in allem sich einander dienen,
nicht ohne Freund zu schlafen noch zu prassen
und füreinander Leib und Leben lassen!
Man liest einander von den Mienen,
wie man, der Stunde Glück recht fest zu fassen,
den Freund ergötzen kann und laben,
in seinem Wohl die höchste Wonne haben.
Wenn wir zum Beispiel hier sofort
solch eine Freundschaft schlössen,
wir würden, auf mein Wort,
nicht merken, wie die Stunden uns verflössen.« –
»Topp! Ja, so soll es sein«,
fällt Karo rasch hier ein,
»schon lang, mein Phylax, macht mir's Pein,
daß wir, desselben Hofes Hüter,
nicht einen Tag verbringen ohne Zank.
Und wüßt' ich nur, warum? Dank dem Gebieter,
es fehlt uns nicht an Speis und Trank,
wir haben Dach und Fach.
Fürwahr, es ist 'ne Schmach!
Als Freundschaftsmuster gilt der Hund schon lang,
doch scheint's, zu Menschen nur zieht ihn sein Drang,
denn unter Hunden, ach, ist Freundschaft nicht im Schwang.« –
»Gut, stellen wir ein Muster auf«,
ruft Phylax nun: »Die Pfote drauf!«
Und gleich ist es getan,
man sieht die neuen Freunde sich umfahn,
sich küssen und sich drücken,
sie wolln sich auch, gerührt, mit alten Namen schmücken.
»Mein Phylades!« – »Orest!« – »Nie mehr ein neid'scher Strauß!«
Da geht das Fenster auf, ein Knochen fliegt heraus.
Die neuen Freunde stürzen sich drauf los –
soll so der schöne Bund zerreißen?
Seht wie Orest und Phylades sich beißen;
die Haare stieben fort in Fitzen,
man muß, zu trennen sie, mit Wasser sie bespritzen.

Von solcher Freundschaft wimmelt's in der Welt.
Mit Freunden ist es öfter so bestellt:
In Worten sind sie stets auf innigste verbunden,
wirf einen Knochen hin, so geht's wie mit den Hunden.


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