Iwan Andrejewitsch Krylow
Fabeln
Iwan Andrejewitsch Krylow

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37. Die Gänse

Mit seinem langen Stabe
trieb Gänse einst ein Bauer in die Stadt
und hetzte sie zu raschem Trabe.
Die Tiere waren zwar schon matt,
allein er will den Markttag nicht verfehlen,
und wo Gewinn steht auf dem Spiel,
fragt man nach Gans und auch nach Mensch nicht viel.
Ich werde drum nicht auf den Bauer schmälen,
allein der Gänse Standpunkt ist ein andrer;
und da jetzt nahe kommt ein Wandrer,
erhebt die mißvergnügte Herde
bei ihm Beschwerde:
»Gibt es ein härteres als unser Los?
Der Bauer da springt mit uns um,
als wären wir gemeine Gänse bloß,
er ist zu dumm,
um einzusehn, daß Achtung uns gebührt,
da unser Stammbaum sich datiert
von jenen Gänsen, die einst Rom gerettet,
wofür man Feste ihnen hat votiert.« –
»Sagt mir, wofür ihr gerne Ehre hättet?«
so fragt der Wanderer. – »Ja, unsre Ahnen . . .« –
»Ich weiß, ich las es, doch ich möcht' erfahren,
welch ein Verdienst ihr schreibt auf eure Fahnen?« –
»Gerettet haben unsre Ahnen Rom
vor vielen hundert Jahren,
als schon der Feind erklomm den Felsendom . . .« –
»Ganz recht, doch welches sind denn eure Taten?« –
»Wir selber taten nichts.« – »So laßt in Ruh
die Ahnen; ihnen kam wohl Ehre zu,
ihr aber, Freunde, taugt doch nur als Braten.«

Zu dieser Fabel wüßt' ich manche Glossen –
allein ich will die Gänse nicht erbosen.


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