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Viertes Kapitel.

Am nächsten Tage verbrachten Oskar und Helga viele Stunden damit, einen Rundgang von Antrittsbesuchen zu machen, während Thora, die sich noch angegriffen fühlte, zu Hause blieb und einige ihrer alten Schulfreundinnen empfing. Eine derselben, die Schönheit des Tages ihrer Zeit, hatte einen fünfzehn Meilen entfernt wohnenden Pachtbauern geheiratet und ihm drei Kinder geboren. Alles hieß jetzt nur Arbeit, Arbeit, Arbeit für sie, und aus dem einstmals fröhlichen Mädchen war eine Sklavin geworden.

»Ah, Thora, wie glücklich kannst du sein, daß du nicht Magnus geheiratet hast,« sagte sie.

»Meinst du?« sagte Thora.

»Gewiß ja, Thora. Und jedermann sagt, daß Oskar einmal ein ganz hervorragender Mensch werden wird.«

Es war die Zeit der Frühlingsmesse, und Magnus, der den Ertrag seiner Arbeit beim Faktor abgeliefert hatte, kam später am Nachmittag noch selbst. Thora erschien er sehniger und kolossaler denn je, auch konnte sie ihre Augen nicht dagegen verschließen, daß seine Hände gröber und seine Nägel nur gerade der Breite nach abgeschnitten waren. Seine Stimme aber klang ebenso sanft wie sie es früher getan hatte, und er schien schüchtern, sogar nervös.

Es dämmerte schon, als er ins Zimmer trat und, ihr forschend ins Gesicht schauend, wohl dreimal hintereinander fragte, ob es ihr gut gehe, bis sie ihm lachend ein und dieselbe Antwort unaufhörlich wiederholte. Darauf lachte auch er, und dann wurden sie ganz gut Freund miteinander und tauschten gegenseitig ihre Neuigkeiten aus.

Silvertop sei in guter Verfassung und in seinem Sommerfell und sähe prächtig aus. Er sei in der Tat in nur zu gutem Stande und zu übermütig und müßte ein wenig geduckt werden, ehe Thora ihn wieder reiten könnte. Ah – nun augenblicklich würde sie ihn ja auch nicht gebrauchen – nicht gerade jetzt – und deshalb wäre es wohl das beste, daß Magnus den Bösewicht noch etwas länger auf dem Pachthof behielte.

»Wie lange ihr aber fort gewesen seid,« sagte Magnus.

»Ja, nicht wahr?« sagte Thora. »Fünf – beinahe sechs Monate.«

»Sechs Monate werden es nächsten Dienstag in acht Tagen,« sagte Magnus.

Darauf wurden beide verlegen, und Thora legte ihm einige von Helga auf der Reise aufgenommene Photographien vor.

»Wie schön! wie herrlich!« sagte Magnus. »Ich wundere mich nur, daß euer Schiff nicht leck wurde, wie man zu sagen pflegt, ehe es euch in den Hafen zurückbrachte. Es muß ein gutes Stück Geld gekostet haben, alle diese Plätze zu besuchen.«

»Das muß es,« sagte Thora, »reisen ist so teuer – besonders wenn man für mehr als eine Person zu zahlen hat.«

»Und da war Helga noch,« sagte Magnus.

»Ja, gewiß, da war Helga. Aber die Schecks, die der Gouverneur und der Faktor Oskar schenkten, scheinen für uns alle gereicht zu haben.«

»Dennoch kann ich nicht begreifen, wie er daraus alles hat bestreiten können.«

»Nein, das scheint unbegreiflich, nicht wahr?«

»Venedig! Rom! Monte Carlo! Welch eine Freude euch die Reise gemacht haben muß!«

»Oskar ja – jeder einzelne Tag.«

»Und dir, Thora?«

»Ich bin keine gute Reisende – das viele Sehen ermüdet mich, und wenn es nicht Helgas wegen gewesen wäre –«

»So tut es dir also nicht leid, Helga mitgenommen zu haben?«

Thora zögerte mit der Antwort und sagte dann: »Helga konnte mit Oskar umhergehen und die Sehenswürdigkeiten sehen, wenn ich im Hotel bleiben mußte.«

»Fühltest du dich aber nicht einsam, während sie fort waren?«

»Vielleicht – zuweilen – gerade ein klein wenig – da ich so viel allein und zwischen lauter fremden Gesichtern war.«

Magnus, der ganz in die Photographien vertieft schien, sagte, fast unbewußt: »Armes, kleines Wesen!«

Darauf stieg die Notflagge Thora wieder ins Gesicht, und sie antwortete hastig: »O, es war meine eigne Schuld. Oskar wollte stets bei mir bleiben, und wenn es nicht um Helgas willen gewesen wäre –«

Es kam ihr etwas in die Kehle und sie mußte innehalten, worauf Magnus sagte:

»Und ich hoffte, du würdest so glücklich sein!«

Dann aber kam Anna mit der Lampe, und das Licht löste die Spannung, doch nun, da Magnus die Photographien deutlich hätte sehen können, legte er sie nieder, und Thora tat sie fort.

Er ging, da er einen langen Ritt vor sich hatte, früh weg, und Anna begleitete ihn bis an die Türe.

»Ist Thora ganz wohl?« fragte er im Flüstertone.

»So wohl wie man es unter den Umständen erwarten kann,« sagte Anna.

»Und ist Oskar gut gegen sie?«

»Gut? Oskar? Weshalb in aller Welt solltest du diese Frage stellen, Magnus?«

»Sie sieht so bleich, so bedrückt aus.«

»O, das ist oft der Fall mit jungen Frauen in ihren Umständen. Hast du denn nichts bemerkt, nichts Besonderes? Unsere Thora wird in nicht langer Zeit Mutter werden.«

»Und sonst fehlt ihr weiter nichts?« fragte Magnus.

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