Emile Gaboriau
Der Strick um den Hals
Emile Gaboriau

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Drittes Buch

24

Während dieser Zeit war die Stimmung in der Rue de la Montagne sehr bedrückt. Seit acht Uhr morgens erwarteten die Tanten Lavarande, die Marquise von Boiscoran, Herr von Chandoré und der Anwalt Folgat im Salon vereinigt das Resultat der Unterredung Magloires mit Jacques. Fräulein Denise erschien erst viel später, und Großvater Chandoré konnte sich die Bemerkung nicht versagen, sie sei sehr von ihrer Toilette in Anspruch genommen worden.

»Es gilt nun, Jacques zu sehen«, erwiderte Denise mit einem Lächeln, in welchem Vertrauen und Freude sich spiegelten.

In der Tat war sie überzeugt, daß es nur eines Wortes von Jacques an seinen Anwalt bedürfe, um die ganze Untersuchung niederzuschlagen und triumphierend am Arme Magloires das Gefängnis verlassen zu können.

Die übrigen teilten dieses hochfliegende Vertrauen nicht. Die Tanten Lavarande, die gelber aussahen als ihre alten Spitzen, hielten sich still in einer Ecke, Frau von Boiscoran kämpfte mit ihren Tränen, und Herr Folgat tat sein möglichstes, um in die Betrachtung einer Stahlstichsammlung vertieft zu scheinen. Großvater Chandoré, der weniger Meister seiner selbst war, schritt, die Hände auf dem Rücken, im Salon auf und ab und wiederholte alle zehn Minuten:

»Es ist unglaublich, wie einem die Zeit lang wird, wenn man wartet.«

Um zehn Uhr noch nichts Neues!

»Herr Magloire hat doch nicht am Ende gar seine Zusage vergessen?« bemerkte Denise voll Unruhe.

»Nein, das hat er nicht!«

Diese Antwort kam von Herrn Sénéchal, der soeben eintrat und mitteilte, daß er vor einer Stunde Herrn Magloire in der Rue nationale begegnet sei und nun komme, um für sich selbst oder vielmehr für Frau Sénéchal einige Erkundungen einzuziehen, da seine Frau seit vierundzwanzig Stunden vor banger Erwartung förmlich krank sei.

Es schlug zwölf Uhr. Die Marquise von Boiscoran erhob sich.

»Die Ungewißheit ertrage ich keine Minute mehr«, rief sie, »ich gehe ins Gefängnis!«

»Und ich begleite Sie, liebe Mutter«, erklärte Denise.

Aber ein solcher Schritt erschien nicht gerechtfertigt; Herr von Chandoré bekämpfte ihn und wurde darin von den Herren Sénéchal und Folgat unterstützt.

»Man könnte wenigstens jemanden hinschicken«, schlugen die Tanten Lavarande bescheiden vor.

»Das ist eine Idee!« bekräftigte Papa Chandoré.

Er klingelte, und herein trat der alte Antoine, Jacques' Diener, welcher seit der Beendigung der Untersuchung Schloß Boiscoran verlassen hatte und nach Sauveterre gekommen war.

Es wurde ihm gesagt, was man von ihm erwarte.

»Noch vor Ablauf einer halben Stunde bin ich wieder zurück«, sagte er.

Fast im Laufschritt ging er die Rue de la Montagne hinab, durchschritt die Rue nationale und erreichte dann die Rue du Château.

Als Blangin, der Gefängniswärter, ihn bei sich eintreten sah, wurde er ganz blaß. Dieser Bedauernswerte fand keine Ruhe mehr, seitdem er von Fräulein Denise siebzehntausend Francs in Gold empfangen hatte. Er, der sonst der Freund der Gendarmen gewesen war, zitterte jetzt, wenn der Wachtmeister im Gefängnis erschien. Nicht etwa, daß er Gewissensbisse über die Verletzung seiner Pflicht empfunden hätte; aber er fürchtete die Entdeckung.

Schon mehr als zehnmal hatte er das Versteck des Strumpfes gewechselt, der seinen Schatz enthielt; aber wohin er diesen auch verbarg, stets kam es ihm vor, als wenn die Blicke seiner Besucher sich immer der Stelle zuwendeten, wo seine Goldstücke sich befanden.

Er beruhigte sich jedoch wieder, als Antoine ihm den Zweck seines Kommens erklärt hatte, und empfing ihn mit der größten Höflichkeit.

»Herr Magloire«, sagte er ihm, »ist seit neun Uhr hier. Ich habe ihn sogleich in die Zelle des Herrn von Boiscoran geführt, und seitdem unterhalten beide sich immer noch –«

»Sind Sie dessen sicher?«

»Natürlich. Ich muß doch wissen, was in meinem Gefängnis vorgeht. Ich habe schon etwas zu hören versucht, aber es dringt nichts verständlich bis auf den Korridor. Sie haben das Guckloch verschlossen, und die Tür ist sehr dick.«

»Hm, das ist seltsam«, murmelte der alte Diener.

»Jawohl, und ein schlechtes Zeichen dazu«, erklärte der Gefängniswärter mit sehr verständlichem Gesichtsausdruck. »Ich habe immer die Beobachtung gemacht, daß diejenigen Gefangenen, welche sich mit ihren Verteidigern so lange unterhalten, stets mit dem strengsten Urteil belegt werden.«

Der alte Antoine berichtete nach seiner Rückkehr nichts von der traurigen Erfahrung des Gefängniswärters, aber was er über die lange Dauer der Unterredung melden konnte, bestärkte die schlimmsten Vermutungen.

Von Denises Wangen waren allmählich die heiteren Farben gewichen, und mit einer Stimme, deren reiner Klang durch Tränen getrübt war, sagte sie, daß sie vielleicht besser getan hätte, Trauerkleider anzulegen, und daß die versammelte Familie ihr vorkomme, als wolle sie eine Leichenfeier begehen.

Die plötzliche Ankunft des Doktors Seignebos schnitt ihr das Wort ab.

Er war, wie immer, in erregter Stimmung und grüßte niemanden, wie es seine Gewohnheit war. Aber kaum über die Schwelle, rief er heftig: »Einfältiges Nest, dieses Sauveterre, Stadt des Klatsches und der Schwätzer, der Maulaffen und der Aushorcher! Es ist um sich zu verstecken, um davonzulaufen, um zu fliehen! Mindestens zwanzig neugierige Unverbesserliche sind heute schon unter dem Vorwande, daß ich ihr Arzt sei, bei mir erschienen, um zu erhorchen, wie die Sache mit Herrn von Boiscoran steht. Denn die ganze Stadt ist in Unruhe . . . die ganze Stadt weiß, daß Magloire im Gefängnis ist, und jeder möchte zuerst erfahren, was die beiden einander zu sagen haben.«

Er hatte seinen Hut mit der ungeheuerlich breiten Krempe auf den Tisch gelegt und ließ seinen beunruhigten Blick im Salon umherschweifen.

»Nun, und hier weiß man noch nichts?« fragte er.

»Nichts«, erwiderten gleichzeitig Herr Sénéchal und Herr Folgat.

»Und diese Ungewißheit ist uns entsetzlich«, fügte Denise hinzu.

»So? Warum das?« fragte der Doktor.

Und indem er zurücktrat und heftig gestikulierend an seinen Brillengläsern putzte, fuhr er fort:

»Glauben Sie denn, mein wertes Fräulein, daß die Angelegenheit des Herrn Jacques von Boiscoran sich in fünf Minuten abtun läßt? Wer Ihnen das beigebracht hat, ist sehr falsch unterrichtet gewesen . . . Ich, der keinerlei Rücksichten nimmt, will Ihnen alle meine Gedanken sagen . . . Im Hintergrund der bekannten Ereignisse von Valpinson spielt irgendeine finstere Intrige, die nicht leicht zu entwirren ist. Ganz gewiß werden wir die Sache herausbekommen, aber ich glaube, daß dies noch viel Mühe kosten wird . . .«

Ein Diener meldete den Anwalt Magloire an. Dieser trat ein. Er erschien so niedergeschlagen, und seine Züge trugen so tief die Merkmale einer großen Bewegung, daß alle denselben entsetzlichen Gedanken hegten, welchem Denise Worte gab.

»Jacques ist verloren!« rief sie erbebend.

Der Anwalt Magloire sagte nicht direkt nein.

»Ich halte seine Lage für gefahrvoll«, bemerkte er aber.

»Jacques! . . . mein Sohn!« stöhnte die Marquise von Boiscoran mit gepreßter Stimme.

»Ich habe gesagt, seine Lage sei gefährlich«, fuhr Herr Magloire fort; »aber seltsamerweise muß ich hinzufügen: sie ist so außer aller Vorstellung und von einer solchen Natur, daß sie alle unsere Voraussichten zunichte machen muß . . .«

»Sprechen Sie. Herr Magloire!« rief Frau von Boiscoran.

Der Anwalt von Sauveterre ließ eine außerordentliche Verlegenheit erkennen, namentlich trafen seine Blicke mit sichtbarer Angst Fräulein Denise und die Tanten Lavarande. Aber niemand schien dies zu bemerken oder zu verstehen. Er war daher genötigt, einen Schritt weiterzugehen.

»Ich halte es für nötig, mit diesen Herren allein zu bleiben«, sagte er.

Willig erhoben sich die Tanten und schritten der Tür zu, während die Marquise und Denise, die fast einer Ohnmacht nahe schienen, langsam folgten. Und kaum hatte die Tür sich hinter den Damen geschlossen, so sprach Herr von Chandoré mit schmerzlichem Ausdruck:

»Ich danke Ihnen, Herr Magloire, daß Sie mir Zeit verschaffen, mein armes Kind auf den furchtbaren Schlag vorzubereiten . . . Denn ich habe nur zu wohl verstanden, daß Jacques schuldig ist.«

»Bitte um Verzeihung«, unterbrach ihn der Anwalt; »ich habe nichts dergleichen gesagt . . . Herr von Boiscoran behauptet mehr als je seine Unschuld; allein er führt zu seiner Rechtfertigung eine Tatsache an, die so unwahrscheinlich, so vollständig unglaublich klingt . . .«

»Nun, was sagte er?« drängte Herr Sénéchal.

»Er behauptet, die Gräfin von Claudieuse sei – seine Geliebte gewesen.«

Der Doktor Seignebos machte einen Luftsprung und rief, indem er seine Brille mit einer triumphierenden Gebärde zurechtsetzte:

»Ich hab's erraten! Ich war davon überzeugt!«

Herr Folgat hatte, wie er sich wohl sagen mußte, in diesem Falle keine beratende Stimme. Er war von Paris mit Pariser Ideen gekommen, und so viele Nachrichten er auch schon eingezogen hatte, den Namen der Gräfin hatte man ihm noch nicht genannt. Aber aus der Wirkung, welche die unerwartete Mitteilung auf die andern machte, konnte er die Behauptung Jacques' von Boiscoran beurteilen.

Weit entfernt, den Eindruck des Doktor Seignebos zu teilen, erschienen Großvater Chandoré und Herr Sénéchal ebenso empört wie Herr Magloire.

»Das kann man nicht glauben!« rief der eine.

»Es ist ganz unmöglich!« erklärte der andere.

Herr Magloire schüttelte den Kopf.

»Gerade dies«, sagte er, »habe auch ich Herrn Jacques erwidert.«

Doktor Seignebos aber gehörte nicht zu den Menschen, die sich wundern oder stutzen, daß sie nicht aller Welt Meinung teilen.

»Sie haben mich noch nicht gehört«, rief er, »Sie haben mich noch nicht begriffen . . . Der Beweis der Behauptung ist weder so unwahrscheinlich, noch so unmöglich, ich habe schon lange einen Verdacht. Es lagen schon lange mancherlei Anzeichen vor. Zu welchem Zwecke sollte denn ein Mensch wie Jacques, glücklich wie selten einer, reich, wohlerzogen, wohlgebildet, der liebende und geliebte Bräutigam eines so prächtigen Mädchens, sich ein Vergnügen daraus machen, Häuser in Brand zu stecken und die Leute totzuschießen? . . . Sie werden mir entgegnen, daß ihm Herr von Claudieuse keine freundschaftlichen Gefühle einflößte, aber – zum Teufel! – wenn alle Leute, die den Doktor Seignebos nicht leiden können, ein Gewehr auf ihn anlegen wollten, so würde ich bereits durchlöchert sein wie ein Sieb. Von Ihnen allen ist der hier anwesende Herr Folgat noch der einzige, der nicht verblendet scheint . . .«

Der junge Anwalt wollte bescheiden protestieren, aber der Doktor ließ ihn nicht zu Worte kommen.

»Ja, ja, mein Herr«, fuhr er lebhaft fort, »Sie haben klargesehen, und der Beweis hierfür liegt darin, daß Sie gleich von vornherein die Seele, die Eingebung, die innere Ursache, den Gedanken, den Beweggrund, das Weib, genug, das Rätsel gesucht haben. Der Beweis liegt darin, daß Sie damit begonnen haben, den alten Kammerdiener Antoine, Herrn von Chandoré, Herrn Sénéchal und mich selbst zu fragen, ob Jacques von Boiscoran nicht eine Liebschaft in der Umgegend habe oder hatte. Alle haben Ihnen mit »Nein« geantwortet und waren tausend Meilen davon entfernt, an der Wahrheit ihrer Antwort zu zweifeln. Nur ich habe, ohne Ihnen eine direkte Auskunft erteilen zu können, zu verstehen gegeben, daß Ihre Idee die meinige sei, und zwar in Gegenwart des Herrn von Chandoré.«

»Das ist richtig«, erwiderten der alte Edelmann und Herr Folgat gleichzeitig.

Herr Seignebos triumphierte, und immer gestikulierend, immer rückwärts schreitend und seine goldene Brille putzend, sprach er weiter:

»Ich habe mich nicht vom Scheine blenden lassen, sondern gleich von vornherein meine seltsamen Vermutungen gehabt. Indem ich während der Nacht des Brandes und des Tötungsversuches das Benehmen der Frau von Claudieuse studierte, fand ich sie sehr befangen, ungewöhnlich zweideutig, mit einem Wort: verdächtig. Ich war überrascht von der Bereitwilligkeit, mit der sie die Einbildungen dieses Herrn Galpin annahm, und von der rücksichtslosen Raschheit, mit der sie sich der gerichtlichen Vernehmung Cocoleus fügte . . . Denn genaugenommen war sie es doch allein, die dem sogenannten Schwachsinnigen die Zunge löste. Ich habe gute Augen hinter meiner Brille, meine Herren. Nun wohlan, bei allem, was ich für heilig halte, bei meiner republikanischen Überzeugungstreue, bin ich bereit zu schwören, daß die Gräfin Claudieuse, als Cocoleu den Namen Boiscoran nannte, nicht eine Spur von Verwunderung oder Überraschung gezeigt hat.«

Der Bürgermeister von Sauveterre und der Doktor waren nie in ihrem Leben und über keinen Gegenstand irgendwelcher Art jemals im Einverständnis gewesen; die Frage, um die es sich in diesem Augenblick handelte, war am allerwenigsten dazu angetan, ein solches Einverständnis zu erzielen.

»Ich war bei der Vernehmung Cocoleus zugegen«, erklärte Herr Sénéchal »und ich habe, ganz im Gegenteil, die Bestürzung der Gräfin deutlich bemerkt.«

Der Arzt zuckte die Achseln.

»Allerdings machte sie ›Ah!‹«, sagte er spöttisch, »aber so etwas fällt einer Frau weder schwer noch ist es ein Entlastungsbeweis. Ich selber würde ohne Mühe ein verwundertes ›Ah!‹ zuwege bringen, wenn man mir sagte, der Herr Bürgermeister seien im Irrtum, und würde in Wahrheit doch nicht verwundert sein.«

»Doktor!« rief Herr von Chandoré in beschwichtigendem Tone. »Doktor!«

Aber schon hatte Seignebos sich wieder Herrn Magloire zugewandt, den zu überzeugen er sich getraute, und fuhr fort:

»Ja, in ihrem Gesicht drückte die Gräfin Claudieuse allerdings so etwas wie Bestürzung aus, aber ihr Auge verriet den wildesten Zorn, Haß und die Freude der Rache . . . Und das ist noch nicht alles! . . . Wolle der Herr Bürgermeister mir doch gefälligst sagen: Wo war denn die Frau Gräfin, als ihr Gemahl durch die Flammen geweckt wurde? War sie in seiner Nähe? Nein, sie wachte angeblich bei ihrer jüngeren Tochter, die die Masern hatte . . . Hm, was halten Sie von diesen Masern, die eine besondere gräfliche Nachtwächterin erforderten? Ich denke, sie kamen als ein Mäntelchen den besonderen Zwecken der gnädigen Frau vortrefflich zustatten. Und als die beiden Schüsse abgefeuert wurden, wo befand sich da die Frau von Claudieuse? Immer noch wie angenagelt bei ihrer Tochter in demjenigen Flügel des Hauses, welcher dem Herd des Brandes gerade entgegengesetzt lag.«

Der Bürgermeister von Sauveterre gab sich noch nicht geschlagen.

»Ich muß bemerken, Doktor«, entgegnete er, »daß Herr von Claudieuse selbst erklärt hat, er habe, als er nach dem Feuer eilte, die Haustür noch ebenso von innen verschlossen gefunden, wie er sie selbst einige Stunden vorher verschlossen hatte.«

Doktor Seignebos macht mit seiner spöttischsten Miene eine Verbeugung.

»So gibt es wohl nur eine Tür im Schlosse zu Valpinson?« fragte er.

»Meines Wissens«, erwiderte Herr von Chandoré, »sind deren mindestens drei vorhanden.«

»Und ich kann hinzufügen«, sagte Herr Magloire, »daß nach den Angaben des Herrn von Boiscoran die Gräfin von Claudieuse an jenem Abend durch die Tür des Waschhauses zum Stelldichein gekommen ist.«

»Was hab' ich denn gesagt!« rief Doktor Seignebos.

Und seine Brille so heftig putzend, daß fast die Gläser zerbrachen, fuhr er fort:

»Und die Kinder! Findet es der Herr Bürgermeister vielleicht natürlich, daß Frau von Claudieuse, diese unvergleichliche Mutter, ihre Kinder inmitten des Flammenmeeres zurückließ? . . .«

»Was! Diese unglückliche Frau wird durch den Knall zweier Schüsse aus dem Hause gelockt, sie sieht das Haus in Flammen, sie stolpert über den leblosen Körper ihres Gatten, und Sie machen ihr den Vorwurf, keine Geistesgegenwart gehabt zu haben! . . .«

»Das ist eine Annahme, aber nicht die meinige. Ich glaube vielmehr, daß die Gräfin sich schon draußen befand und durch die Flammen verhindert wurde, wieder ins Haus zu kommen. Ich finde ferner, daß Cocoleu gerade zu rechter Zeit erschien, und es war ein recht glücklicher Zug der Vorsehung, sein Gehirn für den Moment mit der erhabenen Idee zu erleuchten, daß er die Kinder aus Lebensgefahr erretten müsse.«

Diesmal entgegnete Herr Sénéchal nichts.

»Bestärkt durch alle diese Umstände«, fuhr der Doktor fort, »gestaltete sich mein Verdacht derartig, daß ich beschloß, ihn womöglich bestätigt zu sehen. Am folgenden Morgen befragte ich die Frau Gräfin und brachte sie – ich muß gestehen, nicht ohne Schlauheit – zu einem Geständnis. Ihre Antworten und ihre ganze Haltung waren weit davon entfernt, meine Eindrücke zu ändern. Als ich sie, Auge in Auge, um ihre Meinung über den geistigen Zustand Cocoleus befragte, wurde ihr förmlich unwohl, und mit kaum vernehmlicher Stimme gestand sie mir, daß sie sich gewundert habe, eine Geistesklarheit bei ihm vorzufinden. Und als ich zu wissen wünschte, ob Cocoleu besondere Anhänglichkeit gegen sie zeige, erklärte sie mir mit unbezwingbarer Verlegenheit, seine Anhänglichkeit sei die eines Tieres, welches für die ihm geschenkte Fürsorge erkenntlich sei. Was denken Sie hierüber, meine Herren? Ich für meine Person meine, daß Cocoleu der Knoten der Sache ist, daß er die Wahrheit kennt und daß ich Jacques rette, wenn ich dahin gelange herauszubringen, daß der Schwachsinn Cocoleus teilweise Verstellung und daß sein Schweigen nur aus Furcht erkünstelt ist. Und wenn ich dies heraus habe, und wenn man mir andere medizinische Gutachter gibt als diesen Hauptesel und diesen Pariser Gecken –«

Er stockte, hielt inne . . .

Aber ohne jemandem Zeit zu einer Erwiderung zu lassen, redete er weiter:

»Wir kommen nun zu dem entscheidenden Hauptpunkte. Warum ist es, Ihrer Ansicht nach, unwahrscheinlich und unmöglich, daß Frau von Claudieuse ihre ehelichen Pflichten verletzt hat? Etwa weil sie hier einen so glänzenden Ruf der Weisheit und der Tugend genießt? Gut! Es scheint mir aber, daß der Ruf des Herrn von Boiscoran nicht weniger tadellos ist. Nach Ihrer Meinung ist es lächerlich, anzunehmen, Frau von Claudieuse sei seine Geliebte gewesen. Ist es denn aber so natürlich und selbstverständlich, daß Herr von Boiscoran über Nacht zu einem verworfenen Bösewicht geworden sein soll?«

»Oh, das ist etwas ganz anderes!« erwiderte Herr Sénéchal.

»Es ist wahr!« rief der Doktor; »und diesmal haben Sie recht, Herr Bürgermeister. Begangen durch Herrn von Boiscoran, erscheint das Verbrechen von Valpinson in einem lächerlichen, jeden gesunden Sinn empörenden Lichte; begangen von der Gräfin, ist es lediglich die verhängnisvolle Folge der Lage, die Herr von Claudieuse geschaffen hat, indem er eine mehr als dreißig Jahre jüngere Frau heiratete.«

Die Wutäußerungen des Doktor Seignebos durfte man sonst nicht für bare Münze nehmen. Selbst wenn er völlig außer sich vor Zorn zu sein schien, sagte er doch niemals mehr, als er sagen wollte, er besaß die bewundernswürdige Fähigkeit, Feuer und Flammen zu sprühen und doch innerlich kalt wie Eis zu bleiben.

Diesmal aber enthüllte er alle seine Gedanken, und indem er dies tat, zeigte er die Lage der Dinge in einem so neuen Licht, daß seine Zuhörer nachdenklich wurden.

»Sie würden mich jetzt völlig überzeugt haben, Doktor«, sagte Herr Folgat, »wenn ich nicht schon vorher Ihrer Ansicht gewesen wäre.«

»Gewiß ist«, meinte Herr von Chandoré, »daß, wenn man den Doktor gehört hat, die Tatsache nicht mehr unmöglich erscheint.«

»Es ist alles möglich in der Welt«, sagte Herr Sénéchal philosophierend zu sich selbst.

Nur der berühmte Anwalt von Sauveterre war noch nicht erschüttert.

»Es tut mir leid«, sagte er ruhig, »daß ich mich dieser Anschauung nicht anzuschließen vermag. Für mich hat eine Stunde rasenden Schwindels mehr innere Wahrscheinlichkeit als jahrelange ungeheuerliche Heuchelei. Jacques kann das Verbrechen in einer Art von Wahnsinn begangen haben, aber wenn Frau von Claudieuse die Schuldige wäre, so müßte man an der Menschheit verzweifeln und könnte an nichts mehr in der Welt glauben. Ich habe sie bei ihrem Gatten und ihren Kindern gesehen, meine Herren . . . Eine solche Zärtlichkeit läßt sich nicht erheucheln!«

»Er kommt nicht darüber hinaus!« unterbrach ihn der Doktor Seignebos.

Und seinem Freunde – denn Magloire war in der Tat sein langjähriger Freund, den er selbst mit dem vertraulichen »Du« anredete – auf die Schulter klopfend, fuhr er fort:

»Ah, daran erkenne ich dich, seltsamer Anwalt, der, andere nach sich beurteilend, sich sträubt, an das Böse zu glauben . . . Oh! widersprich nicht, denn gerade darum lieben wir dich ja und achten dich so hoch und sind stolz, dich in den Reihen der Republikaner zu sehen. Aber es ist gleichwohl nicht abzustreiten, daß du nicht der Mann bist, eine solche schaurige Intrige ans Licht zu ziehen. Vor zwanzig Jahren erwähltest du dir zur Gattin ein junges Mädchen, das du anbetetest; du hattest das Unglück, sie zu verlieren, und seitdem bist du, unverbrüchlich treu in Erinnerung, allen Leidenschaften so ferngeblieben, daß du in Wahrheit gar nicht mehr weißt, ob solche existieren . . . Glücklicher Sterblicher! welcher mit einem Herzen von zwanzig Jahren und mit weißen Haaren noch an das Lächeln und an die Blicke der Frauen glaubt!«

Es war wohl etwas Wahres hieran, aber es gibt doch gewisse Wahrheiten, die man nicht gern aussprechen hört.

»Meine Naivität hat mit dieser Sache nicht das mindeste zu tun«, sagte Herr Magloire. »Ich behaupte und beharre dabei, daß es unmöglich ist, fünf Jahre der Liebhaber einer Frau zu sein, ohne Beweise dafür beibringen zu können.«

»Und dennoch täuschst du dich, lieber Freund«, rief der Mediziner, indem er seine Brille mit jener dünkelhaften Miene wieder zurechtrückte, die in jedem andern Augenblick einen komischen Eindruck gemacht haben würde.

»Wenn es sich die Frauen in den Kopf setzen, vorsichtig und argwöhnisch zu sein, so sind sie es doch nur halb«, erklärte Herr von Chandoré.

»Es drängt sich einem aber unwillkürlich der Gedanke auf«, sagte Herr Folgat, »daß Frau von Claudieuse ein so schweres Verbrechen nie würde begangen haben, wenn sie nach dem Verbrennen aller ihrer Briefe nicht die Gewißheit gehabt hätte, daß keine Beweise mehr gegen sie vorliegen.«

»Das ist die Wahrheit!« rief Doktor Seignebos.

Herr Magloire konnte seine Ungeduld nicht mehr verbergen.

»Unglücklicherweise, meine Herren«, versetzte er in einem trockenen Ton, »sind nicht wir es, von denen der Freispruch oder die Verurteilung des Herrn von Boiscoran abhängt. Ich bin daher nicht hier, um zu überreden oder um überredet zu werden; sondern ich bin erschienen, um mit den Freunden des Herrn von Boiscoran den zu seiner Rettung führenden Weg zu besprechen und die Grundlagen der Verteidigung festzustellen.«

Herrn Magloire gebührte offenbar die Leitung der Verhandlung; er lehnte sich gegen den Kamin, und die übrigen setzten sich.

»Zunächst also«, begann er, »will ich die Mitteilungen des Herrn von Boiscoran als richtig annehmen. Er ist unschuldig. Er war der Liebhaber der Frau von Claudieuse, aber er hat dafür keine Beweise. Dies vorausgesetzt, welcher Weg ist von uns einzuschlagen? Darf ich ihm raten, den Untersuchungsrichter rufen zu lassen und diesem seine ganze Geschichte zu erzählen?«

Niemand antwortete. Erst nach einem langen tiefen Schweigen sagte Doktor Seignebos:

»Die Sache ist allerdings ernst!«

»Sehr ernst, in der Tat!« fuhr der Anwalt von Sauveterre fort. »Nach dem, was wir bei den Mitteilungen des Herrn von Boiscoran empfunden haben, ist es leicht, den Eindruck zu ermessen, den sie auf Herrn Galpin-Daveline machen werden. Er wird vor allem Beweise fordern, die Bestätigung eines Zeugen oder irgendein äußerliches Zeichen für die Richtigkeit und Wahrheit des Mitgeteilten. Und wenn dann Jacques ihm erwidert, daß er keinen andern Beweis habe als die Versicherung seines Wortes, so wird Herr Daveline ihm sagen, daß er lüge . . .«

»Vielleicht entschiede er sich für nachträgliche Ermittlungen«, meinte Herr Sénéchal. »Wahrscheinlich ließe er Frau von Claudieuse rufen.«

Der Anwalt Magloire nickte mit dem Kopfe.

»Gewiß ließe er sie kommen«, fuhr er fort. »Aber was dann? Würde sie gestehen? Dies zu erwarten wäre Unsinn. Selbst wenn sie schuldig wäre, ist sie doch eine viel zu tatkräftige Frau, als daß sie sich die Wahrheit entreißen ließe. Sie würde alles in einer so vortrefflichen, hochfahrenden Form leugnen, daß auch nicht der Schatten eines Verdachts gegen sie bliebe.«

»Das ist nur zu wahrscheinlich«, brummte der Doktor. »Dieser Galpin ist nicht besonders stark in seinem Fach.«

»Also was bliebe uns von einem derartigen Vorgehen?« fragte Magloire. »Wir würden die Sache des Herrn von Boiscoran tausendfach verschlimmert haben, denn zu dem Abscheu über sein Verbrechen würde sich die abscheulichste, feigste und niedrigste Beschuldigung gesellen . . .«

Herr Folgat hatte aufs höchste gespannt den Vortrag Magloires angehört.

»Ohne Beweise«, sagte er jetzt, »rate ich, daß Herr von Boiscoran keine nachträglichen Ermittlungen verlangen darf.«

Der Anwalt von Sauveterre verneigte sich.

»Ich bin überzeugt«, sagte er, »daß diese Ansicht meines ehrenwerten Herrn Kollegen die richtige ist. Aber es ist bei dieser Sachlage dann auch nicht mehr daran zu denken, die gerichtliche Verurteilung von Herrn von Boiscoran abzuwenden . . . Er wird vor das Schwurgericht kommen.«

Herr von Chandoré hob mit verzweifelter Gebärde seine Arme.

»Aber Denise stirbt darüber vor Schmerz und Schande!« rief er bewegt.

Seinen Gedankengang weiterverfolgend, fuhr Magloire fort:

»Wir befänden uns also im Schwurgericht, in Sauveterre, vor den betreffenden Behörden, vor Geschworenen aus dem Bezirk, die, wenn auch unfähig einer Beeinflussung, doch, wie ich fest überzeugt bin, eine verhängnisvolle Zugänglichkeit für die allgemeine Meinung besitzen, in welcher Herr von Boiscoran längst verurteilt ist . . . Die Sitzung ist eröffnet. Der Präsident verhört den Angeklagten. Sagt dieser nun dort an jener Stelle, was er mir gesagt hat: daß er der Liebhaber der Frau von Claudieuse war, daß er nach Valpinson kam, um mit der Gräfin die gewechselten Liebesbriefe auszutauschen, die dann alle verbrannt wurden . . . Sagt er all dies, so wird sich voraussichtlich ein allgemeines Gemurmel der Entrüstung erheben, man wird Verwünschungen hören, verächtliche Schmähungen . . . Gleichviel! Der Präsident wird, vermöge seiner unbeschränkten Gewalt, die Sitzung aufheben und befehlen, daß man die Gräfin von Claudieuse herbeihole . . . Gut. Wir glauben an ihre Schuld, aber auch an ihren Mut und ihre Geistesgegenwart, nicht wahr? Sie ist von dem, was sich zugetragen, vorher unterrichtet, sie hat sich auf alle Fälle ihre Rolle bereits einstudiert . . . Vorgeladen, erscheint sie blaß, in Trauergewändern, und ein Gemurmel achtungsvoller Teilnahme begrüßt ihr Auftreten . . . Sie stellen sich dieses malerische Auftreten lebhaft vor, nicht wahr? Der Präsident eröffnet ihr, um was es sich handelt, und sie tut anfangs, als begreife sie nichts, sie gibt sich den Anschein, als könne sie eine so schreckliche Beschuldigung nicht fassen . . . Aber wenn sie endlich begreift, dann stellen Sie sich den meisterlichen Blick vor, mit welchem sie Jacques niederschmettert, und die Erhabenheit des Ausdrucks, womit sie spricht: ›Nachdem es diesem Menschen nicht gelungen ist, den Gatten zu morden, versucht er es, die Frau zu entehren . . . Ich vertraue Ihnen, meine Herren, meine Ehre an als Mutter und Gattin und habe auf die Schändlichkeiten dieses boshaften Verleumders nichts zu erwidern . . .‹«

»Aber mein Gott, das wäre das Bagno . . . das Schafott!« rief Herr von Chandoré.

»Jedenfalls bewirkte es die höchste Verurteilung«, versetzte der Anwalt von Sauveterre. »Indessen, die Verhandlungen werden weitergeführt, der Staatsanwalt trägt eine donnernde Anklage vor, und endlich kommt an den Verteidiger die Reihe, das Wort zu ergreifen . . . Meine Herren, Sie sind durch meine abweichende Meinung verstört . . . ich bekenne offen, daß ich mich den Behauptungen des Herrn von Boiscoran nicht ohne weiteres anschließen kann, aber hier mein junger Kollege glaubt sie . . . gut! Ich bitte ihn, mir freimütig die Frage zu beantworten: Würde er es riskieren, den Plan des Angeklagten zu vertreten und den Versuch zu machen, Frau von Claudieuse als Geliebte Jacques' hinzustellen? . . .«

Herr Folgat zog die Brauen zusammen.

»Ich weiß es nicht!« erwiderte er halb für sich.

»Ich aber weiß, daß Sie es nicht riskieren würden!« rief Magloire. »Und Sie hätten recht, denn Sie würden Ihren Ruf aufs Spiel setzen und für die Rettung Jacques' nicht das mindeste gewinnen. Nein, nicht das Mindeste! Denn, setzen wir selbst das Unerwartete voraus, nehmen wir an, es gelänge Ihnen zu beweisen, daß Jacques die Wahrheit spricht: daß er wirklich der Liebhaber der Gräfin war . . . Wozu würde das führen? . . . Man würde die Frau von Claudieuse verhaften . . . Würde man aber deswegen Herrn von Boiscoran freilassen? Nein, gewiß nicht, man würde ihn festhalten und ihm sagen: Ja, diese Frau hat ihren Gatten zu töten gesucht, aber sie war deine Geliebte, und du bist ihr Mitschuldiger . . . Meine Herren, dies ist die Sachlage! . . .«

Von allen unnützen Erläuterungen, vergeblichen Vermutungen und allem sentimentalen Wortkram absehend, stellte Herr Magloire die Frage in ihrer einfachen Nacktheit und Schärfe hin, so wie sie ein juristisches Gewissen und der gesunde Menschenverstand aufzufassen hatten . . . und bestürzt sprang Großvater Chandoré von seinem Sessel auf.

»Demnach ist alles aus!« sagte er mit trockener Stimme. »Schuldig oder nicht, Jacques von Boiscoran kann seiner Verurteilung nicht entgehen.«

Herr Magloire erwiderte nichts.

»Und das«, fuhr der alte Edelmann heftig fort, »das nennt man Gerechtigkeit!«

»Leider!« versetzte Herr Sénéchal. »Es wäre kindisch, zu leugnen, daß der Schwurgerichtshof nichts ist als eine Lotterie . . .«

Herr von Chandoré unterbrach ihn mit einer Bewegung heftigsten Zornes:

»Mit anderen Worten«, rief er, »die Ehre und das Leben Jacques' hängen in diesem Augenblick von einer Art Laune, von einem Zufall, von der Zeit, wo er vor Gericht zu erscheinen hat, und von der zufälligen Stimmung irgendeines Geschworenen ab! . . . Und es handelt sich dabei nicht bloß um Jacques, sondern das Leben Denises, meine Herren; das Leben meines Kindes steht mit auf dem Spiel! Der Schlag, der Jacques trifft, trifft auch sie . . .«

Herr Folgat suchte vergeblich, eine Träne zu verhehlen. Herr Sénéchal und selbst der Doktor Seignebos waren erschüttert, so ergreifend war der Schmerz eines alten Mannes, der sich in seiner innigsten, in seiner heiligsten Zuneigung angegriffen sah . . . Er hatte die Hände des Anwalts von Sauveterre in die seinigen genommen und sprach zu ihm mit einem verzweifelten Ausdruck:

»Aber Sie werden ihn retten, nicht wahr, Magloire! Schuldig oder unschuldig, was liegt daran, wenn Denise ihn liebt! Sie sind vor allen andern imstande, ihn zu retten. Es ist wohlbekannt, daß die Richter der Gewalt Ihrer Rede nicht zu widerstehen vermögen. Sie werden die unwiderstehlichen Worte finden, um einen Unglücklichen, der Ihr Freund war, dem Rachen des Verderbens zu entreißen . . .«

Wäre der berühmte Anwalt selber der Schuldige gewesen, er hätte nicht niedergeschlagener sein können, als er es war. Und deshalb rief Doktor Seignebos:

»Was soll das heißen, Freund Magloire? Bist du nicht mehr derselbe Mann, dessen wunderbare Beredsamkeit die Ehre unseres Landes ist? Kopf hoch, Wetter noch einmal! Niemals ist dir eine bessere Sache anvertraut gewesen!«

Aber Herr Magloire schüttelte den Kopf.

»Ich habe kein Vertrauen«, sagte er halblaut, »und ich weiß nicht zu reden, wenn mein Gewissen mir nicht die Gründe liefert . . .«

Seine Verlegenheit verdoppelte sich, als er fortfuhr:

»Seignebos hatte sehr recht: Ich bin nicht der geeignete Mann für diese Sache. Alle meine Erfahrungen dienen mir dabei nicht zur geringsten Unterstützung. Es ist daher besser, die Verteidigung wird meinem jungen Kollegen anvertraut.«

Herr Folgat fand hier zum ersten Male während seiner amtlichen Laufbahn einen jener Prozesse, in welchem ein Mann seinen ganzen Wert erproben und welcher ihm die Pforten der Zukunft öffnen kann. Zum ersten Male stellte sich ihm ein Rechtsfall dar, in dem alles sich vereinigte, um Teilnahme zu erregen: Größe des Verbrechens, Verhältnisse des Opfers, Charakter des Beschuldigten, das Geheimnisvolle, die Widersprüche in den Aussagen, die Schwierigkeit der Verteidigung, die Ungewißheit des Erfolgs . . . eine von den Angelegenheiten, für welche ein Anwalt sich begeistern kann, welche all seine Kraft beanspruchen, in welchen er ganz aufgehen, Sorgen und Hoffnungen des Angeklagten teilen kann . . . Fünf Jahre seines Einkommens hätte er sofort hingegeben, wenn er damit betraut worden wäre. Aber er war auch ein Mann von Ehre, und dies vor allem.

»Denken Sie wirklich daran, Herrn von Boiscoran aufzugeben, Kollege Magloire?« fragte er.

»Sie können ihm besser dienen als ich«, erwiderte der Anwalt von Sauveterre.

Vielleicht war dies die geheime Überzeugung des Pariser Anwalts. Nichtsdestoweniger sagte er:

»Sie haben noch nicht genügend die Wirkung Ihres Verzichts erwogen, mein verehrter Meister.«

»O doch, das habe ich getan!«

»Was soll das Publikum davon denken, wenn bekannt wird, daß Sie sich von der Sache Boiscoran zurückgezogen haben? . . . Man wird sagen: Diese Sache muß wohl sehr schlecht stehen, da Herr Magloire nichts damit zu tun haben will . . . Und es wäre damit eine Last mehr zu den Anklagen gehäuft, welche den unglücklichen Mann schon fast erdrücken.«

Doktor Seignebos ließ seinem Freunde keine Zeit zur Erwiderung.

»Es verbietet sich ganz von selbst«, sagte er, »daß Magloire sich zurückzieht, aber er hat das Recht, sich einen Kollegen beizuordnen. Er wird der Anwalt und Beistand Jacques' von Boiscoran bleiben, aber Herr Folgat wird ihm zur Seite stehen, mit seiner Jugend und Tatkraft, er wird ihm sein scharfes Auge, ja selbst die Hilfe seiner Worte leihen!«

Eine flüchtige Röte färbte die Wangen des jungen Anwalts.

»Ich stehe ganz zur Verfügung des Herrn Magloire«, sagte er.

Der berühmte Rechtsbeistand schien nachzusinnen, und nach einigen Augenblicken fragte er, zu seinem jüngeren Kollegen gewandt:

»Haben Sie eine Idee . . . einen Plan? Was würden Sie tun?«

Und zur Überraschung aller erhob sich ein in gewisser Beziehung ganz neuer Folgat. Er schien zu wachsen, sein Antlitz erhellte sich, seine Augen funkelten, und mit einer klaren und vollklingenden Stimme, deren Klang bis in die innerste Seele seiner Hörer drang, begann er:

»Vor allem muß ich Herrn von Boiscoran sehen. Er allein kann mir meine Entschlüsse vorschreiben. Aber mein Plan ist dennoch bereits in den Umrissen fertig. Ich, meine Herren, habe Vertrauen in die Sache, wie ich Ihnen schon gesagt habe. Der Mann, welcher Fräulein Denise liebt, kann kein Bösewicht sein. Was will ich denn? Ich will die Wahrheit der Behauptungen des Herrn von Boiscoran beweisen. Ist dies möglich? Ich hoffe es. Herr von Boiscoran versichert, es seien keine Zeugen und Beweise seiner Beziehungen zu Frau von Claudieuse vorhanden. Ich bin überzeugt, daß er sich täuscht. Sie sei, sagt er, von einer ganz außerordentlichen Vorsicht und Geschicklichkeit gewesen. Das tut nichts. Argwohn weckt Argwohn, und wenn man auch die schlauesten Vorsichtsmaßregeln trifft, man wird doch beobachtet. Wer sich versteckt, wird entdeckt. Man glaubt niemanden zu sehen und wird doch gesehen.

Einmal betraut mit der Verteidigung, beginne ich morgen eine Gegenuntersuchung. An Geld mangelt es uns nicht, der Marquis von Boiscoran ist einflußreich, man wird uns Hilfe gewähren . . . Binnen achtundvierzig Stunden will ich die geübtesten und erfahrensten Menschen in Tätigkeit gesetzt haben . . . Ich kenne die Rue de la Vigne in Passy, sie ist sehr einsam, aber Augen finden sich überall . . . Warum sollte kein Auge die geheimnisvolle Besucherin des Herrn von Boiscoran gesehen haben? Dies ist es, was meine Agenten, von Tür zu Tür gehend, herauszubringen haben . . . Und zu diesem Zweck ist es nicht einmal nötig, ihnen einen Namen auszuliefern. Sie haben nicht die Aufgabe, eine Frau von Claudieuse auszuspüren, sondern eine Unbekannte von der und der Gestalt und so weiter . . . Und wenn sie entdecken, daß eine solche gesehen worden ist und daß man sie wiedererkennen würde, dann haben wir unsern ersten Zeugen . . . Unterdessen suche ich mich über den Freund des Herrn von Boiscoran, über jenen Engländer, zu unterrichten, dessen Namen er getragen hat, und setze mich mit der Londoner Polizei in Verbindung. Sollte dieser Engländer schon tot sein, so wäre das allerdings ein Unglück; wenn er aber lebt, und sei es am entgegengesetzten Ende der Welt, so gestattet mir das transatlantische Kabel, ihn zu befragen und in weniger als einer Woche seine Antworten zu besitzen. Schon habe ich dann überdies die schärfsten Spürhunde auf die Fährte dieser englischen Dienstmagd gesetzt, welche sich in dem Hause der Rue de la Vigne befand. Herr von Boiscoran erklärt, daß sie Frau von Claudieuse niemals gesehen habe . . . Irrtum! Es ist unmöglich, daß eine Dienstmagd nicht neugierig wäre und daß sie nicht Mittel fände, die Dame zu beobachten, welche ihren Herrn besucht. Haben wir sie wiedergefunden, so wird sie sprechen.

Und das ist noch nicht alles: Es kamen Fremde in dieses Haus der Rue de la Vigne. Ich befrage einen nach dem andern; den Gärtner und seine Gehilfen, den Wasserträger, den Tapezierer, die Burschen aller Lieferanten . . . Warum sollte es so unmöglich sein, daß einer oder der andere im Besitz der Wahrheit wäre, nach welcher wir in diesem Augenblicke streben?

Ferner: wenn eine Dame alle Tage in ein Haus kommt, so ist es unglaubhaft, daß sie nicht Spuren ihrer Anwesenheit zurückgelassen haben sollte. Sie mögen entgegnen, es sei seitdem Krieg gewesen und die Kommune habe geherrscht . . . Gut, ich untersuche die Reste, ich durchwühle die Trümmer, ich besichtige jeden Baum im Garten, ich untersuche die Fensterscheiben, ob nicht darin ein Name mit der Spitze eines Diamanten eingeritzt steht, ich zwinge die unzerbrochen gebliebenen Spiegel, mir das Bild auszuliefern, welches sie so oft in seiner schönen, stolzen Sicherheit reflektiert haben!«

»Ah! das nenne ich reden«, rief Doktor Seignebos begeistert.

Die andern durchschauerte eine Bewegung. Sie begriffen, daß der Kampf endlich nun entbrenne. Aber schon fuhr Herr Folgat, welcher die Eindrücke seiner Hörer kaum zu bemerken schien, in seiner Darstellung fort:

»Hier in Sauveterre ist die Arbeit freilich schwieriger, aber im Falle des Gelingens würden auch die Erfolge entscheidender sein. Hier bestelle ich einen jener Polizisten mit dem feinen Spürsinn, die ihren Beruf zu einer Kunst zu erheben vermocht haben, irgendeinen modernen Lecoq oder Tabaret, dessen Eitelkeit ich aufzustacheln wissen werde. Diesem müßte alles gesagt werden, sogar die Namen. Aber eine solche schrankenlose Eröffnung wäre ohne Gefahr. Sein Bestreben, den gewünschten Erfolg zu erzielen, die Größe der verheißenen Belohnung und endlich die professionelle Gewohnheit würden uns sein Schweigen verbürgen. Er trifft im geheimen ein, verborgen unter der Verkleidung, welche ihm die geeignetste scheint, um seine Entdeckungsversuche mit größerem Erfolg zu betreiben, und durchforscht zugunsten der Verteidigung die von Herrn Galpin-Daveline zugunsten der Anklage angestellte Untersuchung. Wird er dabei irgend etwas auffinden? Man ist berechtigt, es zu hoffen. Ich kenne Polizisten, welche mit den geringsten Anzeichen des Beweises in der Hand bis zu einer Höhe der Wahrheit aufgestiegen sind, die von allen andern für ganz unmöglich gehalten wurde.«

Die Hörer des Herrn Folgat: Großvater Chandoré, Herr Sénéchal, Doktor Seignebos und Herr Magloire, sogen ihm gleichsam die Worte von den Lippen.

»Und wäre dies alles, meine Herren?« fuhr er fort. »Keineswegs. Mit Hilfe seiner langjährigen Erfahrungen hat der Herr Doktor Seignebos vom ersten Tage an die in dieser finstern Intrige höchst bedeutungsvolle Persönlichkeit vorausgeahnt.«

»Cocoleu!«

»Ja, Doktor, Cocoleu! Handelndes Individuum, Vertrauter oder Zeuge, kennt Cocoleu offenbar das Geheimnis des Rätsels. Es gilt, dieses Geheimnis ihm um jeden Preis zu entreißen. Eine gerichtsärztliche Untersuchung hat ihm das Privilegium des Schwachsinns erteilt . . . Gleichviel! Wir protestieren. Wir haben die früheren Rücksichten nicht mehr zu beobachten. Wir behaupten, daß die geistige Stumpfheit dieses Elenden zum Teil erheuchelt, zum Teil absichtlich und planmäßig übertrieben ist. Wie! Er hätte geistige Fälligkeit genug, gegen uns zu zeugen, und es bliebe ihm nicht so viel davon übrig, um sein Zeugnis näher zu erklären oder nur zu wiederholen? Das ist unannehmbar. Wir führen aus, daß er jetzt nur zurückhält und daß er in der Nacht des Brandes nur auf Befehl den Mund aufgetan hat. Wenn sein Schweigen der Voruntersuchung nicht dienlich ist, so findet sie wohl ein Mittel, es zu brechen. Wir bestreiten darum, daß dieses Mittel bereits gesucht worden sei. Wir verlangen, daß man die Person, welche ihm schon einmal die Zunge gelöst hat, angewiesen werde, den Versuch zum zweiten Male zu machen. Wir wollen eine neue gerichtsärztliche Untersuchung, denn es läßt sich nicht in achtundvierzig Stunden der geistige Zustand eines Menschen feststellen, der ein Interesse daran hat, den Schwachsinnigen zu spielen. Und wir wollen vor allem, daß die neuen Gerichtsärzte uns, den von Cocoleu fälschlich Beschuldigten, Garantien ihrer Wissenschaftlichkeit und Unabhängigkeit darbieten.«

Der Doktor Seignebos stampfte vor Begeisterung. Er fand in dieser genauen und kräftigen Form der Darstellung alle seine Ideen wieder.

»Ja«, rief er erregt, »das ist der Weg, der verfolgt werden muß. Man gebe mir unbeschränkte Vollmacht, und in der Zeit von vierzehn Tagen soll Cocoleu entlarvt sein.«

Weniger in Feuer geraten, aber dennoch tief bewegt, drückte der Anwalt von Sauveterre Herrn Folgat die Hand.

»Sie sehen«, sagte er ihm, »daß Sie der geeignetste Mann sind, dem die Sache des Herrn von Boiscoran anvertraut werden muß.«

Der junge Anwalt versuchte nicht, dagegen zu protestieren. Als er das Wort ergriffen, war sein Entschluß gefaßt.

»Was menschenmöglich ist, werde ich tun«, erklärte er. »Der Sache, die ich übernehme, widme ich Leib und Seele. Aber ich halte daran fest, als an einem Übereinkommen, daß Herr Magloire dem Publikum gegenüber sich nicht von der Sache zurückzieht und daß ich nur als sein Sekundant erscheine . . .«

»So sei es!« erklärte Magloire.

»Und wann sehen wir nun Herrn von Boiscoran?«

»Morgen früh.«

»Ich kann unmöglich etwas unternehmen, bevor ich ihn gesprochen habe.«

»Ganz recht; aber Sie können nur auf Grund einer Ermächtigung des Herrn Galpin-Daveline zu ihm gelangen, und ich zweifle, daß wir sie noch heute erhalten werden.«

»Das ist ärgerlich!«

»Nein, denn wir haben für heute unsere bestimmte Arbeit: Wir müssen die Prozeßakten durchgehen, die der Untersuchungsrichter mir zur Verfügung gestellt hat.«

Der Doktor Seignebos kochte vor Ungeduld.

»O diese vielen Worte!« rief er. »Ans Werk, ihr Verteidiger des Rechts, ans Werk! Wohlan, trennen wir uns!«

In dem Augenblick, als die Herren sich entfernen wollten, hielt Herr von Chandoré sie mit einer Gebärde zurück.

»Bis jetzt, meine Herren«, sagte er, »haben wir nur an Jacques gedacht . . . Und Denise?«

Überrascht sahen sie einander an.

»Was soll ich ihr antworten«, fuhr Herr von Chandoré fort, »wenn sie mich nach dem Ausgang der Unterredung des Herrn Magloire mit Jacques fragt, und weshalb dies Ergebnis nicht in ihrer Gegenwart mitgeteilt worden sei?«

Doktor Seignebos war zuerst mit einer Erklärung bereit: Er war nicht der Mann der Rücksichten.

»Sie sagen ihr die Wahrheit!« riet er.

»Was! Ich soll ihr sagen, daß Jacques der Liebhaber der Frau von Claudieuse gewesen ist?«

»Sie erfährt es doch früher oder später. Fräulein Denise ist ein beherztes Mädchen.«

»Ja, aber Fräulein Denise ist auch die heiligste Einfalt und Unschuld eines jungen Mädchens«, unterbrach ihn Herr Folgat lebhaft; »und sie liebt Herrn von Boiscoran. Warum die Reinheit ihrer Gedanken trüben und ihre Sicherheit stören? Ist sie nicht schon unglücklich genug? Herr von Boiscoran befindet sich nicht mehr in Isolierhaft, er kann seine Braut sehen, er kann ihr mitteilen, was er für recht und gut hält; aber er allein hat das Recht dazu. Ich würde ihm vielleicht sogar davon abraten . . . Soweit ich Fräulein von Chandoré kenne, glaube ich nicht, daß sie Schweigen beobachten könnte, sobald sie zufällig mit Frau von Claudieuse zusammenträfe.«

»Sehr richtig«, erklärte auch Herr Magloire. »Herr von Chandoré muß Zurückhaltung bewahren. Es ist schon sehr viel, daß Frau von Boiscoran ins Vertrauen gezogen werden muß. Denn, meine Herren, vergessen Sie nicht: Die geringste Indiskretion könnte den ohnehin schon unsicheren Plan des Herrn Folgat scheitern lassen.«

Nach diesen Worten verabschiedete man sich. Herr von Chandoré blieb allein.

»Ja, er hat recht«, flüsterte er, »aber was sage ich ihr?«

Er suchte in seinem Kopf nach einer glaubwürdigen Ausflucht, als eine Kammerfrau erschien, um ihm auszurichten, daß Fräulein Denise ihn zu sprechen wünsche.

»Ich stehe ihr gleich zu Gebot!« sagte er.

Und er begab sich in der Tat sofort zu ihr, aber mit schwerfälligen, zögernden Schritten und seinem Gesicht, über dessen Züge die schrecklichsten Aufregungen kurz vorher hinweggezogen waren, den Ausdruck der möglichsten Fassung aufzwingend.

Oben im Salon der ersten Etage hatten die Tanten Lavarande Denise und Frau von Boiscoran unterhalten. Hier fand sie Großvater Chandoré. Frau von Boiscoran lag bleich und hinfällig in einem Lehnsessel, Denise dagegen schritt mit fieberiger Hast, Glut auf den Wangen und funkelnden Glanz in den Augen, im Salon auf und ab.

»Nun?« rief sie dem Eintretenden rasch entgegen. »Es ist nichts mehr zu hoffen, nicht wahr?«

»O doch, mehr als jemals, im Gegenteil!« erwiderte Herr von Chandoré mit gezwungenem Lächeln.

»Aber warum forderte dann Herr Magloire unsere Entfernung?«

Der alte Edelmann hatte Zeit gehabt, eine Lüge zu erfinden.

»Weil Magloire uns eine neue Unannehmlichkeit mitzuteilen hatte«, erwiderte er. »Es ist nämlich unmöglich, einen Beschluß auf Zurückziehung der Anklage zu erlangen. Jacques muß sich einem Urteil unterwerfen.«

Frau von Boiscoran sprang mit einem Satze empor.

»Jacques vor einem Schwurgericht!« rief sie überlaut. »Mein Sohn, ein Boiscoran! . . .«

Sie fiel wie ein Stein auf ihren Sitz zurück. Im Antlitz Denises zuckte nicht ein Muskel.

»Ich bin für das Schlimmste gewappnet«, sagte sie mit seltsamer Betonung. »Man kann das Schwurgericht vermeiden.«

Und sie entfernte sich, indem sie die Tür mit einer solchen Heftigkeit zuwarf, daß die Tanten Lavarande sich schnell erhoben, um ihr zu folgen.

Von nun an glaubte Herr von Chandoré sich nicht mehr zur Zurückhaltung verpflichtet. Er stellte sich dicht vor Frau von Boiscoran, und in einem wilden Ausbruch des lange zurückgehaltenen Zornes rief er:

»Ihr Sohn! Ihr Jacques! Ich wollte, er wäre tausendmal tot, dieser Elende, der mir mein Kind tötet, so wie er mich töten wird! Das sehen Sie wohl ein . . .«

Und ohne rücksichtsvolles Mitleid erzählte er ihr die Geschichte Jacques' und der Gräfin von Claudieuse.

Vernichtet, von Schluchzen erstickt, hatte Frau von Boiscoran nicht einmal die Kraft, ihn um Gnade anzuflehen . . . Und als er geendet hatte, da stöhnte sie mit dem Ausdrucke der fürchterlichsten Verstörung:

»Ehebruch! . . . Oh, mein Gott! . . . Das ist eine verdiente Strafe! . . .«


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