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Kapitän D. erzählte eine interessante Geschichte aus seinem eigenen Leben unter den Eingeborenen.
Vor ungefähr zehn Jahren machte er regelmäßige Fahrten mit einem kleinen Frachtdampfer zwischen den Inseln. Einst hatte er unter seiner Besatzung einen jungen Fidschianer, der Dienste als Heizer tat. Er stammte von den südöstlichen Inseln, die bisher noch nicht besucht worden waren. Als aber ein Holländer sich dort ansiedelte, sollte das Schiff die Insel anlaufen, um Kopra zu frachten.
Unter den Eingeborenen waren viele, die noch nie einen Dampfer gesehen hatten. Die Ankunft des Schiffes erweckte darum großes Aufsehen; alles lief zum Strande.
Nachdem der Dampfer in der kleinen Lagune Anker geworfen hatte, ging der Heizer zum Kapitän und fragte ihn, ob er seine Familie mit an Bord nehmen dürfe, um ihnen das Feuerkanu zu zeigen. Der Kapitän erlaubte es.
Am Nachmittage steuerten zwei vollgeladene Kanus vorsichtig auf den Dampfer zu. Nachdem die Eingeborenen ihre Furcht überwunden hatten, kam der Heizer mit seinen Verwandten an Bord.
Sie waren mit Früchten beladen, ein Geschenk für den Häuptling des Schiffes. Der Kapitän nahm die Geschenke gnädig entgegen und führte die Gäste selbst herum, einen alten Mann, den Vater des Heizers, drei junge starke Brüder und ein blutjunges Mädchen, seine Schwester, mit munteren, strahlenden Augen. Sie nahm gleich den Platz an der Seite des Kapitäns ein.
Er führte sie vom Maschinenraum zum Deck, von vorn nach achtern. Das junge Mädchen war neugierig wie ein Kind. Sie stieß bei jedem Schritt Verwunderungslaute aus und faßte vorsichtig alles an, was sie sah. Sie gefiel dem Kapitän, er lächelte ihr zu und sagte ihr Komplimente, die der Heizer, dem Geschmack der Eingeborenen angepaßt, übersetzte. Das junge Mädchen wurde immer strahlender und stolzer. Nachdem der Kapitän ihnen zuletzt noch seine eigene Kajüte gezeigt hatte, nahm er Abschied und ließ dem jungen Mädchen durch ihren Bruder sagen, daß sie ihm ein andermal willkommen sei.
Abends, als Kapitän D. bei seinem Whisky saß, hörte er ein Tasten an der Tür. Es war das Fidschimädchen. Sie stand da, mit Blumen im Haar, die Arme glänzend von frischem Sesamöl, die Hände flach gegen ihre hohe Brust gelegt.
Am Morgen erwachte der Kapitän von einem vielstimmigen Geflüster vor seiner Tür. Ihm ahnte Unrat. Durch die Fenstersprossen sah er in der Dämmerung nackte, braune Gestalten. Es waren ihrer viele und sie schienen erregt.
Er weckte das Mädchen und stellte sich neben die Tür, den Revolver in der Hand. Es wurde still. Schritte entfernten sich. Kurz darauf erklang die Stimme des Heizers vor der Tür.
Er bat den Kapitän zu öffnen. Seine Brüder seien gekommen, um ihre Schwester zu holen und dem Häuptling des Feuerkanus Gaben zu bringen.
Im selben Augenblick gab die Tür dem Druck von außen nach. Das Deck stand voll von Eingeborenen, vornean der alte Mann und die drei Brüder.
Der Kapitän hatte seinen Finger auf dem Hahn, bereit, sein Leben zu verteidigen. Bevor er es aber hindern konnte, sprangen die Brüder an ihm vorbei in die Kajüte auf das Bett zu und erhoben ein Freudengeheul, das von den Draußenstehenden erwidert wurde.
Der Kapitän sandte dem Heizer einen erstaunten Blick.
»Du hast mit meiner Schwester Hochzeit gehalten!« sagte er mit strahlenden Augen.
Die eingeborenen ergriffen das Mädchen und enterten mit ihr zu ihrem Kanu hinunter. Auf dem Deck aber hinterließen sie Blumen, Früchte und Waffen als Hochzeitsgaben.
Bei Sonnenuntergang stand das Mädchen wieder vor der Kajüte des Kapitäns, und das wiederholte sich Abend für Abend, solange sie im Hafen lagen.
Als das Schiff den Anker lichtete und die Lagune verließ, wurde es ein Stück von sämtlichen Eingeborenen in ihren Kanus begleitet. In dem vordersten saß das Mädchen mit gekreuzten Armen und Beinen und stieß langgezogene Klageschreie in regelmäßigen Zwischenräumen aus, wie ein Nebelhorn.
Das Schiff lief die Insel alle Vierteljahr an. Jedesmal brachten die Eingeborenen das Mädchen in ihren Kanus zum Dampfer hinaus, voran der Alte und die drei Brüder; und solange wie das Schiff im Hafen lag, stand bei Sonnenuntergang die junge Frau des Kapitäns vor seiner Kajütentür.
Im folgenden Jahr gebar sie einen Jungen. Beim Empfang brachte sie ihn mit. Jubelnd vor Freude und Stolz hob sie ihn hoch über ihrem Kopf, damit alle auf dem Schiff ihn sehen konnten. Wenn sie des Abends wie gewöhnlich zur Kajüte kam, trug sie den Knaben rittlings auf ihrer Hüfte.
Der Kapitän gewöhnte sich schnell an seine seltsame Ehe. Er freute sich jedesmal auf das Wiedersehen und brachte ihr Geschenke mit.
Da wurde ihm die Führung eines anderen Schiffes übertragen. Es tat ihm leid, daß er sich von Elea und seinem Kinde trennen mußte; aber daran ließ sich nichts ändern. Es war eine Beförderung, zu der er nicht Nein sagen konnte. Er schob es auf, es ihr zu sagen, bis er zum letztenmal zur Insel kam. Dann bat er sie, ihren Vater und ihre Brüder mit an Bord zu bringen und teilte ihnen mit Hilfe des Heizers mit, daß er sie nicht wiedersehen könne.
Sie stieß einen langgezogenen Klageschrei aus, wie ein verwundetes Tier, während die anderen stumm dasaßen und ihn mit großen Augen betrachteten.
Er tröstete sie, so gut er es vermochte: Weder sie noch das Kind sollten Not leiden. Der Holländer habe versprochen, sie für seine Rechnung zu versorgen.
Da erhoben die Männer sich in heftiger Gemütsbewegung. Aus ihren Mienen leuchteten Enttäuschung, Mißvergnügen, Zorn. Sie beratschlagten einen Augenblick, während das Mädchen in der Hucke saß, das Kind im Schoß, und dessen Vater unverwandt betrachtete. Dann sprach der Alte in aller Namen und der Heizer übersetzte.
»Du kannst Elea und ihr Kind mit dir nehmen, wenn du willst; und du kannst sie hier bei uns lassen. Darüber hast du zu bestimmen. Aber wenn du sie hier läßt, dann gehört sie dir nicht mehr, und weder sie noch ihr Kind sollen ihre Nahrung von der Gnade eines weißen Mannes empfangen.«
Als der Kapitän im Auftrag seiner Reederei fünf Jahre später wieder zu der Insel kam, suchte er Elea, das Kind und ihre Familie vergeblich. Von dem Holländer erfuhr er, daß sie nicht wieder geheiratet habe und einige Jahre nach der Trennung gestorben sei. Auch der Alte war tot. Der Junge aber gedieh und glich ihr und ihrem Stamm, nur war seine Haut etwas heller und die Augen blau. Nach dem Tode des Vaters waren die Brüder nach einer Insel ausgewandert, wo ein Hamburger große Kokosplantagen angelegt und die Eingeborenen aus weitem Umkreis angelockt hatte. Sie hatten den Knaben mit sich genommen und der Holländer hatte jede Spur von ihnen verloren.
Ende