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Wissen Sie, wo wir sind?« fragt der Kapitän auf dem »Prinz Ludwig«.
Einer meint an der Küste von Korea; ein anderer, der das Reisebuch aufgeschlagen hat, bei der Quelpart-Insel.
»Wir sind in der Tsuschima-Straße, wo Roschdestwenskis Flotte am 28. Mai 1905 von Admiral Togo vernichtet wurde.«
Wir blicken in das veilchenblaue Wasser hinab, das ein Heer und eine Stadt von Eisen verschlungen hat. Einer nennt die Friedensfrage. Ein anderer höhnt Rußlands Regierung. Ein Amerikaner flucht »thoe damned yellow ones«, denen man überall begegnet, von Honolulu bis San Franzisko, in Chicago und Newyork. »Die Vereinigten Staaten« müßten ihnen verschlossen werden, trotz aller Traktate.
Dann gleiten wir durch die Schimonoseki-Straße in ein großes Bassin, das von Kegelbergen und Zuckerhutinseln bekränzt ist, ein Binnensee, wie eine Förde mit tausend Ausläufern.
Gipfel nach Gipfel löst sich aus dem Frühlingsnebel, als seien es Kulissen in einem Märchenspiel. Über dem blauen Bühnenboden gleiten Fischerboote mit weißen Segeln, deren Spiegelbilder wie ins Wasser geritzt sind. Zwischen den Gipfeln lugen kleine zierliche Spielzeughäuser hervor, mit geschweiften Dächern und einem errötenden Kirschbaum, der sich gegen die helle Wand lehnt. Wir kennen diese Dekoration von Fächern und Wandschirmen her.
Tags darauf, als wir von Kobe im Expreßzug mit Diningcar fuhren, sahen wir das Land hinter diesen Kulissen. Felder lagen neben Feldern, rein und gepflegt wie Beete in einem Gemüsegarten. Einige waren noch von überrieselndem Wasser bedeckt. Arbeiter gingen mit flachen Strohhüten, die unterm Kinn gebunden waren, bis an die Knie im Wasser und hackten die Erde in Häufchen auf, wo Reis gesät werden sollte. Auf einigen Feldern waren die grünen Keime bereits über der Erde. Gerste, Weizen, Bohnen, alles war in Doppeltreihen gesät, wie bei uns grüne Erbsen. Sie standen gleichmäßig hoch und breit, wie Soldaten bei der Parade.
Wir sahen große Felder von jungen, kindergroßen Maulbeerbäumen, aus deren hellem Laub die Seidenraupe Reichtum spinnt für den gelben Mann, mit dem großen Gehirn, dem kleinen Herzen und der Hand von Eisen.
In Kamakura, einer uralten Stadt am Stillen Ozean, ehemals Residenz, jetzt Sommerferienaufenthalt mit herrlichen Seebädern, befindet sich eine der größten Buddhastatuen der Welt.
Über dem Eingangstor zum Klostertempel steht auf englisch:
»Fremder, wer du auch bist und wie dein Glaube auch sein möge, wenn du in dieses Heiligtum eingehst, dann bedenke, daß du einen Boden betrittst, der durch jahrtausendlange Anbetung geheiligt ist. – Dies ist Buddhas Tempel, dies ist das Tor zur ewigen Ruhe. Überschreite die Schwelle mit Andacht.
Auf Befehl des Priors.«
Am Ende des Klostergartens sitzt Buddha auf einer gemauerten Plattform. Sein Kopf reicht bis an die Gipfel der alten Kiefernbäume, die hinter ihm stehen. Ehemals saß er unter einem Dach zwischen 63 Holzsäulen. Die aber hat die Sturmflut gefällt. Er ist über fünfzehn Meter hoch, aus zusammengeschweißten Bronzeplatten; seine Augen aber sind aus purem Gold.
Der erste Eindruck, wenn du von der Mitte des Gartens aus den Kopf zwischen den Baumwipfeln erblickst, ist nicht der des Riesenhaften. Es ist der eines Lebens in Frieden. Das matte Olivengrün der Bronze hebt sich so sanft und prunklos von der blauen Luft und den grünen Bäumen ab, so selbstverständlich dazugehörig, daß man keine Überrumplung, nicht einmal Erstaunen empfindet. Er ist nicht zwischen kleidsamen Baumgruppen aufgestellt, wie ein europäisches Monument in einem öffentlichen Park. Er wirkt organisch, wie eine lebende Seele zwischen lebenden Bäumen, die er ringsherum hat heranwachsen sehen,
Er sitzt in der Hucke, die Hände im Schoß. Der runde, bartlose Kopf ist vornübergebeugt, die Lider sind gesenkt. Das Haar ist in Lockenreihen geordnet, rund wie Rosenkranzkugeln, alle ganz gleich. Das Ohr ist frei und groß; das Läppchen ist durchlöchert und reicht bis an die Schulter. Auf der Stirn, mitten über den langen Brauenbogen, sitzt ein kugelförmiger Knoten, das Symbol der Weisheit. Die Nase ist fein gebogen und hat große, seitlich gewölbte Flügel. Der nachdenklich sinnliche Mund ist ein doppelter Amorbogen mit breit verlaufenden Mundwinkeln, die in milder Ironie zu beben scheinen. Der einfache Kimono ist vorn tief ausgeschnitten, so daß die massive Brust bis zum Magen entblößt ist. Die Hände liegen mit aufwärtsgewandten Flächen und einander berührenden Fingerspitzen im Schoß.
Etwas In-sich-zurückgezogenes atmet aus der breiten Stirn, den gesenkten Lidern, ja, sogar aus den lotrechten Falten des Kimonos, die in vollkommener Symmetrie überm Leib zusammenlaufen. Dies ist in Wahrheit Frieden, und Friede in der Wahrheit.
Der Garten strahlte in Frühlingspracht. Die Nadelbäume hatten helle Fingerspitzen bekommen, die Palmen neue Hüllen. Die Ahornbäume fluteten wie rote Abend wölken. Die Kirschenblüten, gefüllt wie rote Nelken, erröteten wie Morgensonne im Schnee und durchsetzten die Luft mit bittrem Kerngeruch. Die schweren Trauben der süßduftenden blauen Wisteria hingen von dem Gitterdach der kleinen Klosterhäuser herab. Schmetterlinge mit schwarzen Sammetflügeln flatterten von Busch zu Busch. Junge Bambusschößlinge rankten sich blank und widerspenstig um die alten. Da war ein künstlicher Teich mit Felsengrotten und verschlungenen Pfaden und kleinen Brücken aus seltsam geformten Steinen. Im Teich blühte die weiße Lotusblume; und Libellen schwirrten wie kleine Aeroplane über dem Wasser, in dem junge Fichten ihre schamhaft gesenkten Zweige spiegelten. Der Japaner liebt die Natur; sein Garten ist ein lebendes Wesen; jeder Grotte, jedem Hügel, jedem seltsamen Stein gibt er einen Namen.
Ich ging durch die kleine Sommerstadt zu einem anderen Tempel, der dem Gott der Barmherzigkeit geweiht ist und dessen vergoldete, zehn Meter hohe Statue im Halbdunkel hinterm Altar steht. Auch hier befand sich eine Inschrift über der Tempeltür.
»Asiens Licht, der gesegnete Sakyamuni (Buddha) hat den Weg durch manches dunkle und verwirrte Dasein, zu dem heiligen Pfad und reinem Lande gewiesen. Er hat den Fuß zahlloser, müder Pilger zu dem Himmel des ewigen Friedens in Nirwana gelenkt. – Wir beten dich an, o ewiger Buddha!
Der Oberste.«
Zu jeder Seite des Tempeleinganges stand, wie bei allen japanischen Gotteshäusern, ein Türwächter: ein Ungeheuer mit nacktem Oberkörper und hängendem Bauch. Seine verzerrten Bewegungen schrecken böse Geister vom Eingang des Tempels zurück. Auf Stirn, Brust und Leib klebt ihm ein grauer Ausschlag. Das sind Kugeln aus gekautem Papier, die die Gläubigen auf ihn speien, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen. Bleibt die Kugel sitzen, dann wird der Wunsch erfüllt.
Von Kamakura fahre ich mit einer elektrischen Straßenbahn einen Felsenweg am Stillen Ozean entlang.
Wir halten bei einer kleinen Stadt, deren Straßen mit Flaggen und Wimpeln geschmückt sind. In dieser gesegneten Jahreszeit ist ein um den andern Tag ein Fest. Die Knaben lassen ihre bunten Drachen aufsteigen. Längs des Weges stehen Buden neben Buden mit Früchten, Süßigkeiten, Ansichtskarten, japanischem Bier und Sake, dem nationalen Reiswein, der im Geschmack an Scherry erinnert.
Die Straßenbahn hat ihre Endstation bei einem Fischerdorf auf einer sandigen Landzunge, die auf beiden Seiten von der Meeresbrandung eingeschlossen ist. Zur Flutzeit bedeckt das Wasser die Landzunge ganz, zur Ebbezeit ist sie landfest und eine kleine Insel ist ihr vorgelagert, die heilige Enoschima mit der Drachenhöhle.
Die Insel ist ein einziger mächtiger Felsblock mit waldbewachsenen Klüften. Eine kleine weiße Stadt lächelt im Grünen, am Ende der langen Holzbrücke, die die Insel mit der Landzunge verbindet. Die Brücke sieht unheimlich gebrechlich aus, wie sie dort liegt, zu beiden Seiten von der Brandung des Ozeans angeblasen und bespritzt.
An der anderen Seite der Brücke stoße ich auf einen alten Mann mit einem Wanderstab und einem erloschenen Gesicht, der auf Nirwana zuwandert. Er zeigt mir unaufgefordert den Pfad, der zum Heiligtum führt.
Wir steigen langsam über die Stadt hinauf, runden die Felsenecke und bekommen die Sonne geradewegs in die Augen, während der Stille Ozean unter uns lärmt. Wir biegen in eine Kluft ein, mit einer üppigen Wildnis auf dem Grunde; dort wachsen Bambus, Farren, Dornbüsche und wilder Oleander; dort ist ein anmutiger Waldboden in weiß und gelb und rot mit einem Bach, der über Felsenstufen hüpft.
Der Pfad wird schmäler und schmäler. Endlich erreichen wir den Gipfel. Hier liegt ein Teehaus, zur Wetterseite von einer Bretterwand geschützt, gegen die es unablässig donnert, als schlüge das Meer mit Steinen dagegen.
Ich bekomme eine zierliche Matte zum Sitzen und eine lächelnde Gescha, deren schwarzes Haar mit einem hohen Kamm auf dem Kopf aufgesteckt ist, kommt auf ihren Holzpantoffeln angeklappert.
Das nationale Fußzeug hebt seinen Träger hoch über den Schmutz des Weges. Es besteht aus einem flachen Stück Holz auf lotrechten Kufen, die mehrere Zentimeter hoch sind. Es wird mit einem Riemen an den Fuß fest gebunden, der die große Zehe, die ihren eigenen Raum in der weißen Wollsocke hat, von ihren Kollegen trennt. Kein Japaner behält das Fußzeug im Zimmer an; selbst der europäisierte, mit Hut und Jacke Bekleidete, zieht die Stiefel in einem Kupee erster Klasse aus und macht es sich bequem, indem er die Füße unter sich zieht.
Die Gescha zieht die Pantoffel aus, hüpft auf den Boden der Halle hinauf, bückt sich in einem rechten Winkel und versucht auf englisch zu plaudern. Auf einem Holzschemel werden mir Teetopf, Schale und kleine weiße Rundstücke serviert, die aus einem rohen Reisteig, Zucker und Gewürz bestehen. Von der offenen Halle habe ich einen Blick über die Bucht, über die weiße Zunge, die die Steine unter uns spielend beleckt.
Wir stiegen wieder hinunter, kletterten längs des Pfades über den nassen Felsen. Es sauste und seufzte in den verkrüppelten Fichtenbäumen, die sich über meinem Kopf an die Felsspalten klammerten.
Wir gelangten unten zu einer Stelle, wo die Erdbeben von Jahrhunderten ein Vorland von herabgestürzten Felsblöcken gebildet haben. Über den Riesensteinen im Wasser ist eine Balkenbrücke errichtet, die zur Höhle führt. Auf der einen Seite die steile Klippe, die hoch über unsere Köpfe ragt; auf der anderen das lärmende Meer, dessen schäumende Zunge die dünnen Bretter unter uns beleckt. Wenn man daran denkt, daß es unaufhörlich von Australien angerollt kommt, wird einem schwindlig.
Einige fünfzig Meter tief in der Höhle, wo das Tageslicht zu einer bleichen Dämmerung und der Lärm des Meeres fern wie ein Traum geworden ist, hört das Brückengerüst auf.
Ich stehe vor einem buddhistischen Altar, mit einem lackierten Schrein und vergoldeten Symbolen. Dort sitzt ein Amida (Lichtgott) mit Goldglorie um den Kopf hinter dem Schrein und es qualmt von Räucherkerzen.
Ein Priester kommt hinter dem Altar hervor. Er drückt mir einen Lichtstummel in die Hand, zündet ihn und seinen eigenen an und macht mir ein Zeichen zu, daß ich ihm folgen solle. Wir gehen hinter den Altar und auf das Ende der Höhle zu. Es ist ganz dunkel dort und so eng, daß nicht zwei nebeneinander gehen können.
Eiskalte Luft schlägt uns entgegen. Es tropft von den undichten Steinwänden. Wir bleiben vor einem uralten Steinbild stehen. Es ist der Glücksgott, der den Drachen besiegte, in dessen Hause wir sind. Die Decke senkt sich. Das letzte Stück gehen wir gebeugt. Ganz hinten steht ein roh behauener Steinblock. Es ist das Symbol des Drachens. Der Priester zeigt hinter den Stein, wo der Felsspalt so schmal wird, daß nur eine Hand hineindringen kann. Er erklärt, daß die Höhle sich quer durch die ganze Insel fortsetzt, unterm Wasser weitergeht und auf dem Grunde von Japans höchstem Berge, dem heiligen Fuji, endigt.
Es gibt noch eine andere heilige Insel, nicht so geheimnisvoll wie diese, aber schöner. Es ist Miyajima, die drei Meergöttinnen geweiht ist, deren langgestreckter Tempel auf Pfählen ruht. Sie liegt in einem Binnensee, zwanzig Minuten Motorfahrt von der Küste entfernt. Wie eine Böcklinsche Phantasie erhebt ihr seltsam geformter Kopf sich über der bleigrauen Wasserfläche, in düstere Schleier von Braun, Grau und Grün gehüllt. Das Töfftöff unseres Motorbootes wurde mit einem Echo zurückgeworfen, so still war die Luft um sie herum, so hellhörig ihr Frieden.
In dem Augenblick, wo ich meinen Fuß auf ihre Küste setzte, wurde ich von der Verzauberung ergriffen. Nichts Lebendes war auf dem wohlgepflegten Wege zu sehen, der unter Nadelbäumen zum Hotel führte. Keine Rickscha nahm uns in Empfang, kein Hund bellte. Weder Pferde, Hunde, noch Kuli werden auf der Insel geduldet. Bis vor fünf Jahren wurde sie sogar vor Geburt und Tod geschützt. Wenn eine Frau niederkommen sollte, wurde sie aufs Festland hinüber gebracht; sollte ein Mensch sterben, wurde er beizeiten ausgeschifft.
Ich lag auf dem grasbewachsenen Abhang hinter dem Hotel und lauschte dem zarten Sausen über meinem Kopf. Am Fuße des Abhanges ging zahmes Wild und graste längs des Strandweges, einer Allee von Tempelsteinen, die in Granit ausgehauen waren. Aus dem Wasser erhob das rotgemalte, freistehende Tempeltor seine Silhouette von riesenhaften, roh behauenen Balken. Zwischen alten Nadelbäumen, am Fuße des Berges lagen dunkelrote Tempelhallen mit niedrigen, geschweiften Dächern und phantastischen Türwächtern aus Stein, halb Drache, halb Löwe. Fischer und ihre Kinder suchten jetzt zur Ebbezeit Köder auf dem weiten Strand. Gelbgekleidete Priester mit lang herabhängenden Ärmeln standen in stillem Gespräch auf dem weißen Weg. Hinter der ruhigen Wasserfläche hoben sich die Berglinien des Festlandes, mit den roten Reflexen der untergehenden Sonne.
Wir fuhren mit einer elektrischen Bahn durch ein Tal, wo ein kleiner Fluß mit uns um die Wette über Stock und Stein schäumte. Hin und wieder senkte die Berglinie sich und zeigte uns einen blauen Schimmer von dem Stillen Ozean. Rechts blendete die Sonne; als sie schließlich hinter Bergen verschwand, sahen wir Fujis Schneekegel gegen den hellen Himmel, wie ein Geisterhauch auf einer eiskalten Scheibe.
In Yumoto, wo das Tal endigte, wartete eine Reihe Rickschas. Dann ging es im Zickzack den steinigen Bergpfad hinauf, unter überhängenden Felsen, auf denen Baumwurzeln entblößt lagen, wie Krallen, die in die Felsspalten eingehauen waren, und längs steilen, fruchtbaren Abgründen, in deren Tiefe Bäche murmelten.
Die Sterne blitzten auf, unruhig funkelnd, als ginge ein Zugwind über die fernen Flammen. Es wurde kalt und dämmrig. Die Räder ratterten über das lose Gestein. Von der lotrechten Felswand erklang das metallhelle Rieseln unsichtbarer Wasserläufe; tief unter uns lärmte der Flußfall.
Wir kehrten unterwegs in einem Bergkrug ein, wo eine arme Frau mit ihrem Kind auf dem Rücken und mit tiefen Verbeugungen Tee und Reisbrot anbot, während die Kuli sich Saké und Tabak schmecken ließen. Als wir schließlich unseren Bestimmungsort erreichten, war es später Abend geworden.
Miyanoschita ist ein Kurort, berühmt wegen seiner reinen Bergluft, seiner herrlichen Natur und seinen heißen Quellen; und das Fujiya-Hotel ist das beste im ganzen Osten. Es ist von Japanern erbaut und wird von Japanern geleitet. Die Frau des Wirtes steht selbst im Nationalkostüm in der Portierloge und weist die Zimmer an, während ihr Mann im Frack und weißem Schlips herumgeht und repräsentiert. Alle Boys und Mädchen sind Japaner, kleine intelligente, ewig lächelnde Wesen mit lebhaften Bewegungen. In bezug auf Essen, Bedienung und Komfort kann es sich mit einem erstklassigen Hotel in Europa messen; was Reinlichkeit, Höflichkeit und Behaglichkeit betrifft, überflügelt es dieses bei weitem.
Vor dem Hauptgebäude, das in abendländischem Villenstil erbaut ist, liegt ein europäischer Garten, der mit Springbrunnen und Grotten terrassenförmig zum Tal abfällt; hinter dem Hotel aber sind kleine Gärten in japanischer Miniatur angelegt, mit Teichen, Brücken, künstlichen Felsen und einer zierlich arrangierten Flora von Kirschen, Quitten, Ahorn, hängendem Wisteria und Chrysanthemen.
Am nächsten Morgen ließen wir uns in Tragstühlen den Berg hinauftragen, durch eine gutgehaltene Villenstadt mit kleinen blühenden Gärten hinter Bambusgittern, an Teehäusern vorbei, mit offenen Sitzhallen und Läden mit Natur-Souvenirs. Dann kamen wir durch einen Hain von jungen Nadelbäumen zu einem öden Hochplateau.
Von dort ging es abwärts zum Hakonesee. Durch eine Allee von schlanken Kryptomerien erreichten wir ein halbeuropäisches Sommerhotel, wo wir in einer Glasveranda, die übers Wasser gebaut war, unseren Lunch nahmen.
Der Hakone ist ein Bergsee wie tausend andere. Still und blank spiegelt er die grünen Höhen der Ufer, von denen die eine das Sommerschloß des Mikado trägt, das, von einem Kiefernwald verborgen, unzugänglich für Touristen ist. Das Interessante des Ortes ist nicht der See und seine Umgebung, sondern die schöne Aussicht zu dem heiligen Vulkan hinüber.
Vor der Glaswand der Veranda, auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, erhebt Fujis Kegel sich in Hermelin gehüllt, über grünen, runden Höhen. Gleichmäßig gebaut, den ewigen Schnee in harmonischen Schattenfalten auf dem Rücken, liegt sein Spiegelbild im See, wie ein Werk bewußter Kunst. Mit geöffnetem Mund strebt er zum Himmel, als sei er mit einem Sehnsuchtsseufzer nach den Quellen, die sein Feuer geschaffen haben, gestorben. Kein Wunder, daß der Fuji heilig ist: Tod und Ewigkeit begegnen sich in seinem starrenden Schlund.
In einem Segelboot wurden wir mit unseren Tragstühlen, Kulis und allem übergesetzt. Beim Aufstieg auf der anderen Seite des Ufers sahen wir zwei Schlangen, die sich in dem sonnenwarmen Gras wanden. Durch einen Hain von kürzlich ausgesprungenen Laubbäumen erreichten wir ein Dorf, wo die Kuli halt machten.
Der, der als Führer fungierte, machte ein Zeichen, daß wir ihm folgen sollten. Ein Bach mit dampfendem Wasser schäumte unter einer Brücke, die wir passierten. Wir kamen in einen viereckigen Hof, der von Häusern mit offenen Sitzhallen umgeben war. In Decken gehüllt lagen hier Menschen und schliefen auf Matten. Einige saßen in der Hucke und aßen Reis; andere spielten mit Kindern; ein junger Mann blies auf einer Art Harmonika.
Der Führer winkte uns zu einer Ecke des Hofes hinauf, wo wir den dampfenden Bach abermals kreuzten. Unterwegs begegnete uns ein splitternackter Mann, der auf dem Wege zur Liegehalle war. Vor einer Planke machten wir halt. Durch eine Spalte in den Brettern sahen wir in ein Bassin hinunter, wo einige zwanzig Menschen beiderlei Geschlechts, junge und alte, sich in dem dampfenden Wasser behaglich tummelten, das unter der Planke hindurchfloß, das Bassin füllte, auf der anderen Seite wieder hinauslief und zu dem Bach wurde, den wir an zwei Stellen gekreuzt hatten. Sie lachten und schwatzten und winkten uns, daß wir uns auch ausziehen und das warme Bad genießen sollten. Da begriffen wir, daß das Dorf ein Kurort für die armen Eingeborenen sei, wie Miyanoschita für die reichen Fremden.
Als wir wieder über die Brücke gingen, standen drei im Wasser, die Rücken gegen den Strom gestemmt. Es war ein junges Mädchen zwischen einem alten Mann und einer alten Frau. Sie hatten nichts weiter an als ihr Hemd, und betrachteten uns treuherzig. Als die alte Frau unseren Kodak sah, zog sie ihr Hemd übern Kopf und stellte sich in Position.
Von diesem arkadischen Idyll kamen wir über den Bergrücken nach Ojigoku, »der großen Hölle«.
Das ist eine kahle Kluft zwischen grünen Bergabhängen. Es siedet unablässig auf dem Grunde, aus dem Schwefeldämpfe aufsteigen, die die Steine gelb färben. Der Gestank ist erstickend und die Passage gefährlich, weil der Boden bröcklig und lose ist. Ein Fehltritt und man stürzt in die Schwefelgrube. Wir gingen im Gänsemarsch, mit Kulis vor und hinter uns, bis wir über die Schlucht auf die grüne Berghalde hinübergelangten, wo Miyanoschita tief unter unseren Füßen lag.