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Ebenes Land mit verstreuten Felsen von rotgrauem Urstein, die wie Zuckerhüte in die Höhe ragen. Eine Flußlandschaft mit grünen Reis- und weißen Baumwollenfeldern, die sich um ein ausgetrocknetes Flußbett breiten, dessen gelber Sandboden in der Sonne wie eine Narbe leuchtet.
An einer Zwischenstation sahen wir ein Leichenbegängnis, das sich längs der Stadtmauer auf die Ebene zubewegte. Die Leiche wurde auf den Schultern weißgekleideter Männer getragen, mit einem Baldachin überm Kopf zum Schutz gegen die Sonne. Sie war mit Blumen bedeckt, im übrigen nackt und braun. Trommelschläge mit gedämpftem Klang, dazu Gesang im Takt mit dem Marsch, traurig, eintönig, ohne Trost und ohne Hoffnung.
Weihen auf ruhigen Schwingen hatten ein wachsames Auge auf die kleinen grünen Vögel, die zwischen den Telegraphendrähten ein- und ausschwirrten. Zebu knabberten träge an dem versengten Langgras. Antilopen flüchteten beim Anblick des Zuges in die dichten Dhak-Dschungeln. Hirten saßen im Schatten freistehender Bäume mit untergeschlagenen Beinen. In einem Dorf wühlten schwarze Schweine zwischen ärmlichen Lehmhütten den Boden auf, während ein Buckelochse vor einem Spill in trägem Rundgang Wasser aus einem Brunnen zog.
Schließlich erreichten wir Madras.
Dort ist ein altes Hotel, das ich nie vergessen werde: eine vornehme Villa aus den ersten britischen Eroberungstagen, mit luftigen Rundbogen über weißen Säulen, mitten in einem üppigen Palmengarten.
Wir lagen nach dem Lunch in Easychairs und betrachteten den Sonnenschein zwischen den Palmen.
Nicht ein Blatt rührte sich. Eine Zikade sang. Einige Fliegenflügel schimmerten weiter hinten im Licht. Tauben gurrten von der hohen Mauer um den Küchengarten. Einige grüne Papageien machten in einem blühenden Bougainville Liebesspektakel.
Mein deutscher Freund schlief mit tiefen Atemzügen. Auch ich war im Begriff einzunicken, als mein Auge auf eine weiße Gestalt zwischen den Säulen fiel. Ich hatte ihr Kommen nicht gehört. Sie stand wie aus der Erde gewachsen da und starrte mich an.
Ich richtete mich im Stuhl auf, geheimnisvoll berührt von ihrer Anwesenheit. Es war ein Mann. Er legte den Finger auf den Mund, warf einen fragenden Blick auf die Office in der Vorhalle und näherte sich mit raschen, elastischen Schritten.
Als er meinen Stuhl erreicht hatte, setzte er sich vor mir in die Hucke, strich seinen schwarzen, krausen Schnurrbart und flüsterte:
»I can see your fortune.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, ergriff er meine Hand und betrachtete die Innenfläche. Mit den Blicken eines Arztes, der eine Diagnose stellt, nannte er Lebensverhältnisse und Begebenheiten, die vollständig mit der Wirklichkeit übereinstimmten. Durch Bilder, die er seinem indischen Vorstellungskreis entnahm, versuchte er zu erklären, woraus mein Lebenswerk bestehe.
Ob ich meine Zukunft wissen wolle?
Ich nickte und betrachtete den selbstbewußten Ernst in seinem gerunzelten, schweißperlenden Gesicht.
Er zog ein längliches Buch aus seinem Gürtel, mit dicken, gelben Palmenblättern, wie die heiligen Palibücher, die man in den Tempeln sieht. Er zog eine Schnur durch meine Finger und gab mir durch Zeichen zu verstehen, daß ich sie strammen solle. Dann hob er den Schnitt des Buches zur Schnur hinauf und öffnete es dort, wo sie hineinglitt.
Die Seite war voll von geometrischen Zeichen mit Text in indischen Buchstaben. Er betrachtete die Zeichen lange mit gerunzelten Brauen und festgeschlossenen Lippen, darauf ergriff er meine Hand und studierte die Innenseite.
Dann warf er den Kopf zurück, strich sich den Bart und fragte:
»Do you want the truth?«
Ich richtete mich auf, bewaffnete mich mit einem ungläubigen Lächeln und nickte.
»Don't smile!« sagte er streng und wurde rot.
Dann tastete er sich prüfend vorwärts, während sein durchdringender Blick den meinen festhielt. Er flüsterte Dinge, die meine Angehörigen betrüben und Dinge, die sie erfreuen würden. Dinge, vor denen ich mich hüten und Dinge, die ich suchen solle. Oft mußte er Umschreibungen machen, weil die Verhältnisse, die er nannte, ihm fremd waren. Ihm fehlten die Vokabeln, aber der Gedanke war da.
Ich fragte ihn, wie lange ich noch leben würde. Er verglich die Handfläche mit dem Buch und nannte die Anzahl der Jahre. Dann sprang er auf, sah mich fest an und lächelte zum erstenmal.
Meine Hand suchte die Tasche.
»Wieviel?«
»As your Lordship pleases.«
Lordship war nicht wenig. Es war ein Besitztum und ein Vermögen mehr, als er aus meiner Hand herausgelesen hatte. Ich belohnte ihn dementsprechend.
Er verbeugte sich mit der Hand auf der Brust, strich seinen Schnurrbart und verschwand ebenso lautlos, wie er gekommen war.
Wir tranken unseren Nachmittagstee draußen zwischen den Säulen. Während wir dort saßen, kam ein Fakir mit seinem Mündel aus dem Garten.
Der Fakir setzte sich auf die Erde, breitete seine zerlumpte Decke aus und begann schweigend seine Kunststücke vorzuführen.
Er streute einige Muscheln neben der Decke auf die Erde, einige Puppen und einige Steine.
Dann bewegte er die Arme beschwörend darüber, legte seinen Kopf mit den langen Ohren auf die Seite und gluckste wie eine Henne. Und sieh – die Muscheln erhoben sich auf ihrer rosenroten Schale und hüpften auf die Decke, wo sie sich niederlegten, weitere Befehle erwartend.
Dann lockte er die Puppen. Sie wackelten auf ihn zu und legten sich zur Ruhe. Worauf auch die Steine nicht zurückstehen wollten und sich neben die anderen rollten.
Es waren flache, runde Steine, einige so groß wie eine Kinderhand. Wir wogen sie nachher in der Hand; sie waren völlig echt.
Er nannte sie Stück für Stück beim Namen. Sie kamen geradewegs in seine offene Hand gelaufen. Er nahm sie auf und verschlang sie.
Ob wir eine Rupie hätten?
Wir hatten jeder eine. Sie fiel hastig aus dem Portemonnaie. Gleich darauf hatte er auch die Münzen verschluckt. Sie verschwanden in seinem Mund, wir sahen, daß sie seine Kehle passierten, wie man einen Frosch durch einen Storchenhals gleiten sieht.
Er beugte sich vornüber, seine Stirn berührte den Boden. Konvulsivische Zuckungen gingen durch seinen Körper – und da kamen die Steine zum Vorschein, der eine nach dem anderen. Die Rupien aber wollte der Magen nicht hergeben.
Später ließ er Dinge verschwinden, ohne sie zu verschlucken, auf mystische Weise. Er ließ Glaskugeln springen, ohne daß jemand sie berührt hatte.
Auf der Erde lag feiner Sand. Mein deutscher Freund wollte gesehen haben, daß sich etwas zwischen den Sandkörnern bewegte, etwas, das einem Pferdehaar glich und unter der Decke zu endigen schien, auf der der Zauberer saß.
Ich sah es nicht und bezweifelte es.
Der Deutsche war eine skeptische Natur, glaubte weder an Gott noch an Seelenwanderung.
Dennoch mußte ich einräumen, daß es unwahrscheinlich sei, daß dieses zitternde Gerippe von einem Inder mehr von dem Schwergesetz wissen sollte als wir gebildeten Europäer, die wir bereits in der Schule lernen, daß das Schwergesetz das Universum unter dem vornehmeren Namen Gravitation regiert.
Als die Vorstellung vorbei war und er uns bittend seine Hand entgegenstreckte, wiesen wir auf die Schwerkraft unserer Rupien hin, die sich geweigert hatten, seinen Magen durch den Haupteingang zu verlassen. Dennoch fügten wir eine Rupie hinzu, die ohne Umweg, auf dem geraden Wege, der ja der kürzeste ist, in seinem Gürtel verschwand.
Hätte er uns das Kunststück mit dem Samenkorn zeigen können, das im Handumdrehen zu einer Pflanze emporschießt, Blumen und Früchte trägt und stirbt, dann hätten wir ihn wie Lords belohnt. Aber das konnte er nicht. Er hatte weder Samenkorn, Pflanze, noch Blume in seinem Tuch; morgen aber wollte er einen Fakir mitbringen, der aus nichts Pflanzen machen könne.
Als sein Mündel das Silber gesehen hatte, zog er eine Schachtel aus dem Gürtel und ließ einen lebendigen Skorpion heraus, der wie wild herumfuhr und mit seinem giftigen Schwanzstachel in die Luft stach.
Wir zogen unsere Beine schleunigst an uns; er bekam eine halbe Rupie, um das Ding wieder einzukapseln.
Dann schoß einer nach dem anderen aus der Erde: ein einäugiger Verkäufer alter Waffen, die in Deutschland zum Export verfertigt werden, aber ohne Warenmarke. Ein lächelnder Paria mit einem zahmen indischen Eichhörnchen, ein munteres Geschöpfchen, wie man es überall in Indien sieht, mit zwei hellen Streifen längs des Rückens, das in der Sonne spielt, wenn alle anderen Wesen wie betäubt sind.
Sie lösten einander ab, der Reihe nach und ohne kleinlichen Groll. Schließlich ging uns ein Licht auf: es war ein kooperativer Verein. Da zogen wir uns indigniert zurück. Mein Freund schwur darauf, daß der Portier, der fettglänzende, schmierig lächelnde Eurasier mit den feuchten Händen, Prozente bekäme.
Wir machten eine Rundfahrt durch die schwitzende Stadt. Durch das Europäerviertel, das sicher breite Straßen und Gärten vor weißen Häusern hatte; durch Blacktown, die Stadt der Eingeborenen, die sicher schmutzig war, stank und enge Straßen hatte, wo alle menschlichen Funktionen sich breitmachten. Mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen, denn die Hitze betäubte meine Sinne.
Erst als wir uns in einer alten schattigen Allee befanden, bekam ich wieder ein offenes Auge für die Umwelt. Ehrwürdige Laubbäume, deren Namen ich nicht kenne, spendeten herrlichen Schatten. Mein Freund gab vor, daß er den lateinischen Namen wüßte. Er hat die Schwäche, daß er von allem, was uns in der Natur begegnet, den Namen wissen will. Der junge Mann hat noch nicht erfaßt, daß der Charme, Mensch zu sein, und nicht Gelehrter oder Handelsreisender, in der heiligen Unwissenheit besteht. Sie öffnet uns Perspektiven, die uns keine mißverstandene Gelehrsamkeit rauben kann. Sie gestattet uns, mit offenen Augen zu sehen, ohne von einem Schulbuch im Hintergrunde des Gehirns gestört zu werden, dessen »wie hieß es doch noch?« und »wo stand es doch gleich?« uns am Sehen hindert.
Wir fuhren zu einem botanischen Garten hinaus, der sehr reizend war. Die Bäume wurden gehörig von Schlingpflanzen belästigt, aber dazu waren sie da. Und in einem anmutigen, übelriechenden Teich wuchsen richtige Lotosblumen und vertrugen sich Seite an Seite mit kleinen roten und gelben Fischen.
Der botanische Garten lag links von der Allee; gerade vor uns aber war eine Blumenausstellung, Blumenfest, Blumenläden, Blumenmädchen und Blumen.
Von letzteren nur so viel, daß sie strahlend, frisch, groß, in vollen, kräftigen Farben da waren, so wie Gott sie in den Tropen erschaffen hat, wo die Natur sie nicht paart, bis sie grau und unfrisch werden, wie der europäische Schönheitssinn es verlangt. Wir wollen, daß sie vornehm sein sollen. Sie dürfen sich nicht aufdrängen; nicht schreien. Unser Auge ist durch Mangel an Sonne geschwächt.
Hier aber war ein tüchtiges Geschrei. Da waren Farben, die einander übertäubten, Flötenfarben, Posaunenfarben, Trommel und Trompeten. Ich weiß nicht, ob es Preise für die größten Schreihälse gab; aber es sah so aus.
Das besuchende Publikum war in seinen feinsten Seidenkleidern. Frauen in langen, weißen Togen über enganschließenden Röcken strahlten mit den Blumen um die Wette. Helle, grüne, rote, violette Farben umrahmten die mandelförmigen Becher, ich meine, die weiche, ovale Gesichtsform der jungen Hindufräuleins aus der Kaste der Brahmanen, die viermal Geborenen, mit den großen, gewölbten, bläulichen Augäpfeln, die mit so viel Scheu gewappnet sind, weil es bis zum Grunde der schwarzen Pupillen so tief ist. Wer über ihren Rand in den Abgrund hinabblickt, könnte leicht schwindlig werden, abstürzen und sie im Fall mit sich ziehen. Und eine Brahmafrau darf nicht fallen, nicht ein einziger kleiner unautorisierter Kuß ist erlaubt. Die Kaste steht auf dem Spiel, und die Kaste bedeutet die Existenz.
Ach, da waren viele, eine ganze Blumenausstellung, und sie dufteten stärker als die richtigen Blumen nach den wunderbar zusammengesetzten Parfümen, die nach jahrtausendalten, in Radschafamilien vererbten Rezepten, die kein Europäer zu sehen bekommt, gebraut werden. Der Radscha selbst kennt die Zusammensetzung nicht, nur sein Parfümmacher, in dessen Familie das Amt erblich ist.
Sie wandelten zwischen ihren Blumenschwestern, betrachteten sie, rochen daran, küßten sie im geheimen. Die Blumen reckten die Hälse nach ihnen und seufzten, wenn die ältere Frau oder der feiste Bruder, die sie bewachten, sie mit sich fortnahmen.
Zwischen den Blumenläden waren Gemüse- und Obstbuden, wo Eingeborene von niedrigerer Kaste billige Einkäufe machten. Die Waren mußten verkauft werden, denn es war der letzte Tag der Ausstellung. Da waren Buden mit Zuckerstangen und Kuchen, einige hart wie Stein, aus Mandeln, Aniskernen, Ingwer; andere aus weichem Teig. Und um diese Buden schwärmte es von Kindern und Fliegen. Eine alte Großmutter war dazu angestellt, die Fliegen fortzuwedeln; die Augen der Kinder aber klebten am Zuckerwerk und ihre schwarzen Finger berührten es, bevor die Wahl getroffen und das Geldstück abgeliefert war.
Etwas aber war nicht da, was da sein sollte. Nämlich unser lächelnder, blankäugiger, singhalesischer Boy, den wir in Tuticorin gemietet hatten.
Wir hatten ihn allein und verlassen auf dem Bahnhof angetroffen, von einem Herrn zurückgelassen, den er von Darjeeling am Fuße des Himalaja, über Benares, Delhi und Agra zu der äußersten Südspitze von Indien begleitet hatte. Er stand da mit einem Retourbillett nach Bombay, der Stadt seiner Herzliebsten, und seufzte nach einer neuen Herrschaft.
Tausende leben wie er davon, Indien auf diese Weise kreuz und quer zu durchreisen. Denn im Murray und Meyer steht, daß ein Europäer, der Achtung vor seiner weißen Rasse besitzt, nicht allein durch Indien reisen kann. Er muß sich einen Boy mieten, der die Sprache der Eingeborenen spricht, das mitgebrachte Bettzeug im Kupee ordnet, auf das Handgepäck achtgibt, während der Reisende im Refreshment room des Bahnhofs ißt, für einen Gepäckkuli sorgt, wenn umgestiegen wird, und demselben das Gepäck durchs Fenster hinausreicht (selbst trägt er nämlich nicht ein Stück), – kurz gesagt, ihm die Reise möglichst verteuert.
Wir hatten einen guten und lächelnden Boy, der acht Stunden des Tages auf unsere Kosten schlief und aus unserer Unkenntnis der hier gangbaren britischen Flüche Nutzen zog.
A propos – warum gibt es kein Wörterbuch für allgemein gebräuchliche Schimpfwörter in den wichtigsten Sprachen? Jedes Taschenwörterbuch enthält Sätze wie: »Bringen Sie bitte diesen Koffer nach Hotel N. N.« oder dergleichen. In keinem einzigen aber habe ich gefunden, wie es heißt, wenn man auf indisch, arabisch oder tamulisch sagen will: »Kreuzbombendonnerelement, du verfluchter Hund, wenn du nicht augenblicklich und so weiter.« Das ist die einzige Sprache, die die Herren Kuli verstehen – sie haben sie von den Engländern gelernt – und mir fehlte sie oft. Wie zum Beispiel an jenem dunklen indischen Abend auf dem Wege nach Madras, als mein deutscher Freund und ich im vertraulichen Gespräch im Dining-car saßen und auf Wechselgeld warteten. Ohne daß unser Singhalese, der Stationsmaster oder der nußbraune Hinduboy, der uns mit weißen Handschuhen bediente, uns davon verständigt hatten, wurde der Speisewagen ganz einfach abgekoppelt. Nur unser eigenes europäisches Mißtrauen, das durch die Stille um uns herum geweckt wurde, rettete uns. Wir riefen den Stationsmaster aus dem Fenster an, und er pfiff den Zug noch im letzten Augenblick zurück. Unser Singhalese entschuldigte sich damit, daß er in seiner Dienerbox geschlafen habe. Was hätten wir in dem Augenblick darum gegeben, wenn wir die richtigen Worte in seiner eigenen Sprache gehabt hätten. Wir gaben ihm, was wir auf Englisch wußten; seine großen Augen aber weigerten sich fromm, uns zu verstehen. Dann schütteten wir unseren Vorrat in unseren heimischen Sprachen aus, was er interessiert und zuvorkommend anhörte. Erst als wir uns darauf beschränkten mit Augen und Händen zu sprechen, begann er mit dem Kopf zu wedeln, wie es den Tamulen eigen ist; ganz derselbe Ausdruck, als ob ein Hund um Verzeihung bittet.
Nachdem wir mit den Blumen fertig waren und uns vergeblich nach unserem Boy – der auf dem Bock als Führer mit hinausgefahren war – umgesehen hatten, suchten und fanden wir selbst unseren Wagen zwischen der langen Reihe von Pferde- und Ochsenkarren, die von der lokalen Polizei, stattlichen, bärtigen, ernsten und würdigen Sikhs, geordnet wurden. Unser Boy aber war weg.
Welche Blume Indiens ihn behalten hatte, erfuhren wir nicht. Wir hatten uns bereits in Bewegung gesetzt, fest entschlossen, ihn den Blumen zu überlassen, als er hinter dem Wagen hergelaufen kam. Er wußte nichts auf unsere Frage zu erwidern, gab weder Schlaf noch andere Naturbedürfnisse vor, aber errötete so tief, wie es einem Singhalesen mit seiner braunen Haut möglich ist, als wir insinuierten, daß weibliche Blumen mit im Spiel gewesen seien.
Wir ließen ihn neben dem Kutscher aufsitzen, verabredeten aber auf Deutsch, daß wir ihn entlassen wollten, sobald wir nach Bombay kämen.
Als wir diese Stadt erreichten, kam er auf uns zu, als wir hilflos zwischen all unserem Gepäck auf dem Bahnsteig standen, und teilte uns strahlend mit, daß er unterwegs einen »vornehmen« Herrn getroffen habe, der ihn für das doppelte Gehalt engagieren wolle. Er sei sehr sorry, aber er müsse uns den Laufpaß geben.
Dann dankte er uns gerührt für die Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, und winkte zum Abschied mit der Hand, als wir den Bahnsteig verließen.