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An einem dämmernden, indischen Morgen, als die Erde ihren Rücken streckte und alles müde Lebende einen kurzen Augenblick die Wohltat der Erneuerung empfand, erreichten wir Ahmedabad.
Hier wird umgestiegen. Dann geht es über eine lange Brücke, die über das halbausgetrockenete Bett des Flusses Sabarmatis führt, während die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont schlüpfen. Farben dämmern aus dem Grau der Nacht auf. Das fahle Blau des Flußwassers verbindet sich mit dem Schmutziggrau des Sandes und dem Giftgrün der Aloepflanze zu einem launenhaften, wechselnden Opalschimmer.
Wir nähern uns dem westlichen Schatten der Arawulli-Berge, hinter denen sich die tote Ebene der indischen Wüste erstreckt.
Es ist das alte Reich des Großmoguls, auf das wir zufahren. Der letzte wurde im Jahre 1857 von den Engländern nach Rangoon verwiesen. Länger liegt das Märchen also noch nicht zurück.
Ein Land voller Ruinen aus der Zeit maurischer Größe. Ein Land, von eingeborenen Hindufürsten regiert, auf die die britische Regierung ein wachsames Auge hat. Ein Land, wo Weihen und Geier fast zahm sind, wie die Krähen im Norden.
In dem leuchtenden Morgen laufen Scharen von langgeschwänzten, weißbärtigen Affen mit dem Zug um die Wette, heilige Tiere, deren Leben geschützt ist; wer sie tötet, hat es mit sechs Jahren Gefängnis zu bezahlen.
Auf verwitterten Grabsteinen sitzen Pfauen und machen Morgentoilette, spreizen den Schweif in der Sonne und blicken den Zug an, der mit Schlafwagen und dining-car vorbeisaust.
Auf der weißen, sonnenversengten Ebene gehen vornehme Kamele und grasen zwischen den ärmlichen Lehmhütten der Eingeborenen. In einem sonnenweißen Baumwollenfeld steht der mannshohe indische Kranich und schaut sich um; er hat die Haltung und den Blick eines Grandseigneurs. Eine Schar Antilopen steht witternd, die Köpfe auf den zischenden Zug gerichtet, bis sie mit dem Bock an der Spitze davonjagen. Da sind schwarze und weiße Störche. Auf den Telegraphendrähten sitzen blaugraue Ringtauben und gurren, und das Eichhörnchen, das kleine braune, gestreifte indische Eichhörnchen, das so frech und gierig wie eine Ratte ist, sitzt auf der Holzstange und spielt mit seinem Schwanz.
In diesem Lande, wo die Menschen unter der ewigen Sklaverei des Kastenwesens und dem ewigen Sonnenbrand stöhnen, ist alles Leben geheiligt, geschützt durch den Glauben an die Seelenwanderung.
Wer weiß, vielleicht ist das alte Affenweibchen, das dort unterm Baum sitzt und gähnt, deine Großmutter. Vielleicht ist der Pfau, der seine Federn in der Sonne putzt, die Hülle, in der die unsterbliche Seele deines Vaters wohnt. Wehe, wenn der weiße Mann, der mit allerhöchster Genehmigung des Maharadscha in den Dhak-Dschungeln Tiger jagt, sich verleiten läßt, auf einen prachtvoll leuchtenden Pfauenschweif zu schießen. Wenn die schwarzen Augen eines Eingeborenen in seiner Nähe sind, wird es ihm schlecht ergehen; denn im Lande des Maharadschas sind die Pfauen besonders geheiligt.
Es ist Mittag. Der Zug hält. Palanpur steht auf dem Stationsschild.
Wir warten unter einer lotrecht herabbrennenden Sonne, während der Wasserverkäufer mit seinem Ziegenbalg überm Rücken von Kupee zu Kupee geht und mit seinem Messingkummen klappert. Er hebt die nackten Füße mit nervösem Mund verziehen von dem brennenden Kies. Sein dunkelvioletter Schatten reicht kaum bis über den Buckel des Ziegenbalges.
Dann kommt das, worauf wir warten, ein Festzug, mit je drei Mann im Glied.
Es ist der Radscha aus einem kleinen Staat, dessen Mittelpunkt anscheinend Palanpur ist. Er schwankt auf seinen dünnen Beinen in den festanliegenden weißen Gamaschenhosen, als ob ihm die Füße wehtäten.
Seine weißen Whiskers sind in der Mitte des Kinns gescheitelt und seitwärts gebürstet, wie die Stirnhaare eines frisierten Pudels. Das ist Radschamode. Er trägt einen kunstvoll verschlungenen Turban mit einer Vogelfeder und eine faltenreiche Jacke, die unterhalb der roten Schärpe, in Kniehöhe, wie ein gesteifter Rock absteht. In der Schärpe trägt er einen Krummsäbel, dessen Scheide von Edelsteinen blitzt.
Seine bleichen Greisenaugen blicken unbeweglich aus einem Kranz von Runzeln, der sich durch langjähriges, leutseliges Herrscherlächeln eingegraben hat. Obgleich er nur ein Strohmann für the central government in Kalkutta ist, die ihm einen political agent als Ratgeber beigegeben hat, so leuchtet ungeschwächt eine angeborene Hoheit von seiner eckigen Stirn.
Just dieser Agent ist es, auf den unser Zug wartet; er soll ihn über Kalkutta zum alten Lande zurückführen, ihn und seine kranke Lady mit dem lebergrauen Teint, den sie zur Erinnerung an das Kaiserreich Indien mit heimbringt.
The agent, der zur Linken des Radschas geht, und die Beine beim Schreiten sehr hochhebt, hat den britischen Rhythmus, steif und doch frei, schlank, abgemessen. Sein Gestus liegt nicht in den Händen, sondern in dem beherrschten Außenspiel seines ganzen Körpers. Sie haben sich bei der Unterhaltung leicht einander zugewandt; der Inder aber verliert nichts von seinem Herrschergepräge, obgleich seine Wendung vielleicht die entgegenkommendste ist.
Vor dem reservierten Wagen macht die Gesellschaft halt. Der Brite und seine Lady nehmen mit dem Rücken zum Zuge Aufstellung. Der Radscha macht Front zusammen mit seinen Ministern und Hofleuten, bis hinunter zu den lauschenden, spindeldürren Dienern mit den erhobenen Pferdeschweif wedeln.
Der Radscha hält mit spröder Stimme eine Abschiedsrede, und der Brite antwortet in seiner eigenen Sprache.
Jetzt nimmt der Radscha aus einem Korb, den ein Hofmann ihm reicht, eine Girlande von gelben Blumen, die er mit hocherhobenen Armen über den kleinen, flachen Reisehut hinweg der Lady um den Hals legt. Sie dankt hoheitsvoll und neigt ihr Haupt, ohne zu lächeln. Sie weiß, daß dies mehr bedeutet als ein Abschiedsbukett an der Charing cross Station in London; es ist eine Huldigung, die Religion und Segen in sich schließt.
Auch the agent beugt seinen wohlfrisierten Kopf voll Feierlichkeit, während die dicke Kette von gelben Tempelblumen über seinen schwarzen Seidenaufschlag gleitet.
Dann überreicht der Radscha einen bunten Blumenbesen als Handbukett. Jetzt ist er europäisch und galant, und das konventionelle Damenlächeln ist am Platz.
Der Brite und seine Lady steigen ein. Der Zug setzt sich langsam in Bewegung. Der Radscha und sein Hof treten zurück. Indem mein Fenster ihn passiert, kann ich seine Züge in der Nähe sehen. In seinen alten Augen zwischen den Runzeln ist wirklich ein wenig Wehmut. Ob er wohl bei sich denkt: du reist nun stolz und stark heim zu deinem Reich, während ich ewig in dem bleibe, wo ich von Geburt hingehöre, das aber mehr deines als meines ist. Oder denkt er nur: Gott weiß, was jetzt für einer kommt!
Wir erreichten Jaypur. Das ist die Hauptstadt eines Fürstentums gleichen Namens und die Residenz des Maharadschas.
Das Hotel liegt vor den Mauern und ist ein gelbgemaltes, einstöckiges, altindisches Gebäude, mit einer breiten Arkadenveranda längs der ganzen Fassadenlänge.
Der Wirt ist ein großer, geschmeidiger Inder mit aufmerksamen Blicken, der bemüht ist, uns unsere Wünsche von den Augen abzulesen; mit seinem Englisch aber ist es schlecht bestellt. Hinter jeder Säule blicken ein paar verschüchterte Dieneraugen hervor, die ebenfalls unsere Wünsche zu lesen versuchen; wenn sie aber dabei ertappt werden, weichen sie scheu zur Seite. Überall schleichen leise Tritte auf nackten Sohlen über die Fliesen.
In der Hofhalle haben eingeborene Händler ihre Waren ausgebreitet, wie es in indischen Hotels Sitte ist.
Ein Mohammedaner lockt mit blitzenden Damaszenerklingen und altindischen Dolchen. Ein Hindu hält seine Decken gegens Licht, daß die Silberfäden blitzen.
Nach dem Frühstück fahren wir zur Stadt, mit einem Führer auf dem Bock und einem Läufer auf dem Hinterbrett. Wir fahren in einem schnellen Tempo, wie die Europäer es hier zu tun pflegen. Wenn ein Ochsenkarren vor uns ist, fordert unser Läufer das elende Menschenstäubchen, das dort sitzt und mit den Beinen zwischen den Ochsenschwänzen baumelt, mit seiner kreischenden Stimme auf, sich und seine Tiere sofort in das namenlose Nichts aufzulösen, aus dem er entstanden ist.
»Hier kommen zwei Halbgötter mit den Pferden der Sonne angefahren, und du, Karrenkutscher, Sohn eines Hundes, dessen Seele in einer Ratte weiterleben wird, wagst, ihren Weg zu verdunkeln!«
Wie ein König oder zum mindesten wie ein Lakai sah unser Läufer aus, obgleich er sich sicher seit vierzehn Tagen nicht gewaschen hatte und ein Abzeichen von Wagenschmiere auf seiner hinteren Hose trug.
An Stellen, wo großer Verkehr war, sprang er ab und lief vor den Pferden her, aus voller Kehle schreiend, Menschen und Tiere beiseite puffend und uns einen Weg mit seinem Bambusrohr bahnend. Der Schweiß rann in Strömen von seinem nackten Hals. Sein Puls klopfte unter dem Hochdruck von mehreren Atmosphären. Seine Augen strahlten vor Glück und Selbstbewußtsein im Glanz unserer Herrlichkeit. Er war erst siebzehn Jahre alt.
Wir erreichen die Stadtmauer. Sie ist sehr hoch, aus Stein, mit rundgezackter Zinne. Nur die Gipfel der laubreichen Pipalbäume ragen darüber hinaus. Sie hat turmartige Ausbauten und rotgemalte Torhäuser, mit weißen Ornamenten in geometrischer Ordnung. Die Bronzetore messen ihre acht Meter in der Höhe.
Ein reges Verkehrsleben herrscht hier auf dem Wege zur Stadt. Obstwagen, Ochsenkarren, Zebu, die im Vorbeigehen ein Büschel Gras vom Wegsaum zupfen. Ein Lastträger hat seine Bürde abgeladen und reibt seinen bloßen Rücken gegen einen Laternenpfahl. Denn sowohl in wie vor Jaypur gibt es Gasbeleuchtung. Der Maharadscha hat aus Europa entliehen, was er für gut und gesund befunden hat, hält aber im allgemeinen streng auf seine hindustanische Eigenart, seinen persönlichen Geschmack. Hellrot ist seine Lieblingsfarbe, darum sind alle Häuser der Stadt, die in langen Reihen und gleicher Höhe daliegen, in dieser Farbe gestrichen.
Der Maharadscha hat sein eigenes Militär. Auf dem Bergrücken, gegen den die Stadt sich lehnt, hat er ein Fort, in dessen helle Festungsmauer kein Europäer eingelassen wird; drinnen sind zweitausend große, kräftige Leute und eine Militärkapelle, die von einem deutschen Kapellmeister geleitet wird.
Einer der staatlichen Elefanten kommt mitten durch die Straße getrabt, mit goldgefranster Purpurdecke über Stirn, Rücken und Lenden. Auf der Sattelbank sitzen vier Höflinge mit purpurnen Turbanen.
Die Straßen sind rein und gut gehalten. Die Fußsteige sind ebenso breit wie der Fahrweg und auf der äußeren Seite mit Fliesen belegt; an der inneren, der Häuserseite, dienen sie als Hofplatz. Ein Färber hat seine ganze Fußsteigbreite mit neugefärbten Stoffen bedeckt, die in der Sonne trocknen sollen; ein Kornhändler sortiert seinen Reis und seinen Weizen in großen Kübeln.
Mitten in der Straße ist eine viereckige Anlage mit einem Springbrunnen hinter einer Marmorbalustrade. Hier fährt beim Vorstürmen unseres Läufers eine Schar Tauben mit solch tosendem Flügelschlagen in die Höhe, daß ein Kamel, das aus dem Bassin trank, die Flucht ergriff und seinen Herrn fast vom Buckel geworfen hätte. Einige würdige Hinduväter mit weißgemalten Kastenabzeichen auf der Nasenwurzel – einer hat einen Halbmond, ein anderer zwei lotrechte Striche – erheben sich von der Steinkante, wo sie in dem spärlichen Schatten der Balustrade gesessen und ihren Gedanken nachgehangen haben. Sie drohen dem Burschen wegen seiner Ungezogenheit, denn die Tauben sind heilig.
Vor einem Tempel in der Häuserreihe mußten wir gezwungen halt machen, weil eine Auffahrt von Pferde- und Ochsenkarren ihren Inhalt vor dem Tempel entleerte.
Dem ersten Wagen entstieg ein halbwüchsiger Bursche in einem goldverbrämten, seidenen Kaftan, mit einem Krummsäbel in der Schärpe und einer Blumengirlande um den Hals. Er heftete seine naiven Augen auf uns, verzog aber keine Miene in seinem würdigen Gesicht mit dem feierlich zusammengekniffenen Kindermund.
»Das ist der Bräutigam!« sagte der Führer.
Das kleine Mädchen, das an seiner Hand ausstieg, war in ein lose hängendes Seidengewand gekleidet und trug ein rosa Tuch um den Kopf, dessen Fransen ihr in die Augen hingen. Sie hatte schwere Goldreifen an den Handgelenken und hielt einen Zipfel ihres Kopftuches schamhaft vors Gesicht, damit den Barbaren nichts davon offenbar würde. Es war die Braut. Älter als zehn Jahre war sie sicher nicht.
Hinter ihnen kamen die Eltern, noch ganz jung. Die Mutter trug einen Säugling auf dem Arm.
In ihrem Kielwasser war ein Gedränge von Jugend, die ebenso von der Feierlichkeit des Augenblicks ergriffen war wie der knabenhafte Bräutigam, der sich sogar den Anblick unserer europäischen Märchenhaftigkeit versagte.
Alt-Jaypur, auch Amber genannt, liegt eine Meile von der jetzigen Residenzstadt entfernt. Die Stadt wurde im Jahre 1728 verlassen; einige sagen wegen Wassermangels, andere behaupten, weil dem Herrscher prophezeit worden war, daß er nach tausendjährigem Bestehen der Stadt eine neue Residenz gründen müsse, wenn er seines Reiches nicht verlustig gehen wolle.
Es war in Amber, wo der letzte mohammedanische Herrscher 928 Frauen in seinem Zenana hatte; davon waren jedoch nur 28 Ranis, das heißt: Königinnen. Der jetzige Maharadscha ist eine genügsame Natur, oder die Zeiten sind hier, ebenso wie in der Türkei, schlechter geworden. Er hat nur drei echte Frauen und drei, die ihm zur linken Hand angetraut sind, außerdem allerdings 200 Konkubinen.
Die überwiegende Zahl dieser Frauen sind Geschenke von loyalen Untertanen. Hat ein Bürger ein besonders wohlgelungenes Exemplar von einer Tochter, so schenkt er sie seinem Fürsten, der dann, wenn die Gabe sich bewährt hat, seine Erkenntlichkeit erzeigt.
Unter einer strahlenden Sonne fahren wir längs einer alten Chaussee durchs Tal. Zu beiden Seiten breiten sich ungepflegte Gärten vor öden maurischen Landsitzen. Verwitterte Mauern halten die wilde Üppigkeit von Palmen, Aloen und Kandelaberkaktus im Zaum. Sie recken sich trotzig im Sonnenlicht, wachsen über grünbekleideten Marmorbassins ineinander, schießen über schiefe Grabsteine empor, überschatten rundkuppelige indische Mausoleen, wo Pfauen sitzen und sich putzen. Auf einem verfallenen Säulenkopf laust sich ein Affe, während er uns eine Grimasse schneidet.
Hier, in den dichten Dschungeln an der Bergwand, hält der Tiger sich auf. In kalten Winternächten schleicht er sich herab und raubt Kinder und Haustiere aus der rotgemalten Stadt. Für seinen Kopf sind Preise ausgesetzt. Der Maharadscha öffnet europäischen Tigerjägern gastfrei sein Territorium. Prachtvolle Tigerfelle gibt es in der Stadt zu kaufen. In dem hübschen Park, den der Maharadscha der Stadt geschenkt hat, befindet sich ein zoologischer Garten mit einem eingeborenen Königstiger, frisch an Farbe, elastisch an Gliedern. Nicht so ein schlaffer, gebeugter, impotenter Gefangener auf Lebenszeit, wie wir ihn aus den europäischen Marterkammern kennen, sondern ein frisch eingesperrter mit ungeschwächtem Lebensappetit und Speichel in dem halbgeöffneten Maul, das vor Sehnsucht nach der gewürzten Luft seiner eigenen Berge zittert. Ein Wahnwitziger, der seine Knurrhaare sträubt, an den Stäben nagt und seinen Wärter anfaucht, der einarmig ist von einer früheren Tigerbekanntschaft her.
Wir begegneten drei Kamelen in bedächtigem Paßgang, die nicht übermäßig beladen waren. Das Kamel ist hier vornehmer als in Syrien. Ich glaube kaum, daß es sich zu stark beladen läßt. Es weiß, daß es in einem Lande lebt, wo die Tiere eine Seele haben, und daß diese Seele vielleicht früher in einem Radscha gewohnt hat. So etwas verleiht Selbstgefühl
Wir erreichten eine Mauer, die von einem Bergrücken herabkam, die Landstraße mit einem Tor sperrte und einen anderen Berg wieder herauflief. Vor dem Tor stand ein Diener des Maharadscha mit einem Schild vor dem Leib und forderte dem Führer unsere Billette ab Der Wagen durfte nicht weiterfahren.
Wir stiegen aus und hatten einen Spaziergang von einer guten halben Stunde vor uns.
Links erhoben sich in der Sonne auf einer sanft ansteigenden Bergwand die weißen Mauern des alten Felsenschlosses mit seinen Festungstürmen. An seinem Fuß lag zwischen Berg und Landstraße ein halb ausgetrockneter See. Der Führer zeigte uns einige dunkle Flecke im Wasser; das waren heilige Alligatoren, die sich sonnten. Am Ufer standen zwei seidenschwänzige Reiher auf einem Bein und spiegelten sich.
Eine Brücke führte zu einem altmaurischen Schloßgarten. Über einen Pfad zwischen herabgefallenem Mauergebröckel gelangten wir zu dem offenen Festungstor.
In dem öden Schloßhof kniete einer von den Elefanten des Maharadscha auf den Hinterbeinen, während er die Vorderbeine unter den Rüssel streckte. In dieser Stellung nahm er eine Ladung von Touristendamen auf, die eine Leiter, die an seiner Seite angelegt war, zu dem geputzten Rückensattel hinaufstiegen. Der Maharadscha stellt vornehmen, weiblichen Touristen, die das Schloß besehen wollen, Elefanten zur Verfügung.
Wir gingen über den sonnenheißen Platz und gelangten über eine freistehende Treppe zu dem inneren Hof des Schlosses, der in Haushöhe hinter der Brustwehr der Festungsmauer liegt. Er ist mit Marmorfliesen bedeckt und macht durch seine zusammengebauten Flügel einen geschlossenen Eindruck. Auf der einen Seite hat der Glücksgott Ganesch einen prachtvollen Tempel, mit dem köstlichsten Gitterwerk von durchbrochenem Marmor. Auf der anderen Seite liegt der Audienzsaal des Maharadscha offen unter einem säulengetragenen Dach. Hier ruhte er auf einem freistehenden Marmordiwan, mit dem Volk zu seinen Füßen.
Von der Brustwehr blickten wir über die Landschaft. Dort drüben lagen die grauen Ruinen der verlassenen Stadt unter grünen Bergabhängen, deren sanfte Harmonie an Sizilien erinnert. Die dunkle Farbe der Laubtracht, das tiefe Blau des hohen Himmels riefen die schönsten, süditalienischen Erinnerungen in mir wach.
Wir gingen von einer Marmorhalle in die andere, durch enge Korridore, über offene, fliesenbelegte Höfe. Wir standen, das Tal und den See zu unseren Füßen, auf einer unbedeckten Galerie, die die Zimmer der Favoritin mit denen des Königs verband. Wir sahen ihre Schlafkammern, wo das Licht gedämpft und träge wurde, bevor es durch das doppelte Gitter der Marmorwand gedrungen war. Wir standen in dem Badezimmer, wo sie ihren Herrn empfing. In dem Marmorboden liefen offene Rinnen von und zur Badeversenkung, durch die warmes und kaltes Wasser frei fließen konnte.
Wir sahen einen Spiegelsaal, dessen Wände mit Bergkristall bekleidet waren, während die gewölbte Decke mit Arabesken aus schwarzem und weißem Marmor geschmückt war. Und schließlich das private Eßzimmer des Fürsten, einen kleinen eingeschlossenen Raum mit Mosaikbildern an den Wänden, Abbildungen von Benares und anderen indischen Städten. Das Gesetz schreibt vor, daß er allein speisen muß.