Kardinal Wiseman
Fabiola oder Die Kirche der Katakomben
Kardinal Wiseman

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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Die Rettung

Trotz aller Bemühungen, es geheim zu halten, verbreitete sich dennoch schnell die Nachricht von der Entdeckung, daß Sebastianus Christ sei und am nächsten Morgen erschossen werden solle in allen Kreisen, welche irgend eine Verbindung mit dem Hofe des Kaisers unterhielten. Aber auf niemand machte diese zwiefache Nachricht einen so furchtbaren Eindruck wie auf Fabiola.

»Sebastianus ein Christ!« sagte sie zu sich selbst; »der edelste, reinste, weiseste der vornehmen Römer ein Mitglied jener gemeinen, dummen, rohen Sekte? Unmöglich! Und doch scheint die Thatsache so feststehend.

»Habe ich mich denn getäuscht? War er nicht das, was er schien? War er ein gemeiner Betrüger, welcher Tugend heuchelte und im geheimen ein Libertin war? Auch das unmöglich! Ja, dies war in der That ganz unmöglich! Dafür hatte sie sichere Beweise. Er wußte ja, daß er sowohl ihre Hand wie ihr Vermögen hätte erlangen können, wenn er beides verlangt hätte, und er hatte stets großmütig und zartfühlend gegen sie gehandelt. Er war, was er schien, dessen war sie gewiß – nicht vergoldet, sondern echtes Gold!«

Wie denn aber dieses Wunder erklären, daß ein Christ alles war, das da edel, gut und liebenswert?

Die eine Lösung, daß er dies alles sei, grade weil er ein Christ war, drängte sich Fabiolas Seele nicht auf. Sie sah das Problem in einer anderen Gestalt: wie konnte er das, was er war, sein, trotzdem er ein Christ war?

Sie überdachte es fortwährend, aber umsonst. Dann stellte es sich ihrem Geiste so dar: vielleicht hatte der gute, alte Chromatius doch recht, und das Christentum ist nicht das, was ich geglaubt habe; ich hätte versuchen sollen, tiefer in dasselbe einzudringen. Ich bin fest überzeugt, daß Sebastianus niemals all die furchtbaren Dinge begangen hat, deren man die Christen beschuldigt. – Und doch klagt jedermann sie derselben an!

Gab es denn nicht neben der niedrigen auch eine mehr geläuterte Form dieser Religion, grade so wie es in ihrer eigenen Sekte, dem Epikuräismus, zwei Abarten gab? Die eine roh, materiell, im Sumpfe der Sinnlichkeit watend – die andere geläutert, skeptisch und überlegend. Ohne Zweifel gehörte Sebastianus der höheren Form an und verachtete und verdammte den Aberglauben und die Laster der gemeineren Christen. Solch eine Hypothese mochte haltbar sein; aber es war schwer, mit ihrem Verstande zu vereinbaren, daß ein Mann wie dieser edle, hochherzige Soldat jener verhaßten Rasse angehören konnte! Und doch war er bereit, für seinen Glauben zu sterben! Über Zoës und der anderen Schicksal hatte sie nichts erfahren, denn sie war erst Tags zuvor von einer Reise zurückgekehrt, welche sie nach Campania unternommen hatte, um die Angelegenheiten ihres Vaters zu ordnen.

Wie traurig war es doch – so dachte sie – daß sie nicht mehr und eingehender über solche Gegenstände mit Sebastianus gesprochen hatte! Jetzt war es jedoch zu spät. Morgen würde er nicht mehr sein. Dieser zweite Gedanke verursachte ihr den stechenden Schmerz eines Pfeils, welcher mitten ins Herz trifft. Ihr war, als erlitte sie persönlich einen Verlust, als fiele Sebastianus' Schicksal schwer auf jemand zurück, mit dem sie durch ein geheimnisvolles Band eng verbunden.

Ihre Gedanken wurden trüber und düsterer, als sie in der Dämmerung einsam diesen Reflektionen nachging. Plötzlich wurde sie durch den Eintritt einer Sklavin gestört, welche Licht in das Gemach brachte. Es war Afra, die schwarze Dienerin, die kam, um die Abendmahlzeit ihrer Gebieterin, welche sie allein einzunehmen wünschte, herzurichten. Während sie mit diesen Vorkehrungen beschäftigt war, sagte sie:

»Hast du die Neuigkeit schon vernommen, Herrin?«

»Welche Neuigkeit?«

»Nun die, daß Sebastianus morgen früh mit Pfeilen erschossen werden soll. Wie schade! Er war doch ein so schöner, herrlicher Jüngling!«

»Schweig, Afra, wenn du mir nicht irgend welche nähere Umstände über die Sache mitteilen kannst.«

»O gewiß kann ich das, teure Herrin. Und meine Nachrichten sind in der That ganz erstaunlich. Weißt du, daß man in ihm einen jener elenden Christen entdeckt hat?«

»Schweig, ich bitte dich, und schwatze nicht mehr über Dinge, für die du kein Verständnis hast.«

»Gewiß nicht, wenn du mir Schweigen befiehlst. Vermutlich hegst du kein Interesse für sein Schicksal, Herrin. Mir ist es sehr gleichgültig. Er wird nicht der erste Offizier sein, den meine Landsleute erschossen haben. Viele haben sie getötet – aber einige haben sie auch gerettet. Aber das war natürlich nur Zufall.«

In ihren Worten und ihrer Betonung lag eine Bedeutsamkeit, welche dem scharfen Ohr und dem klaren Verstande Fabiolas nicht entging. Sie blickte zum erstenmal auf und heftete den Blick forschend auf das dunkle Gesicht ihrer Dienerin. Dieses verriet keine Bewegung; sie stellte eine Flasche Wein auf den Tisch, grade als ob sie nicht gesprochen hätte. Endlich sprach die Herrin zu ihr:

»Afra, was willst du damit sagen?«

»O, nichts, nichts; was kann eine arme Sklavin denn wissen? Und vor allen Dingen – was könnte sie thun?«

»Komm, komm, deine Worte bedeuten etwas, das ich durchaus erfahren muß.«

Die Sklavin ging um den Tisch herum und stellte sich nahe an das Ruhebett, auf welchem Fabiola lag. Sie blickte hinter sich, neben sich und flüsterte dann:

»Willst du Sebastianus' Leben geschont sehen?«

Fabiola schnellte fast aus ihrer Lage empor indem sie entgegnete:

»Gewiß!«

Die Dienerin legte den Finger an die Lippen, um sie zur Ruhe zu ermahnen und sagte dann:

»Es wird viel Geld kosten.«

»Nenne deinen Preis!«

»Hundert sestertiaUngefähr 16 000 Mark. und meine Freiheit.«

»Ich nehme deine Bedingungen an; welche Sicherheit bietest du mir aber dagegen?«

»Sie sollen nur bindend sein, wenn er vierundzwanzig Stunden nach der Hinrichtung noch lebt.«

»Angenommen! Und welche Sicherheit hast du

»Dein Wort, Herrin!«

»Geh, Afra, verliere nicht einen Augenblick.«

»Eile ist nicht notwendig,« erwiderte die Sklavin ruhig, indem sie ohne Hast die Vorbereitungen für die Abendmahlzeit zu Ende führte.

Dann verfügte sie sich sofort nach dem kaiserlichen Palast und begab sich gradeswegs in das mauritanische Quartier; hier trat sie bei dem Obersten ein.

»Was willst du, Jubala, zu dieser Stunde?« fragte er. »Heute Nacht begehen wir kein Fest.«

»Das weiß ich, Hyphax, aber ich habe wichtige Geschäfte mit dir zu besprechen.«

»Wichtige Geschäfte? Welcher Art?«

»Es handelt sich um dich, um mich, und um deinen Gefangenen.«

»Sieh ihn dir an,« sagte der Barbar indem er über den Hof fort zeigte, auf welchen sein Gemach einen freien Überblick hatte. »Du würdest nicht glauben, daß er morgen erschossen werden soll. Sieh nur wie friedlich und fest er schläft. Er könnte keinen schöneren Schlaf haben, wenn er sich statt dessen morgen verheiraten sollte.«

»Wie wir, du und ich, Hyphax, es am übernächsten Tage thun werden.«

»Komm nur! Nicht ganz so schnell! Es giebt gewisse Bedingungen, die vorher erfüllt werden müssen.«

»Nun, und diese sind?«

»Erstens deine Freilassung. Ich kann keine Sklavin heiraten.«

»Die Freilassung ist mir bereits zugesagt.«

»Zweitens eine gute Mitgift, eine gute Mitgift in der That; denn niemals habe ich mehr des Geldes bedurft als jetzt.«

»Auch die ist mir sicher. Wieviel verlangst du?«

»Gewiß nicht weniger als sechstausend Mark.«Ich führe der Deutlichkeit wegen das Äquivalent in deutschem Gelde an.

»Ich bringe dir zwölftausend.«

»Ausgezeichnet! Woher hast du all dies Geld genommen? Wen hast du beraubt? Wen hast du vergiftet, meine bewundernswerte Priesterin? Weshalb bis übermorgen warten? Laß es schon morgen sein, schon diese Nacht, wenn es dir gefällt.«

»Schweig jetzt, Hyphax; das Geld ist rechtlicher Verdienst. Aber es sind auch Bedingungen daran geknüpft. Ich sagte dir, daß ich auch gekommen sei, um von dem Gefangenen zu sprechen.«

»Nun, was hat er mit unserer bevorstehenden Heirat zu schaffen?«

»Sehr viel.«

»Was?«

»Er darf nicht sterben.«

Der Kapitän glotzte sie mit einem Gemisch von Dummheit und Wut an. Er schien im Begriff, sich an ihr vergreifen zu wollen; aber unerschrocken und unbewegt stand sie vor ihm und schien ihn durch die starke Zauberkraft ihres Auges im Banne zu halten, wie die Schlangen ihres Heimatlandes es mit dem Geier thun.

»Bist du von Sinnen?« rief er endlich aus, »du könntest ebensogut gleich meinen Kopf verlangen. Wenn du das Gesicht des Kaisers gesehen hättest, als er den Befehl erteilte, so würdest du begreifen, daß er in dieser Sache nicht mit sich spaßen läßt.«

»Bah! bah! Mann! Natürlich muß der Gefangene tot scheinen und als tot gemeldet werden.«

»Und wenn er sich dann wieder erholt?«

»So werden seine Mitchristen Sorge tragen, ihn verborgen zu halten.«

»Sagtest du, er müsse noch vierundzwanzig Stunden am Leben bleiben? Ich wollte, du hättest zwölf gesagt.«

»Gut. Aber ich weiß, daß du genau berechnen kannst. Wenn er in der fünfundzwanzigsten Stunde stirbt, so kümmert es uns nicht mehr.«

»Es ist unmöglich, Jubala, ganz unmöglich. Er ist eine zu wichtige Person.«

»Meinetwegen denn! So hat unser Handel ein Ende. Das Geld bekomme ich nur unter dieser Bedingung. Zwölftausend Mark fortgeworfen!« – Und sie wandte sich, um zu gehen.

»Bleib, bleib!« rief Hyphax gierig; der Dämon der Habsucht gewann in ihm die Oberhand. »Laß uns sehen. Wie, meine Soldaten werden die Hälfte des Geldes in Schmausereien und Bestechungen verzehren.«

»Gut, dafür habe ich noch viertausend in Reserve.«

»Sprichst du wahr, meine Prinzessin, meine Zauberin, mein reizender Dämon? Das würde aber zu viel für meine Schurken sein. Wir werden ihnen die Hälfte geben und die andere Hälfte – unserer Mitgift hinzufügen, nicht wahr?«

»Wie es dir gefällt, vorausgesetzt nur, daß die Sache meinem Vorschlage gemäß ausgeführt wird.«

»So wären wir also einig. Er soll noch vierundzwanzig Stunden leben – und dann feiern wir eine prächtige Hochzeit.«

Sebastianus hatte inzwischen keine Ahnung von den liebenswürdigen Unterhandlungen, welche über seine Lebensrettung gepflogen wurden. Denn wie Petrus zwischen zwei Wachen, schlief er einen gesunden Schlaf an der Mauer des Hofes. Ermüdet von der Arbeit des Tages, hatte er die seltene Vergünstigung gehabt, sich früh zur Ruhe legen zu dürfen, und das Marmorpflaster gab ein gutes Soldatenbett. Nach einigen Stunden der Ruhe wachte er erquickt und erfrischt auf, und jetzt, wo alles ruhig war, erhob er sich leise und warf sich mit ausgestreckten Armen zum Beten ans die Knie.

Das Gebet des Märtyrers ist keine Vorbereitung auf den Tod; denn er stirbt einen Tod, der keiner Vorbereitung bedarf. Der Soldat, welcher plötzlich erklärt, daß er Christ geworden, neigt das Haupt und vermischt sein Blut mit dem des Bekenners, den zu töten er gekommen war; oder der Freund von unbekanntem Namen, welcher den Märtyrer grüßt, der zum Tode geht, und dann ergriffen und gezwungen wird, sein Schicksal mit ihm zu teilen – beide sind ebenso vorbereitet auf den Märtyrertod, wie jene, welche monatelang mit Gebeten beschäftigt im Kerker geschmachtet haben. Es ist daher nicht ein Schrei um Vergebung der begangenen Sünden; denn es lebt ein Bewußtsein jener höchsten Liebe in ihnen, das alle Furcht verjagt – eine innere Zuversicht auf jene höchste Gnade welche unvereinbar ist mit Sünde.

Auch bei Sebastianus war es nicht ein Gebet um Mut und Kraft; denn das entgegengesetzte Gefühl war ihm unbekannt. Es kam ihm niemals in den Sinn zu zweifeln, daß er, welcher dem Tode für seinen irdischen Gebieter auf dem Schlachtfelde kühn ins Antlitz geblickt hatte, ihm nicht freudig und zu jeder Zeit, an jedem Orte für seinen himmlischen Herrn entgegentreten würde.

Daher war sein Gebet, welches bis zum Morgen dauerte, eine frohe Hymne des Ruhms und der Ehren für den König der Könige; er vereinigte sich bereits mit den strahlenden Augen und den wehenden Flügeln der Seraphime, um dem Herrn seine nimmer endende Huldigung darzubringen.

Als seine Blicke dann auf die hellen Sterne am Himmel fielen, forderte er sie auf, wachsame Schildwachen zu sein wie er selbst, und ihm die Losung der göttlichen Lobgesänge zu sagen; und als der nächtliche Wind in den blätterlosen Bäumen des benachbarten Hains des Adonis raschelte, gebot er ihm, seine wunderliche Musik einzustellen und sein rauhes Spiel in den zitternden Zweigen zu leiseren Hymnen zu gestalten – die einzigen, welche in diesen winterlichen Nachtstunden von der Erde aufsteigen durften.

Jetzt machte ihn der Gedanke vor Wonne erbeben, daß die Morgenstunde nahte, denn der Hahn hatte gekräht; und bald würde er das leise Säuseln in den Zweigen über ihm zusammen mit dem scharfen Sausen fliegender Pfeile vernehmen, die ihr Ziel niemals verfehlen. Und er bot sich ihren spitzigen Zungen mit Freuden dar, wenn sie auch zischten wie die Schlangen und gierig waren, sein Blut zu trinken. Er bot sich dar als ein Opfer zur Ehre Gottes, als ein Mittel, Seinen Zorn zu besänftigen. Er gab sich besonders hin für die trauernde Kirche und flehte, daß sein Tod ihre Leiden mildern möge.

Und dann stiegen seine Gedanken höher von der irdischen zur himmlischen Kirche empor; sie erhoben sich wie der Adler zum Fluge von den höchsten Spitzen der Berge zur Sonne hinauf. Die Wolken sind geschwunden, und der blaue, duftige Schleier des Morgens ist zerrissen wie der Vorhang des Tempels, und er sieht in die tiefsten Tiefen des Himmels; weit, weit hinein, dorthin wo hinter tausenden von Heiligen und Legionen von Engeln das ist, was Stephanus von der innersten und herrlichsten Himmelspracht sah. Und jetzt verstummt sein Lobgesang; Harmonien schlugen an sein Ohr, zu süß und erhaben, um den Mißlaut irdischer Stimmen zu vertragen; sie erreichten ihn und ergötzen ihn; sie trugen den Himmel in seine Seele – und was konnte er dafür wiedergeben? Es war wie der reinste, erquickendste Bronnen, mehr wie ein Strom des Lichts als wie Wasser; es floß von den Füßen des Lammes her und ergoß sich in sein Herz, das nur stille halten und die Gabe entgegennehmen konnte. In den funkelnden, hüpfenden Wellen, die ihm entgegenschlugen, sah er die Angesichter bald des einen, bald des anderen der seligen Freunde, welche vor ihm aus dem irdischen Leben geschieden waren. Es war als tränken und badeten und scherzten und tauchten und lösten sie sich auf in diesem rieselnden Wasser.

Sein Antlitz glühte, als ob die Vision sich auf demselben widerspiegelte, und die Morgendämmerung (o, welch eine Dämmerung war es) warf ihren rötlichen Schein auf sein Gesicht, als er sich erhob, die Arme in Kreuzesform legte und sich dem Osten zuwandte. So stand er da. Als Hyphax die Thür öffnete und ihn sah, wäre er imstande gewesen über den Hof zu kriechen und ihn auf den Knieen zu verehren.

Sebastianus erwachte wie aus einer Verzückung. Das Klimpern der Sesterzen erklang in Hyphax' geistigem Ohr; so machte er sich denn wissenschaftlich und systematisch an die Arbeit, um sie zu verdienen. Er wählte von seiner Truppe, die aus hundert Mann bestand, fünf Scharfschützen, welche einen fliegenden Pfeil mit einem noch schnelleren zu spalten vermochten, rief sie in sein Gemach, nannte ihnen ihre Belohnung, verheimlichte jedoch seinen eigenen Anteil und bestimmte, wie die Vollstreckung des Urteils vor sich gehen solle. Was die Leiche anbetraf, so hatten die Christen bereits im geheimen eine große Summe für ihre Auslieferung geboten, und zwei Sklaven sollten außerhalb des Hains warten, um sie in Empfang zu nehmen. Bei seinen eigenen Leuten konnte er auf strengste Geheimhaltung rechnen.

Sebastianus wurde in den benachbarten Hof des Palastes geführt, welcher das Quartier dieser afrikanischen Bogenschützen von seiner eigenen Wohnung trennte. Dieser war mit dichten Baumreihen bepflanzt und dem Adonis geweiht. Fröhlich und mutig schritt er inmitten seiner Henker einher, gefolgt von der ganzen Truppe, der allein man es gestattet hatte, Zuschauer sein zu dürfen, wie man sie zu einer gewöhnlichen Schaustellung geschickten Bogenschießens zugelassen haben würde. Der Offizier wurde entkleidet und an einen Baum gebunden, während die auserwählten fünf sich ruhig und gesammelt ihm gegenüber aufstellten. Im besten Falle blieb es doch immerhin ein trauriger Tod. Kein Freund, kein teilnehmender Mensch war ihm nahe: nicht ein einziger christlicher Bruder, welcher den Gläubigen sein letztes Lebewohl hätte bringen oder ihnen seine letzten Worte und die Standhaftigkeit seines Sterbens hätte berichten können. Inmitten des gedrängt vollen Amphitheaters zu stehen, angesichts von hunderttausend Zeugen christlicher Standhaftigkeit; die ermutigenden Blicke vieler zu sehen, und die leise geflüsterten Segenswünsche einiger weniger Freunde zu hören – das hatte etwas Begeisterndes, Tröstendes; es lieh der mächtigen Unterstützung der göttlichen Gnade wenigstens die schwache Beihilfe menschlichen Mitleids. Das Geschrei einer tobenden, empörten Menge erhöht sogar den natürlichen Mut, wie der Ruf des Jägers den gehetzten Hirsch anspornt. Aber diese tote, schweigende Scene bei Tagesanbruch innerhalb des Hofes eines Hauses, wie ein Bündel Heu oder eine ausgestopfte Puppe mit gefühlloser Gleichgültigkeit festgebunden zu werden, damit gemäß dem Befehl des Tyrannen mit kaltem Blute nach Einem gezielt werde; allein zu sein inmitten einer Herde von schwarzen Wilden, deren Sprache sogar fremd und unschön und unverständlich, die aber ohne Zweifel ihre rohen Scherze machten und lachten, wie Menschen es vor einem Spiel zu thun pflegen, von welchem sie sich Belustigung versprechen – alles dies hatte mehr das Ansehen eines Aktes der Grausamkeit, der in einem düsteren Walde von Banditen vollzogen werden sollte, als eine offene und großartige Verherrlichung des Namens Christi: es war einem Morde ähnlicher als dem Märtyrertum.

Aber Sebastianus sorgte sich um alles dies nicht mehr. Engel blickten über die Mauer zu ihm herüber; und die aufgehende Sonne, welche seine Augen blendete und ihn nur zu einem leuchtenderen Ziel für seine Schützen machte, schien nicht klarer auf ihn herab, als das Antlitz des einzigen Zeugen, welchen er dafür hatte, daß er um seinetwillen litt.

Der erste Mohr spannte seinen Bogen – und ein Pfeil saß zitternd in Sebastianus' Fleisch. Die Scharfschützen schossen der Reihe nach, und ein Jubelschrei begleitete jeden Treffer, welcher dem kaiserlichen Befehl gemäß jedem Lebenswerkzeug nahe kam, dasselbe aber sorgsam vermied. Und so ging das Spiel weiter; jedermann lachte, höhnte, lärmte, heulte, spottete und freute sich, ohne einen Funken von Gefühl für den mit Blut besudelten zusammenbrechenden Körper zu zeigen:»Membraque picta cruore novo.« Prudens III 29. alle trieben Scherz und Spott, mit Ausnahme des Märtyrers, dem alles bitterer Ernst war – jeder stechende Schmerz, die langsame Qual, die Erschöpfung, die Müdigkeit, die harten, knotigen Stricke, die angespannte Stellung! O! und auch das standhafte Herz, der unermüdliche Geist, die unerschütterliche Treue, die stille Geduld, die unersättliche Sehnsucht für den Herrn und Heiland zu leiden – das alles war ihm Ernst. Ernst war das Gebet, ernst der Aufblick des Auges zum Himmel, ernst das Lauschen des Ohres auf die Musik der himmlischen Thürhüter, welche ihm die Thore der Ewigkeit öffnen sollten.

Es war in der That ein trauriger Tod, und doch war dies noch nicht das schlimmste. Denn der Tod kam nicht. Die goldenen Thore blieben geschlossen; der Märtyrer im Herzen, welchem noch größerer Ruhm und größere Herrlichkeit auf Erden vorbehalten war, sah sich nicht plötzlich vom Leben zum Tode befördert, sondern er sank nur bewußtlos in den Schoß der Engel. Seine Peiniger sahen, daß sie jetzt die Grenze erreicht hatten, bis zu welcher sie gehen durften: sie durchschnitten die Stricke, welche ihn banden, und Sebastianus fiel erschöpft und allem Anschein nach tot auf den Teppich von Blut nieder, welchen er selbst für sich auf dem Pflaster ausgebreitet hatte. Lag er dort wie ein edler Krieger, so wie er jetzt in seiner eigenen schönen Kirche in Marmor nachgebildet unter seinem Altar liegt? Wir wenigstens können ihn uns nicht schöner vorstellen. Und nicht nur jene Kirche lieben wir, sondern auch die alte Kapelle, welche inmitten des verfallenen Palatin steht, um die Stelle zu bezeichnen, auf welcher er fiel.Auf dem Palatin zwischen den Triumphbögen des Titus und des Constantinus steht einsam eine Kapelle. Es ist die, welche wir erwähnt haben. Vor einer Anzahl von Jahren ließ die Familie Barberini sie renovieren.


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