Christoph Martin Wieland
Menander und Glycerion
Christoph Martin Wieland

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XIII.

Glycera an Nannion.

Der vierzehnte des Elaphobolion war der schönste meines freilich noch jungen Lebens. Ich sah meinem Menander in einem Kreise von vielen tausend Zuschauern, unter dem jauchzenden Zuruf seiner Stamm- und Zunftgenossen, den Siegeskranz der komischen Muse um die Stirn binden, und ich hatte alle meine Schüchternheit nöthig, um vor Entzücken nicht laut auszurufen, und dem ganzen Volk zu verkündigen, daß ich die Geliebte des Mannes sei, auf welchen in diesem Augenblick ganz Athen stolz war.

Da ich nicht zweifelte, daß die Vortrefflichkeit des Stücks, und der Eifer der Freunde des Dichters uns diesmal den Sieg verschaffen würde: so hatte ich alles schon zu einem kleinen Feste vorbereitet, dem es, ich versichre dich, an nichts fehlte, was zur angenehmsten Unterhaltung der Gäste erforderlich war. Mir war es indessen bloß darum zu thun, Menandern Vergnügen zu machen, der kein Freund von großen lermenden Gastmählern ist; und so hatte ich (zumal da unser Saal keine große Gesellschaft faßt) außer Menandern und zweien seiner vertrautesten Freunde Niemand eingeladen, als den Besitzer der Kränzehändlerin, den reichen Xanthippides, der durch seinen Eifer, und die große Anzahl seiner Klienten am meisten zum Glück des Tages beigetragen hatte, und die schöne Bacchis, seine Geliebte, die unter den Hetären unsrer Zeit beinahe das ist, was Lais vor siebzig oder achtzig Jahren war. Du mußt wissen, Nannion, daß meine Blumenkränze zu Athen um einen ungewöhnlichen Preis verkauft werden, und daß die Freigebigkeit Menanders meine Mutter in den Stand gesetzt hat, unser Haus ohne meinen Beitrag zu unterhalten; so daß ich mir unvermerkt einen kleinen Schatz gesammelt habe, den ich (wie du mir zutrauen wirst) bei einer solchen Gelegenheit nicht sparte. Alles gelang mir nach Wunsch. Die Grazien selbst schienen, was sie nach Pindar bei den Götterfesten sind, die Vorsteherinnen des meinigen zu sein; man war lebhaft und fröhlich ohne bacchantische Schwärmerei. Myrto hat ihr Äußerstes gethan; es wurde viel gesungen; der Cyperwein des Xanthippides erweiterte alle Herzen, und eine reitzende junge Tänzerin aus Lesbos, von einer trefflichen Citherspielerin unterstützt, vollendete das allgemeine Vergnügen, indem sie, als die Tafel aufgehoben war, mit einem in einen Knaben verkleideten schönen Mädchen die Fabel von Venus und Adonis so lebhaft und zugleich so anständig darstellte, daß Xenophons Sokrates selbst Vergnügen daran gehabt hätte.

Zwischen den Akten dieses mimischen Duodrama's spielten Bacchis und Xanthippides ihre Rollen nach Vermögen. Es galt, wie ich bald merkte, dem Menander und deiner kleinen Freundin. Bacchis hatte sich in ein sehr verführerisches Kostum gesetzt, und, die Wahrheit zu sagen, selbst für ihren Anschlag auf meinen Freund, des Guten eher zu viel, als zu wenig gethan. Ihre Kleidung war zwar faltenreich genug, aber beinahe durchsichtig; ihre Arme, auf deren Schönheit sie vorzüglich stolz ist, bis an die Schultern bloß, und um ihren wenig verhüllten Busen schlang sich ein breites Band, mit großen Perlen vom schönsten Wasser gestickt, in der Absicht, die blendende Weisse ihrer Haut durch einen Schmuck, der den meisten nicht vorteilhaft wäre, noch auffallender zu machen. Sie hatte sich nach der Tafel in einer reitzend nachlässigen Stellung auf die gegen die Wand aufgeschichteten Polster hingegossen, und schien sich, so oft die Tänzer eine Pause machten, sehr lebhaft mit Menandern zu unterhalten. Meine Mutter, die es zu ihrer Zeit mit der schönen Bacchis vielleicht hätte aufnehmen können, gab sich alle Mühe, den gefälligen Dinias (den Freund Menanders) vergessen zu machen, daß sie dreißig Jahre zu früh in die Welt gekommen war. Mir war Xanthippides zugefallen, der mich in kurzem ziemlich deutlich merken ließ, daß er mich zum Werkzeug seiner Rache an seiner Ungetreuen ausersehen habe; wiewohl ich überzeugt bin, daß sie ihr Spiel mit einander abgeredet hatten: denn beide stehen im Ruf, wenig Anspruch auf Beständigkeit in ihren Liebschaften zu machen. Gern hätt' er meine Schwester Chelidonis, und die kleine Melitta, die für seine Absicht zuviel waren, entfernen mögen: aber sie wußten ihre Rolle, und wirklich thaten wir alle drei unser Bestes, ihn zu unterhalten. Meine Schwestern waren bis zur Ausgelassenheit lustig, sangen ihm ein Sicyonisches Liedchen nach dem andern, und schenkten ihm dazu so fleißig von seinem eignen Cypernwein ein, daß Herkules selbst zuletzt hätte unterliegen müssen. Menander hielt sich tapfrer, als ich ihm zugetraut hatte. er schielte fleißig nach mir, (da siehst du, Nannion, wozu das Schielen bei Gelegenheit gut ist!) denn die schöne Bacchis setzte ihm ernstlich zu, und er schien mir wirklich eine Herzstärkung nöthig zu haben, um in einem so gefährlichen Kampf auszuhalten, und wenigstens nur mit leichten Wunden davon zu kommen.

Endlich brach mit der Morgenröthe das Ende unseres Festes ein. Der gute Xanthippides wurde, in Wein und Schlaf begraben, von vier Bedienten nach seinem Hause im Piräus getragen; und Bacchis, die mir einen kleinen Verdruß über das Fehlschlagen ihres Plans kaum verbergen konnte, bat mich beim Abschied, etwas kalt, um die Fortsetzung der angefangenen Bekanntschaft, und hätte mich gern glauben gemacht, es liege nur an mir, so eifersüchtig über sie zu sein, als ich wolle. »Menander hat alle meine Erwartung übertroffen, er ist ein bezaubernder Mann,« sagte sie mit einem schlauen, viel bedeutenden Blick – Wirklich, versetzte ich mit der harmlosesten Miene von der Welt, wirklich bezaubert er schon seit zehn Jahren ganz Griechenland. Dinias, der einzige ganz Unbefangene unter uns, führte sie in einem mit zwei raschen Thraziern bespannten Halbwagen nach Hause, und der zweifache Sieger Menander, der endlich allein übrig blieb, empfing den Lohn seiner Tugend – rathe, Nannion, in wessen Armen?


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