Christoph Martin Wieland
Menander und Glycerion
Christoph Martin Wieland

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XII.

Glycera an Menander.

Alles ist zu dem kleinen Feste vorbereitet, welches ich den Musen gelobte, wenn sie dir heute den wohlverdienten Sieg verschaffen würden. Mein Herz sagte mir mit Gewißheit vorher, ich hätte keine Fehlbitte gethan. Es war ein schöner Tag, Menander, und er soll mit einer schönen Nacht gekrönt werden. Xanthippides und die schöne Bacchis haben sich in die Wette dafür beeifert, daß dir einmal wieder Gerechtigkeit widerführe. Ich wußte, daß Bacchis schon lange mit dir Bekanntschaft zu machen, und Xanthippides das Original seiner Kränzehändlerin zu sehen wünschte. Ich habe also etwas dir angenehmes zu thun geglaubt, wenn ich sie zu unserm Fest einlüde. Sie werden kommen, und der reiche Herr hat einen großen Korb voll Thasischen und Cyprischen Weins geschickt, um seinen Antheil (wie er uns sagen ließ) zu dem freundschaftlichen Feste beizutragen. Die schöne Bacchis – darauf mache dich gefaßt – wird von Kopf zu Fuß gerüstet, und mit Aphroditens Zaubergürtel um ihren verführerischen Busen erscheinen. Nimm dich in Acht, Menander! Glycera ist vielleicht nicht so ganz harmlos und ohne alle Eifersucht, wie du dir einbildest. Übrigens ist unser Haus wie ein Grazientempel aufgeschmückt, und du wirst es hoffentlich nicht übel nehmen, daß ich die Ersparnisse meiner kleinen Blumenkasse bei einer solchen Gelegenheit nicht geschont habe. Die Küchenmeisterin Myrto hat alle ihre Künste aufgeboten; meine Mutter und meine Schwestern haben sich aus Leibeskräften herausgeputzt; und mit mir wirst du, denke ich, auch zufrieden sein. Ich kenne deinen Geschmack am Einfachen, er ist immer auch der meinige gewesen. – Komm sobald du kannst, und bring deinen Dinias mit, der uns als dein Freund höchst willkommen sein soll.


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