Christoph Martin Wieland
Der neue Amadis
Christoph Martin Wieland

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Der Morgen gieng nun auf, den, aus verschiedenen Gründen,
Die Töchter Bambo's und unsre Verliebten zu langsam finden.
Die Ersten haben sich schon in einem halben Mond
Um Hymens Bild gestellt, und glänzen wie Carfunkel;
Noch niemals sah Leoparde so majestätisch und dunkel,
Nie Colifischette so lose, nie Blaffardine so blond.
Und nun trat Amadis mit seiner geliebten Olinden,
Schön wie der Hymen herein, von Lieb' und Vergnügen entzückt;
Die Schwestern hoffen, ihm werde, sobald er sie erblickt,
Die Farbe von den Wangen schwinden;
Sie machten laut genug, allein er sah sie nicht;
Er sah Olinden nur, sah sie in Amors Licht,
Und hätte Cytheren selbst vor ihr nicht sehen können.
Ihr guten Schwestern, dieß sieht noch keinem Triumphe gleich!
Wie? Fünf Princessen auch nicht einen Blick zu gönnen?
Die Wahrheit zu sagen, es war ein verzweifelter Streich!
Aus Rache hört man alle zugleich,
Indem die Verliebten den Kuß der ewigen Treue sich geben,
Ein lautes Gelächter aus voller Brust erheben.
Allein es daurte nicht lange; denn in dem Augenblick
Hielt ihnen ein plötzliches Wunder den Athem im Halse zurück.
Olinde – ist nicht mehr, und Flördepine glänzet,
Im Arme des schauernden Ritters, mit Hymens Rosen umkränzet.
Wie? rief in süßer Bestürzung der Paladin, und trat
Drey Schritte zurück, wo bist du, liebste Olinde?
Ich, rief sie, Geliebter, ich bins, versöhnt ist das Schicksal, ich finde
In deinen Armen mich wieder! – Hier sprang der Neger geschwinde
Hervor, und rief, und ich bin, der dieß Wunder that!

Denkt, was die Schwestern dabey für große Augen machten!
Sie stunden eine Weile wie kalte Statuen da.
Doch während, daß sie sich bedachten,
Ob, was vor ihren Augen geschah,
Nicht bloßes Blendwerk sey, ersuchte der Neger die Damen
Und Herren allerseits um hochgeneigtes Gehör.

Zu wissen Allen und Jeden, die hier zusammenkamen,
So spricht er, alles dieß ist nicht von ungefehr.
Olinde und Flördepine sind, unter zweyerley Nahmen,
Nur Eine Person, und keine von beyden ist mehr
Das, was sie war. Wie dieses zugegangen,
Dieß kann sie euch selbst am besten erzählen; genug,
Ihr seht, Olinde ist schön, und Flördepine klug,
Was kann ein Bidermann mehr von seiner Frau verlangen?
Der Ritter, aus Liebe, die er zu ihrer Seele trug,
Entschlossen, so häßlich sie war, sie mit zu Bette zu nehmen,
Wird über die Metamorphose sich, wie ich hoffe, nicht grämen;
Man thut nicht oft so einen Zug!
Er suchte ein Ideal, und sucht' es lange vergebens,
Hier ist es! Und macht es nicht die Wonne seines Lebens,
So kann ich nichts dazu; Ich habe das Meine gethan.
Allein, ihr übrigen Töchter von Bambo, meine Kinder,
Ich kann euch so einzeln nicht sehn! Ihr lieget mir nicht minder
Am Herzen als diese; was fangen denn wir zusammen an?
Ihr seht, was hier geschah. Wie, wenn wir, dem guten Exempel
Der Neuvermählten zufolge, uns auf der Stelle gleich
Entschlössen, fünf Paare zu machen? Ihr würdet mir und euch
Viel Müh ersparen; und kurz, Corbleu! aus diesem Tempel
Kömmt keine ledig hinaus! Nur frisch sich resolviert!
Ein Mädchen wünscht sich, so sehr es sich ziert,
Stets einen Mann oder zween; und Männer sollt ihr haben!
Wohlan, Frau Leoparde, der ältesten Schwester gebührt
Die Vorhand; wählen sie einen aus uns fünf rüstigen Knaben!
So spricht er, und schwingt bedenklich den schwarzen Zauberstab,
Der ihm, nach Hobbes, das Recht so laut zu sprechen gab.
Die Damen ließen sich freylich nicht gerne so trotzig behandeln;
Allein was sollten sie thun? Der Neger mit seinem Stab
Wies, wie sie wußten, sich durch keine Grimassen ab;
Er war der Mann dazu, sie alle in Kröten zu wandeln.
He! rief Herr Oberon nochmals, in seinem gebietenden Ton;
Ich dächte, man könnte sich schneller zu einem von Uns entschliessen!
Nun, spricht Leoparde, so sey's Prinz Anti-Seladon!

(Und dankbar wirft sich der Prinz der neuen Diane zu Füssen)
»Nur weiter, Miß Schatulliöse?« – Mit keuscher Röthe reicht
Sie Caramellen die Hand, und – hat das Mißvergnügen,
Daß Caramel hinter ihr weg sich schleicht,
Um seine Hand mit Colifischettens zu fügen.
Beschämt und glühend vor Zorn, doch immer Meisterin
Von ihren Bewegungen wankt die tugendvolle Vestalin
Mit ihrer kleinen Hand nach Bleumoranten hin;
Der Himmel, denkt er, bewahre vor einer so kostbarn Gemahlin!
Und eh die kleine Hand ihn noch erreichen kann,
So faßt er Dindonetten vor Angst mit beyden an.
Der Streich war arg! Allein die Schatulliösen
Sind nicht so leicht aus ihrer Verfassung gebracht.
Sie hatte vermuthlich sich schon auf alle Fälle bedacht;
(Aus ihrer Schnelligkeit, die Frage aufzulösen,
Ob Parasol oder der Neger der Mann sey, schloß man dies
Nicht ohne Grund;) denn, ohne sich viel zu bedenken,
Schien sie geneigt, dem Neger sich zu schenken.
Sie sah ihn, so viel ist gewiß,
Bedeutend an; allein der schlaue Neger fühlte
Sich an die Stirne, und da er aus ihrem Blick
Sehr deutlich sah, wohin sie zielte,
So that er einen Satz zurück,
Nahm Blaffardinen beym Arm, und rief mit herrschender Miene:

Ihr Damen und Herren, das Schicksal thut durch mich
Euch seinen Willen kund. Es wählte für mich und dich,
Gevatter Parasol, und mein ist Blaffardine!
Ich soll die Folie seyn, die ihre Blondheit erhöht;
Denn scheint sie nicht zweymal so blond, wenn sie zur Seite mir steht?
Sie danke mir noch dafür, daß ich zum Schatten ihr diene!
Mit Schatulliösen, der Keuschen, die lauter Seele ist,
Kann nach den Gesetzen der Ordnung sich nur ein Geist vermählen.
Herr Parasol ist ihr Mann; ein wahrer Platonist,
Leicht wie ein Traum und wenig verkörperter als die Seelen
Im Elisäer-Land. Doch, sollten Sie dann und wann
In Fällen, Madame, die man nicht immer zuvorsehn kann,
Was – Sie verstehen mich schon – so steh' ich zu Befehlen.

Trompeten, Pauken und Cymbeln erfüllen itzt die Luft
Mit Jubelgetön, und alles Volk spricht: Amen!
Noch stehen, Hand in Hand, wie träumend, die Herren und Damen:
Als plötzlich ein dicker, vermuthlich magischer, Duft
Den Tempel füllt. Es währt nicht lange, so sehen
Die Damen ihren Papa, den Sultan lobesam,
Den Scepter in der Hand, leibhaftig vor sich stehen.
Schah Bambo wußte so wenig als alle die ihn sehen,
Wie er zu dieser Ehre kam.
Sie rissen sämmtlich, wie leicht zu erachten,
Die Augen mächtig auf. Allein der Neger läßt
Den Sultan nicht lang' im Wunder; er sagt ihm, was sie machten,
Und bittet um seinen Consens zu seiner Töchter Fest.

Ihr hohlt mich eben recht, spricht Bambo, wie ich merke,
Zu sehen, daß man mich bey diesem löblichen Werke
Entbehren konnte. Doch Basta! Die Mädchen giengen aus,
Zu suchen, was sie nicht hatten, und haben Männer gefunden!
Sie konnten allenfalls zu Haus
Das Nehmliche finden. Indessen bin ich den Herren verbunden,
Die sich (hier hebt er ein wenig den Hut)
Mit solcher Waare beladen; ich gebe sie nicht für gut!
Doch hoffen wir, Jeder Topf hat seinen Deckel gefunden.


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