Christoph Martin Wieland
Der neue Amadis
Christoph Martin Wieland

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Zwölfter Gesang.

Der Neger hatte indessen, um seine schönen Gäste
Nach Standesgebühr zu bewirthen, und ihnen von seiner Macht
Ein kleines Muster zu weisen, zu einem herrlichen Feste
Geheime Anstalt gemacht. Er liebte Vergnügen und Pracht,
Und, wie gesagt, es wußte, seitdem es Negern gegeben,
Kein Neger besser als er, zumal mit Damen, zu leben.
Die erste die beste, die seinen kleinen Staat
Auch nur durch einen Zufall betrat,
Fand sich, im Walde sogar, von Sylphen und Amoretten
Wie eine Princessin bedient, fand goldne Ruhebetten,
Erfrischungen, Sorbet, Schokolat,
Und auch bey Nacht, auf einer Ottomane,
Was eine reisende Sultane
Um wohl zu schlafen nöthig hat.

Ob müßige oder böse Leute
Hierüber Glossen gemacht, was diese Großmuth bedeute,
Ist leicht zu errathen. Die Welt ist einmal so;
Allein wir nehmen ein Ding auf seiner besten Seite,
Vorausgesetzt, es habe deren zwoo.
Denn sollten wir eine Nymphe von sechzehn oder so,
Bey einem Santon allein, in seiner Celle betreten,
So müssen wir gestehn, es fiel' uns etwas schwer,
Zu glauben, er habe mir ihr, sein Schalamat zu beten,Santon werden eine Art von Muhammedanischen Einsiedlern genennt, welche bey den Muselmännern, wie leicht zu denken ist, in großer Achtung stehen. Das Schalamat ist eine Gebetsformel, welche die Muhammedaner täglich fünfmal, unter gewissen vorgeschriebenen Beugungen und Cäremonien, herzumurmeln schuldig sind.
Sich eingeschlossen; wiewohl so was von ungefehr
Begegnen kann. – Doch dem sey wie ihm wolle,
Der Neger spielte bey unsern Princessen seine Rolle
Als Meister. Da er sich selbst so vieles Recht erwies,
Und wenig oder gar nichts auf seinen Mund von Corallen,
Und alle übrigen Reize von seiner Person sich verließ,
Beschloß er, durch die Macht, die er vor ihnen bewies,
Der Damen Herz zu überfallen.

Kaum schlüpfte der Sonnenwagen ins Abendmeer hinab,
So sah man den ganzen Garten (er gab
Den Geistern nur einen Wink) in buntem Feuer stehen.
Die Schwestern bekannten: sie hätten, an Bambo's Hofe sogar,
(Wiewohl der Sultan ein Freund von solchen Dingen war)
Nur Schattenspiel, verglichen mit diesem, gesehen.
Die Bäume, die Aeste, das Laub, die Blumen, alles schien
Durchsichtig, wie funkelnde Steine im Sonnenschein, zu glühn.
Dem alten ProteusEiner von den Meergöttern der alten Poeten, von der zweyten Classe. Man schrieb ihm die Gabe der Weissagung zu; man mußte ihn aber vorher binden, und eh er es dazu kommen ließ, nahm er alle mögliche Gestalten an. Daher das Sprüchwort: Veränderlicher als Proteus. gleich, verwandelt sich hier das Feuer
In tausend Wundergestalten, und schimmernde Ebentheuer.
Bald spritzt es in die Luft gleich Wasserstralen empor,
Bald stiebt es in glänzenden Flocken, wie Schnee, zur Erden nieder;
Hier mischen sich neue Gestirne der Sphären erstaunendem Chor,
Dort steigen feurige Drachen, wie aus dem Abgrund, hervor,
Und schütteln Donner und Blitz von ihrem schwarzen Gefieder.
Ein langer grüner Gang, durch den der Neger sie
Zum schönsten Gartensaale leitet,
Wird plötzlich vor ihren Augen zu einer Gallerie
Voll Schildereyen, wozu Vulkan die Farben bereitet.
Hier nähert Zevs, in himmlische Flammen gehüllt,
Der schönen Semele sich, ein Gott in göttlichem Staate
Der Tochter des Staubes. Zu spät erkennt sie im tödlichem Rathe
Der Nebenbuhlerin Wuth.Juno, eifersüchtig über diese sterbliche Nebenbuhlerin, hatte ihr, unter der entlehnten Gestalt ihrer Amme, den verderblichen Rath gegeben, sich vom Jupiter einen Besuch in derjenigen Gestalt auszubitten, wie er sich seiner Gemahlin zu nähern pflege. Er kam also mit Donner und Blitz, und Semele wurde das Opfer davon. Ihr Mund, ihr Busen schwillt
Von überirdischer Glut; doch in den erlöschenden Blicken
Mischt sich in Todesangst wollüstiges Entzücken.
Ihr gegenüber liegt, in Junons Majestät
Und hohen Reiz verkleidet, das schöne Ungeheuer
Das Zevs, an Ixions vermessenem Feuer
Die keusche Gemahlin zu rächen, aus einer Wolke gedreht.
Von Götterwein trunken und heissem Verlangen,
Schleicht Tantals Sohn an Iris Hand herbey,
Voll Hoffnung, bald, von Junons Armen umfangen,
Zu wissen, wie süß der Kuß von einer Göttin sey.
Die falsche Juno scheint, ihn stärker zu entzünden,
Halb lächelnd halb erzürnt sich seinem Kuß zu entwinden.
Sie schlüpft ihm aus der Hand; er setzt ihr hitzig nach;
Stracks füllt ein schwarzer Dunst das ganze Schlafgemach,
Ein Wirbelwind, mit donnernden Blitzen beladen,
Ergreift den Frevler, schleudert ihn
In Einem entsetzlichen Wurf herunter zu den Gestaden,
Wo Phlegetons feurige Wellen in Wolken-Ufern glühn.

Durch solche Scenen, wo Schrecken, Erstaunen und Vergnügen,
Auf seltsame Weise vermischt, die bebenden Sinne betrügen,
Führt sie der zaubrische Mohr in einen herrlichen Saal,
Wovon die Pracht, die Verschwendung der Edelsteine,
Die niedliche Tafel, die ausgesuchten Weine
Bewiesen, daß der Wirth den Elementen befahl.
Sie hatten sich kaum zu Tische gesetzt,
So wurden die Sinne der Gäste durch neue Wunder ergötzt.
Aus nahen und fernen Gebüschen erschallten Symphonien,
Wie unsre Damen noch nie an Bambo's Hofe gehört.
(Mit diesem gewöhnlichen Lob ward das Concert beehrt.)
Sie wünschten, die Wollust davon recht in sich hinein zu ziehen,
Ganz Ohr zu seyn. Aber der Neger, dem ihr Entzücken gefiel,
Entzog sie unvermerkt dem süßen Ohrenspiel.
Unzählige Sylphen, wie Liebesgötter gebildet,
Erfüllten auf Rosengewölken rings um den Saal die Luft.
Von ihrem säuselnden Flug ergoß sich ein lieblicher Duft
Von Nelken, Citronenblühten, und allen Quintessenzen
Der Blumen im Paradies.In Muhammeds seinem nehmlich; denn die meisten Personen dieses Gedichts sind seiner Secte zugethan. Ihr buntes wimmelndes Glänzen
Entzückte das Aug, und in der mittlern Luft
Erscheinen unzählige Regenbogen,
Auf tausendfältige Art in Liebesknoten verzogen,
Worinn, nicht ohne Verdruß des schönen Amadis,
Der Nahme der beyden Schwestern sich leicht entziefern ließ.

Der Neger bildete sich vermuthlich mit seinem Feste
Nicht wenig ein; Auch glänzt im Auge der weiblichen Gäste
Vollkommne Lust. Doch, soll ichs euch gestehn?
Ich hätte mich bey einem solchen Feste
Bald satt gehört, geschmeckt, gerochen und gesehn.
Mir ist nur die Natur in ihrer Einfalt schön.
Ein leichtes Mahl in selbstgepflanzten Schatten,
Durch deren dünnes Gewebe die Abendsonne scheint,
Beym Rosenbekränzten Becher ein muntrer sokratischer Freund,
Und eh zum späten Schlaf die ruhigen Sinnen ermatten,
Aus einem Munde, wo Reiz und Unschuld blüht,
Von Hagedorn ein kleines muntres Lied,
Zu dem sich die silbernen Töne der sanften Laute gatten;
Dieß nenn' ich mir ein Fest! – Doch keiner Seele verwehrt,
Vom Hören schon bey meinem Feste zu gähnen!
Ein jeder reite, vor mir, sein kleines hölzernes Pferd
Nach seiner Weise; dieß ist der Wahlspruch meiner Camönen!
Er zäum' es, wenn er will, anstatt beym Kopfe beym Schwanz;
Wir wollen, ihm zu gefallen, nur leise drüber lachen.
Die große Kunst, den alten häßlichen Drachen,
Der uns zum Bösen versucht, sein Spiel verliehren zu machen,
Ist guter Muth, und Toleranz.
(Doch dieses unter uns! Denn euern Tartüffen, Smelfungen,
Und G**n wird ewig umsonst dieß Liedchen vorgesungen!)

Noch schallte der fröhliche Lerm des Gastmals weit umher,
Als vor des Schlosses goldnen Thoren
Ein Ritter sich hören ließ, der seinen Weg verlohren,
Und, weil ein glücklich Ungefehr
Zu einem Schmaus ihn brachte, (wenn anders seine Ohren
Kein Nachtgeist äfft) für besser fand, davon
Auch seinen Antheil zu nehmen, als, wie ein Erdensohn,
Auf seiner Mutter Schoos bey unbefriedigtem Magen
Und gutem Appetit sein Lager aufzuschlagen.
Ihm ließ, auf seinen Gruß, der Herr des Schlosses sagen:
Wofern er Durst und guten Humor
Zu bringen schwört, so öffnet ihm das Thor!
Der Ritter schwur, er habe seit sechs und dreißig Stunden
Noch keine Zeit zum Tafelhalten gefunden;
Und was den Humor betrifft, laßt euch die Sorge vergehn,
(Sprach er zu einem Edelknaben)
Sobald wir mit unserm Magen uns erst verglichen haben,
So sollt ihr eure Wunder sehn!

Auf dieses wurde der Held beym Glanz von hundert Fackeln,
Und, auf des Negers Wink, beym Spiel
Von hundert mißtönenden Leyern, die ihm entgegenrackeln,
Herbeygeführt. Der Empfang versprach nicht viel;
Allein der Fremde war klug. Ihm winkten schimmernde Flaschen,
Und Schüsseln, wovon der Duft ein Göttermahl versprach,
Und Schönen, die ein Verlangen, dem Neger sie wegzuhaschen,
Beym ersten Anblick erweckten. Der Ritter bezeugte demnach
Sich sehr vergnügt, in einem so schönen Gemach
So gute Musik, und so gute Gesellschaft zu finden:
Und weil die Damen sich stellten, als wäre sein Gesicht
Das Neueste, was sie sähen, so spielt' er, sie zu verbinden,
Die nehmliche Rolle sogleich, und that als kenn' er sie nicht.


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