Christoph Martin Wieland
Der neue Amadis
Christoph Martin Wieland

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Achter Gesang.

Mit gutem Willen der Herren und Damen, die uns lesen,
Sehn wir nach Fräulein Schattulliösen
Und ihrem Ritter uns um, den wir verließen, als ihn
An seinem Liebeswerke, die Dame zu erlösen,
Ein ungenannter Paladin
Zu stören sich erfrechte. Der neue Ritter schien
Ein feiner Mann, und glänzt' in grüngeschmelzten Waffen.
Er stutzte beym Anblick des Enkels vom großen Facardin,
Der ihm die Miene hatte, sich Ehrfurcht zu verschaffen.
»Doch soll er, wer er auch sey, mit meiner Princessin entfliehn?
Halt (rief er) Ritter! und sprich, wie kommst du zu dieser Dame?
Auf welcherley Weis' es geschah, ich habe ein älteres Recht!
Herr Laffe, (versetzt der Andre) ich bin ein Mann zum Geschlecht,
Und trag' ein Schwerdt an der Hüfte, und Boreas ist mein Nahme.
Der Nahme (spricht jener) ist schön, ich mache dem Herrn dazu
Mein Compliment! Allein, ich will die Dame haben!
Du willst (schreyt dieser ergrimmt) die Dame haben, du?
Madam, verzeyhn sie, man muß die ungezogenen Knaben
Ein wenig Höflichkeit lehren. Dieß sagend springt er vom Pferd,
Und faßt den schuppichten Schild, und zieht sein ritterlich Schwerdt.

Sein Gegner ist eben so schnell, von seinem Gaule zu steigen,
Und ihm, wie wenig er sich vorm Dräuen fürchte, zu zeigen.
Ein schrecklicher Kampf begann. Die Hiebe fielen so dick
Wie Hagel auf Helm und Schild. Sie kämpften mit gleicher Stärke,
Mit gleichem Muth, mit gleichem Glück,
Und gleich erfahren der ritterlichen Werke.
Der Enkel Facardins erstaunet und ergrimmt,
Daß ihm der grüne Ritter zum leicht geglaubten Siege
Durch seinen Widerstand fast alle Hoffnung benimmt.
Er fand, daß seine Gestalt, die viel versprach, nicht lüge.

Schon hatte der Kampf zwo Viertelstunden gewährt,
Als beyde um Athem zu schöpfen die Schwerdter ruhen lassen.
Noch waren beyde unversehrt,
Und wollten itzt eben die Schilde zum neuen Streit umfassen,
Als eines Dritten Erscheinung sie in der Arbeit stört.

Es hatte, geweckt vom Donner ihrer Streiche,
Der Triton lange durchs Schilf der Fehde zugesehn,
Doch endlich ruft er dazwischen: Ihr Herren fechtet schön!
So könnte der ganze Tag und zween dazu vergehn,
Und würde nichts ausgemacht; ich rathe zum Vergleiche.
Die Leute raufen sich hier, und wissen nicht, warum!
Denn diese neue Helene, mit eurer Erlaubniß, ihr Herren,
Ist, wie sie steht und geht, mein wahres Eigenthum.
Allein, was hälf es uns, sie in drey Theile zu zerren?
Wiewohl das Ganze vielleicht zuviel für Einen ist.
Um bald aus der Sache zu kommen, entscheide Madame den Zwist!
Sie ist ja groß genug, um für sich selbst zu wählen.
Top! riefen die Ritter, der alte Knabe spricht
Wie ein Orakel! – und jeder, damit ihn zu verfehlen
Ihr weniger möglich sey, entblösset sein Gesicht.

Der grüne Ritter naht der Dame sich ehrerbietig,
Und spricht: Ich hoffte, Madam, vielleicht zu übermüthig,
Es hätte mich ihr Herz von ferne schon erkannt.
Allein so gänzlich ist doch aus ihren schönen Gedanken
Der arme Caramell nicht, dieß wag ich zu hoffen, verbannt,
Im Wählen zwischen ihm und einem Fremden zu wanken!

Mein Herr, spricht Schatulliöse, wiewohl ich, was sie mir da
Zu sagen die Ehre gethan, nicht allzuwohl verstanden,
So klang es doch, als wär' ich ziemlich nah
Mit ihnen verwandt. Ich weiß von keinen solchen Banden!
Ein Mann von Feigenholz, von Erz, von Marmorstein,
Von was Sie wollen, und einer von Fleisch und Bein
Gilt Schatulliösen gleich; ich fühle das Gleiche für beyde,
Für beyde nichts, mein Herr! Ich sag' es niemand zu Leide,
Allein, so ist es! – Sie sprechen von einem ältern Recht,
Herr Ritter Caramell? Ich wollt' es ihnen gönnen,
Allein, das giebt kein Recht, daß sie mich länger kennen;
Und zum Beweise, daß einer von Ihrem Geschlecht
Mir was der Andre gilt, soll dieser edle Knecht
(Sie zeigt auf Boreas) sich meinen Ritter nennen!

Was hör' ich, Götter, was hör ich! Ists möglich? hört ich recht?
Rief Caramell, und zog ganz außer sich den Degen.
Hum! – Hummt der Triton, hier müssen wir uns dazwischen legen,
Sonst giebts ein neues Stiergefecht.
Ich bin ein Gott, ihr Herr'n; zwar nur vom zweyten Range;
Doch wisset, eine Armee von Helden wie ihr seyd
Mit meiner zweygezackten Stange
In Kröten und Frösche zu wandeln, ist eine Kleinigkeit
Für Meinesgleichen. Kann ich zufrieden mich geben,
Corbleu! so soll mir kein Andrer nur einen Finger heben!
Wir kennen das Frauenzimmer, das hier so züchtig steht;
Sie ist noch jung, nicht häßlich, wie ihr seht,
Und spricht Moral, trutz euerm Epiktet!
Doch, (unter uns!) gewisse Sachen
Auf einen gewissen Grad ihr interessant zu machen,
Hoc opus, hic labor est!Hoc opus, hic labor est.
Ein bekannter halber Vers aus dem Virgil; zu deutsch ungefehr soviel als: da liegt die große Schwierigkeit.
– Der Ritter Boreas
Soll, wenn er will, in sechs bis sieben Tagen
Von diesem Punct uns seine Meynung sagen!
Ich bin schon alt, und gönn' ihm gern den Spaß,
Wenn's einer ist, sich auch an dies Problem zu wagen.

Die Dame (aus Furcht, es möchte der alte Wassermann,
Der schwatzhaft war, noch mehr zu ihrem Lobe schwatzen,
Wiewohl im Herzen begierig, die Augen ihm auszukratzen)
Nimmt von der Sonne, die sich bereits zu neigen begann,
Den Anlaß, ihren Beschützer zur Abreis anzutreiben.
Die Ritter hätten sich gerne vorm Scheiden noch geletzt.
Allein des Tritons Schwur, den ersten aufzureiben,
Der seinen Degen zöge, zwang beyde ruhig zu bleiben.
Thor! (spricht er zu Caramellen) so bleibe doch gesetzt;
Du siehst ja, daß dein Zorn die Leute nur ergötzt.
Es giebt noch Wege genug, sich besser zu bewerben!
Komm mit in meine Grotte! Ich habe guten Wein,
Ich wollte mit keinem Faun ihn tauschen,
Wiewohl ich ein Wassergott bin. Weg mit der Liebespein!
Noch gestern schenkte mir ihn die Ungetreue dort ein,
Allein, wir wollen uns wohl auch ohne sie berauschen.
Don Caramell denkt in seinem Herzen: dein Wein,
So gut er ist, würde noch besser zu ihren Küssen seyn!
Doch, weil ihm das Bessere fehlt, so folgt er dem führenden Gotte
Zum Nektarschlauch in seine Perlengrotte,
Und läßt die Ungetreue mit ihrem Mars allein.

Sie tranken die ganze Nacht, und als Aurora die Pforte
Des Morgens eröffnete, legt der Triton sich aufs Ohr;
Und Caramell dankt, und eilt aus dem verhaßten Orte,
Um Dindonetten (die er nunmehr zur Dam' erkohr)
Zu suchen. Er überließ sich seiner schützenden Fee
Und seinem Pferde, bis ihn aus einer waldichten Höhe
Ein helles Geschrey zu Fuße der Stimme folgen hieß,
Die er zu kennen vermeynt. Er schlüpft durch Hecken und Ruthen
Und dichtverwebtes Gesträuch, und hat in wenig Minuten
Den Felsen erreicht, wo sich ihm ein seltsam Schauspiel wieß.

Die Sonne war schon unterm Horizonte;
Doch sah er noch genung, ein starkes Mädchen zu sehn,
Die gegen einen gehörnten weitmaulichten SilenSilen.
Die Faunen heissen bey den alten Poeten auch Silenen; oder vielmehr ist dieses der Nahme der alten Faunen, und im besondersten Verstande desjenigen unter ihnen, der den Bacchus überall auf seinen Zügen wie ein Stallmeister begleitet, und von den Poeten und Mahlern so gebildet wird, als ob sein ganzes Leben ein ewiger Rausch sey; – wenn es erlaubt ist, einen der schönsten Ausdrücke Winkelmanns so zu parodieren.

Mit dickem Wanste, sich wehrte so gut sie wußt' und konnte.
Mit seinen Haaren vermischt lag auf dem Boden verstreut
Der beste Theil von ihrem seidnen Gewande.
Der Ritter kam noch eben zu rechter Zeit.
Denn wenig fehlte, so war das arme Fräulein im Stande
Der ersten Natur. Sie wehrte zwar sich gut;
Allein dem Faune wuchs mit jedem Angriff der Muth.

He! rief Herr Caramell (indem er mit der Fläche
Von seinem Degen dem Faun den Rücken mißt)
Wo macht ein Bidermann sich eines Mädchens Schwäche
Auf diese Art zu Nutze? Zurück! Das Fräulein ist
In meinem Schutze! Mein Stand verbindet mich, daß ich sie räche.

Don Teufel, oder wer du bist,
(Versetzt der Faun, indem er die schmerzenden Lenden sich reibet)
Was geht mein Mädchen dich an? – Du schlägst nicht übel; doch schlecht
Verstehst du dich auf unser Faunen-Recht!
Wie? Meynst du, es sey ihr Ernst, wenn sich das Mädchen sträubet?

»Mein Ernst? – das garstige Thier! – Herr Ritter, glauben sie nur
Dem häßlichen Menschen kein Wort! Er lügts in seinen Rachen!«
Ha! rief der Ritter, sie ists! Sie ist es! Stimme, Figur,
Und alles stimmt überein, zum glücklichsten Mann mich zu machen.
Princessin! fährt er fort, und nimmt und küßt ihr die Hand,
Ich bin Don Caramell; ich zieh im ganzen Land
Sie aufzusuchen umher: und, dank den Amoretten,
Die mich geleitet! ich langte zu rechter Zeit noch an,
Sie aus den Klauen von diesem Wilden zu retten.

Der Herr ist etwas grob für einen Edelmann;
(Fällt ihm der Faun ins Wort) Nichts von dem Rechte zu sagen,
Das bey uns Faunen die Mädchen, die sich in Wälder wagen,
Seit unfürdenklichen Zeiten für gute Prisen erklärt:
Sprich selbst, verkehrtes Ding! – Du bist seit etlichen Tagen
In meiner Gewalt, was kannst du über mich klagen?
Sag, hab ich dich nicht mit Datteln und Trüffeln genährt,
Dich und dein Eichhorn! Und sag, wer bracht es dir zurücke!
Wer klettert auf jeden Baum, und kroch durch jeden Strauch,
Und brach sich um deinetwillen wohl zehnmal das Genicke?
Dein kleiner Faun, nicht wahr? Kaum liebt' ich meinen Schlauch
So zärtlich wie dich! Auch gabst du mir immer die freundlichsten Blicke!

Herr Ritter, alles, was er spricht,
Ist wahr, versetzt die Princessin; den Leuten ein freundlich Gesicht
Verleihen, hört ich stets, sey junger Damen Pflicht;
Die Amme sagte mirs täglich. Und wenn ich ihm gefalle,
Wer wehrt es ihm? Das müssen wir Damen alle
Geschehen lassen. Allein, das ist die Sache nicht!
Denn, denken Sie nur, Herr Ritter, – ich schäme mich recht, es zu sagen,
Er will mich – denken Sie nur, das unverschämte Gesicht!
Heyrathen will er mich! – Es ist nicht zum Ertragen!
Er spricht den ganzen langen Tag
Von nichts als von den kleinen Faunen,
Womit er den ganzen Wald bevölkern will; ich mag
Nicht sagen, was er spricht! Sie würden ganz erstaunen!
Herr Ritter, Sie kennen ja meinen Papa?
Was würde mein Papa zu solchen Enkeln sprechen!
Er würde mich mit eigner Hand erstechen!

Das soll er, rief der Faun, wohl bleiben lassen, beym Pan!
Ists nichts als dieses, so fangen wir diese Nacht noch an.
Denn kurz und gut, ich bin kein großer Sprecher,
Und daß ich Spaß verstehe, das weiß der Ritter. Allein
(Hier schwingt er drohend den Thyrsus) gefoppt will ich nicht seyn!
Mich freut des Ritters Ankunft; er soll von meinem Wein
Auf deine Gesundheit trinken! – (Er füllt dieß sagend den Becher)
Es lebe die Braut, Herr Ritter! – Keinen Groll!
Dein Nahme? – »Caramell« – Gut! mein erstes Faunchen soll
Den Nahmen haben! Es ist ein hübscher Nahme!
Der Ritter trinkt, und mahlt nun selbst der Dame
Aus billiger Furcht vor seinem Thyrsusstab
Der kleinen Faunen Reiz mit warmen Farben ab.


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