Christoph Martin Wieland
Der neue Amadis
Christoph Martin Wieland

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Der Ritter, der Dindonetten von ihrem guten Glücke
Entgegen geführt ward, erkannte beym ersten Blicke
Die Tochter Bambo's. Es war der Prinz von Trapezunt,
Der, ewig von Leoparden aus ihrer Atmosphäre
Verbannt, mit seinem Herzen den Bund
Beschworen hatte, der Ersten (vorausbedungen, sie wäre
Nicht gar zu ungestalt, noch unter seinem Stand)
Sein vorbesagtes Herz auf ewig einzuräumen.
Denkt, ob es fröhlich ihm schlug, als plötzlich zwischen den Bäumen
Ihm Dindonett' entgegenlief,
Um Schutz ihn bat und ihm beym Namen rief!
Nie war sie ihm so reizend vorgekommen.
Und würklich hatte der Vorgang ihren frommenEs versteht sich von selbst, daß das Wort fromm hier in derjenigen altdeutschen Bedeutung genommen wird, worum man auch zu sagen pflegte, ein frommes Pferd, ein frommes Schaf, u. s. w.
Nichtssagenden Augen, in die man ohne Gefahr
Sonst sehen konnt', ein Feuer, das ihnen nicht eigen war,
Mehr Röthe den runden Wangen, den schlaffen Zügen mehr Leben,
Und ihrer ganzen Person was Interessantes gegeben.
Der Ritter, der so manches Jahr
Von allen Gefährten der Liebe nur Schmerz und Verzweifelung kannte,
Glaubt, neugebohren zu seyn, so oft ihr mildes Gesicht
Und ehrliches blaues Aug' ihm wohl zu begegnen verspricht,
Und segnet die Stunde, da ihn Frau Leoparde verbannte.
Das runde Fräulein, sobald sie erfuhr,
Er sey von jener in ganzem Ernst entlassen,
Trug kein Bedenken, sich von ihm lieben zu lassen.
Denn würklich war sie die beste gefälligste Creatur;
Unfähig, auf ein Herz, das einer andern gehörte,
Den mindesten Anschlag zu machen, und in so ferne nur
Kein Mensch in ihrer Ruh und guten Laune sie störte,
Sich selbst und allen Wesen gut;
Stets willig zu glauben was ihr die Leute sagten,
Nie gegen jemand auf der Hut,
Doch Faunen und Cabbalisten, die ihr zu nah sich wagten,
Zurückzutreiben voller Muth;
Hingegen mit Männern, die sich auf Gnad' und Ungnad' ergaben,
Wie Bleumourant, geneigt, so freundlich umzugehn,
So frey und unbesorgt, als wären's lauter Combaben;
So war Sie! Und möchte die Welt viel solcher Mädchen haben!
Wir würden die goldene Zeit bald wiederkehren sehn.

Der günstige Leser muß von selbst schon angemerkt haben,
Daß, falls man dieses Werk (das weisen Leuten vielleicht
Um sechzehn Gesänge bereits zu lange däucht)
Nach Bernhard Tassos Art, in hundert dehnen wollte,
Der Stoff dazu so bald nicht fehlen sollte.
Doch offenherzig zu reden, wie wir bisher gethan;
Der Dichter selbst so gut, als wer ihn ließt, fängt an
Sich herzlich nach dem Schlusse zu sehnen.
Nichts leichters wäre wohl, als noch zehn Jahre lang
Die Töchter Bambo's auf ihren langhalsichten Thieren
Bis zum fünfhunderten Gesang
Die Welt durchtraben zu lassen, in seltsame Avantüren
Sie einzuflechten, mehr Narren und Närrinnen aufzuführen,
Als Doctor Sebastian Brand in seinem Narrenschiff,
Und alles mit Hülfe von Merlin und Alquif
Und von Urganden, der Weisen, so untereinander zu rühren,
Daß endlich weder die Leser noch wir
Uns mehr herauszufinden wüßten,
Und daß wir zuletzt, zum Zeichen, das Lustspiel ende sich hier,
Den Vorhang fallen lassen müßten.

Davor sey unser Genius!
Wir eilen, wie gesagt, – jedoch mit Weile – zum Schluß.
Und weil, bald anzulangen wohin man reiset, immer
Das Sicherste war, den nächsten Weg zu gehn,
So soll Don Bleumourant mit seinem Frauenzimmer
Sich noch vor Tafelszeit im Schloß des Negers sehn.

Doch, eben sehen wir dort noch einen von unsern Leuten
In diesem bezauberten Walde, wo unsre Scene liegt,
Wohin sein Pferd ihn führt, ganz niedergeschlagen reiten.
Wenn uns sein Sonnenschirm nicht trügt,
So ist es Parasol, der seit er den Fächer verlohren,
Ut iniquæ mentis asellus,Anspielung auf den bekannten Horazischen Vers:

demitto auriculas ut iniquæ mentis asellus;
ich senke die Ohren, unmuthig und übellaunig, wie ein Eselein, das den Spleen hat.

mit niederhängenden Ohren
In diesen Gegenden irrt, und seiner Thorheit flucht.
Er hatte die Fee Mab vergeblich aufgesucht;
Die schweifte herum, Princessen und Prinzen zu begaben,
Und dachte wenig an ihn. – Nun, da wir überdieß
Die Blonde der Blonden (die ohne Ritter und Knaben,
Seitdem der Neger sie aus seinem Schlosse verwies,
Herumirrt) zu versorgen haben,
Was dünkt euch, wenn ich sie unter der Hand
Mit Parasol zusammenbrächte?

Die Wahrheit, wiewohl die Princessin es niemals eingestand,
Ist kürzlich: Sie reißten bereits zween Tag' und etliche Nächte
Auf Einem Pferde zusammen. Und jedem, wer er sey,
Der etwas zu ihrem Nachtheil daraus vermuthen möchte,
Verhalten wir nicht, die Dame gewann nicht viel dabey.
So blond und fade, so reich an kleinen Mährchen,
An Liederchen, Epigrammen, und ärgerlichen Histörchen
Don Parasol war, so wenig in der Kunst,
Nonsensicalische Dinge mit guter Art zu sagen,
Ihm jemand gliech; was halfs? der blonden Dame Gunst
Ward nicht so leicht davon getragen.
Zwar schien er ihr noch immer gut genug,
Aus Mangel ihres Papagayen,
Zu seinem Gequäck' ein schläfrig Ohr zu leyhen;
(Denn Blaffardine hielt nicht viel auf Tändeleyen;
Wiewohl sie selbst nicht schwer an ihrem Witze trug)
Doch, sprach sie (und dacht' in diesem Stücke klug)
Man muß sich schon mit dem, was da ist, amüsieren.
Wär's ein Perücken-Kopf. Doch, wie sich die hübschen Herr'n
Von dieser Classe gar zu gern
Zu schmeicheln pflegen, so glaubte das kleine Männchen, nicht fern
Vom Glück zu seyn, ihr Herz zu rühren.

In dieser Lage traf der Prinz von Trebisond
(Der, seit die gute Dindonette
Sich seines Herzens erbarmte, nicht mit dem Kaiser im Mond
Sein neues Glück vertauschet hätte)
Die beyden Reisenden an. Wir überhüpfen die Freude
Der Töchter Bambo's, und alles, was sich beyde
Beschützer Schönes gesagt. Sie priesen den Zufall darob;
Allein dem Neger gebührte das Lob,
Der alles heimlich vorbereitet,
Was Bambo's Töchtern wiederfährt.
Unwissend, daß sie zurück in seine Arme kehrt,
Wird Blaffardine, von ihrer Schwester begleitet,
Durch einen verborgenen Weg in seine Gärten geleitet.


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