Christoph Martin Wieland
Der neue Amadis
Christoph Martin Wieland

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Der Neger seines Orts thut, was dem Herrn vom Hause
Geziemt, und heißt den Ritter zu seinem besten Wein,
Und allem was sein Schloß vermag, willkommen seyn.
Der Fremde schickte sich vollkommen gut darein,
Und drauf erfolgt, wie billig, eine Pause,
Worinn er sich durch seinen Hunger dem Mahl
Und durch die schönste Reyhe von Zähnen den Damen empfahl.
Indessen gieng ein mächtiger goldner Pocal,
Bereichert mit Amethysten, Rubinen und Topasen,
Auf unsers Ritters, und seiner erlauchten Vettern und Basen
Und Neffen Wohlergehn, und auf die glückliche Wahl
Von einer schönen Braut, und so weiter, – so manchesmal
Vom Neger zu ihm, und von ihm zum Neger, bis beyder Nasen
Dem stolzen Kamm von einem Indischen Hahn
Die Farbe streitig machten. Kaum setzt der Ritter nieder,
So kömmt der höfliche Wirth mit einem vollen wieder.
Man glaubt, er habe dieß aus Politik gethan.
Denn, seit der Traubensaft von Schiras, Alicante,
Vom Vorgebürg, und vom Vesuv,
Dem Ritter durch die Adern rannte,
Vergaß er unvermerkt, daß keine der Damen ihn kannte.
Er fühlt' auf einmal einen Beruf
Galant zu seyn, und zärtliche Sachen zu sagen,
Sein Herz zur Rechten und Linken sehr dringend anzufragen,
Und wenn auf einen Moment der Neger seitwärts sieht,
Verliebte Stürm' auf Lippen und Busen zu wagen.
Die schöne Colifischon (die sich schon lange bemüht,
Durch ihre Künste den Ritter der keuschen Schwester zu stehlen)
Ließ ihres Orts es ihm nicht an Ermuntrung fehlen.

Der Neger, – wiewohl er bereits dem Zustand nahe war,
Worinn der Vater Silen, von einem nervichten Paar
Satyren halb zu beyden Seiten getragen,
Halb taumelnd auf seinem Thier, dem tygergezogenen Wagen
Des Bacchus folgt, – war doch noch weise genug,
Mit blinzenden Augen ganz still die Entdeckung zu machen,
Daß seine Göttin ein wenig verdächtig sich betrug.
Es schien ihm nicht genug, den Drachen
Deßwegen zu spielen, und doch zuviel dabey zu lachen;
Zumal da Schatulliöse, mit ihrem Amadis
In Augengespräche vertieft, nicht sehr geneigt sich wies,
Zu seinen plumpen Schmeicheleyen
(Wodurch er sich bey ihr ein wenig zu zerstreuen
Versuchte) Ohr noch Hand, noch Lippen herzuleyhen.
Das klügste schien demnach zu seyn,
Den nebenbuhlerschen Gast in eine See von Wein
Bis über die Ohren zu stürzen. – Allein
Der Ritter Caramell (Ihr habt doch schon errathen,
Daß er es war?) ergab so leicht sich nicht.
Er that mit Amorn und Mars und Bacchus gleiche Thaten,
Und hielt's für eines Ritters Pflicht,
Vom Kampfplatz eher nicht zu weichen,
Als bis sein Feind zu Boden lag.
Ein Scythisches Axiom, worinn auf diesen Tag
Ihm zwischen dem Ister und Rhein viel edle Knechte gleichen!
Er hielt sich wie ein Held, wiewohl ihn Amadis
Beym dritten Deckelglas bereits im Stiche lies,
Und trank so ritterlich, daß endlich, aufs Haupt geschlagen,
Und ohne Gefühl von Gnomen zu Bette getragen,
Der Neger das Feld und die Damen dem Sieger überlies.

Der Ritter hatte nun den alten Ruhm der Scythen
(Von denen er Landsmann war) behauptet wie ein Held.
Doch Nutzen davon zu ziehn, blieb diesmal ausgestellt.
Er hatte den Sieg sehr theuer erkaufen müssen; ihm glühten
Die starren Augen, er spitzte vergebens zu einem Kuß
Den unbeweglichen Mund, kurz, weder Hand noch Fuß
Noch Zunge wollten mehr von ihm Befehle nehmen.
Er folgte demnach der Damen gutem Rath,
Und legte sich, in seinem vollen Staat,
Nicht ohne seines Siegs ein wenig sich zu schämen,
Auf einen Sopha hin; – wo bis zum nächsten Mittag
Er unsertwegen in Ruh sich nüchtern schnarchen mag!

Herr Amadis blieb nunmehr, wiewohl mit Keuschheits-Wächtern
Von allen Seiten umringt, allein bey Bambo's Töchtern.
Doch, da der letzte Versuch mißlang,
Den Colifischon auf seine Zärtlichkeit wagte,
Bewies ihr plötzlich der Lerchengesang,
Daß es auf unsrer Hälfte der Erdenkugel tagte.
Sie nahm die Schwester beym Arm, wie zärtliche Schwestern thun,
Und wünschte dem spröden Ritter mit Lächeln, wohl zu ruhn!
Vier Sylphen leiteten sie beym Schimmer
Von Fackeln aus Aloeholz in ihre bestimmten Zimmer;
Und unser Held, dem seine Schwärmerey
Beredet, daß der Schlaf ihm unanständig sey,
Geht, glücklich in seinem Wahn, um unter düftenden Bäumen
Von seinem Ideal mit offnen Augen zu träumen.

Indem er noch beschäfftigt war,
Was ihm, bey längerm Bedacht, ein wenig sonderbar
In seiner Begebenheit schien, sich selbsten auszulegen,
Däucht' ihm, er höre was im nächsten Gange sich regen.
Er unterscheidet das Rauschen von einem seidnen Gewand,
Und, nach der Logick der Liebe, wen konnte dieß Rauschen verkünden
Als seine Göttin? denn, o wieviel empfand
Bey diesem Rauschen sein Herz! – Er eilet, sie zu finden;
Und findet – Colifischon, die, ohne ihn zu sehn,
In tiefen Gedanken gieng. Er bleibt voll Unmuth stehn,
Doch umzukehren, und hinter den Rosenhecken
Sich, ohne scheinbaren Grund, vor einer Freundin verstecken,
Gieng auch nicht an. Und also blieb er stehn.
Allein sie fand für gut, mit ihrem Fächer zu spielen,
Und, ohne auf seine Person nur von der Seite zu schielen,
Ganz langsam ihren Weg zu gehn.
»Ob dieß Verachtung war?« – Er muß es wissen! Er schleicht
Durch einen Seitengang sich abermal so nah,
Daß ihn zu übersehn so leicht
Nicht möglich war. Allein die Dame sah,
Bis sie vorüber war, zur Linken im Gebüsche
Zwoo schönen gehaubten Täubchen, die dort sich schnäbelten, zu.
Wer dächte wohl, daß so wenig genug ist, die Seelenruh
Von einem Helden zu stören? – »Noch gestern Abend bey Tische
So zärtlich, itzt bis zur Beleidigung kalt!«
Dies Unrecht gieng ihm freylich um so viel mehr zu Herzen,
Da sie ein Morgengewand, mit dem die Zephyrn scherzen,
Gewählt zu haben schien, um ihre Nymphengestalt
In ein verführisch Licht zu setzen.
Er ward sich selbst, dem Licht, und allen Schönen gram;
Und doch, ich weis nicht wie es kam,
Befand er bald darauf, in einem kleinen Fieber
Verwirrter Regungen, sich der Schönen gegen über.

Itzt konnte sie nicht umhin, ein feines Compliment,
Womit er sie begrüßt, ihm höflich wieder zu geben.
Sie stellt sich klüglich als eine, die eben
Den wiedergefundenen Freund in unserm Ritter erkennt.
O! ruft sie, der gütige Zufall! wie find ich Sie, mein bester
Verloren geschätzter Freund, in diesen Gärten hier?
Wo, wenn man fragen darf, wo haben Sie meine Schwester,
Die Blonde, gelassen! – Jedoch, ich stille meine Begier,
Um Ihnen zu sagen, wie ich, nachdem wir Abschied genommen,
Mit Bleumoranten, dem Seufzer, in dieses Schloß gekommen.
(Sie schlendert, indem sie erzählt, an seinem Arme fort,
Und nimmt, als wär' es bloß ein Werk des Zufalls gewesen,
Den Weg unmerklich nach dem Ort,
Wo Schatulliöse des Ritters Bezauberung aufzulösen
Die Ehre gehabt.) Sie traf es auf ein Haar,
Daß sie den Platz, allwo die That geschehen,
Erreichten, da sie just mit Erzählen fertig war.
Das Feuer, das auf den Wangen des guten Ritters entbrannte,
Verrieth ihr, daß er den Ort nur gar zu gut erkannte.
Betroffen sucht er, wiewohl verstohlner Weise nur,
In ihren Augen auf, ob's ihre Absicht gewesen?
Allein die schlaue Creatur
Ließ selten in ihren Augen, als was sie wollte, lesen.


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