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50.
Der Hünenstein.

(Bei Nordhausen.)

Wer einst mit dem Teufel einen regelrechten Pakt geschlossen hat, kommt auch nicht mehr aus seinen Klauen, und wäre er noch ein so verteufelter Kerl; oder eben, weil er einer ist. Und wäre er ein noch so mächtiger Mann nach menschlichen Begriffen, dabei ein Riese an Gestalt und Kraft: er bleibt dem Höllenfürsten hängen. Ja, mit Vorliebe hat sich der immer die Großen und Starken ausgesucht, weil er sich in einfacher Überlegung sagte, daß sein Teufelswerk durch die Taten, oder Untaten eines Mächtigen gleich einen größeren Kreis der Auswirkung bekommen kann. Hiervon zeugt auch der Hünenstein, der in Nordhausen schon auf dem Weg nach dem einstigen Kloster Lohra zu sehen ist als Grabmal eines riesenhaften Menschen, der durch sein Paktieren mit dem leibhaftigen Satan ein schreckliches Ende gefunden hat.

Dieser ungeschlachte Kerl wurde von den gewöhnlichen Menschen als Hüne bezeichnet, da er sie alle an Gestalt um vieles überragte; aber auch in allen Stücken schrankenlosen Lebenswandels überbot er selbst die Verwegensten und Tollsten. Ob Ritter oder Knecht, ob Stadtherr oder Landmann, sie mochten saufen und raufen können, daß es nur so seine Art hatte! aber der Hüne schlug sechs Kerle mausetot, wo ein Kumpan einem eine Rippe einstieß, zechte, wenn seine Saufgesellschaft über Nacht und Tag sich unter den Tisch getrunken hatte, in Seelenruhe noch drei Tage und Nächte weiter. Und erst bei den Weibern! Es ging ihm ein Ruf voraus, daß ehrbare Leute ihre Töchter aus der Stadt in andre Hände gaben, wenn er nahte, daß Männer ihre Frauen verleugneten, die Häuser verschlossen und in Wehr und Waffen aufpaßten, bis der Unmensch weiterzog. Wohl aber heftete sich ein Troß von wüsten Gesellen an seine Fersen und war in feiger Weise bei allem Gelage und Radau dabei, wo der Hüne den Schauplatz beherrschte.

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Trotz mancher verwegenen Plünderer und gar Brandschatzung waren aber seine Taschen stets leer. Auch war der Widerstand der Beuern, Bürger und Herren bedrohlich im Wachsen, so daß es schon vorkam, daß Schankwirte dem wüsten Habenichts ihre Stätte verweigerten. Da geschah es, daß der Hüne sich einfach dem Teufel verschrieb, auf dreißig Jahre, gegen jederart Hilfe in allem Tun und Treiben, vorzüglich gegen die grenzenlose Bewilligung des Geldes in klingender Münze, dessen ein Kerl bedarf, der immer und überall mit seinem wüsten Leben durchkommen will. Im Handumdrehen waren wieder Kuppler und Wirte zu haben, der Schmarotzer und Helfer, Auskundschafter und Spione die zahllose Menge!

Aber auch die Jahre flossen dahin mit dem Blut, dem Wein und den Tränen, die den Weg der Schandbuben und ihres haltlosen Anführers zeichneten. Jahre und Jahrzehnte waren vorbei und näher und näher rückte der Tag der Abrechnung. Eine ganze Stadt hatte die Bande verwüstet und nun schon nächtelang bei dem verantwortungslosen Bürgermeister gepraßt. Da war der Hüne plötzlich aufgestanden und hinausgetorkelt in die Straßen, durchs Tor, ins Feld. Eine unheimliche Angst hatte ihn unversehens überfallen: es war die letzte Nacht der dreißig Jahre! Und hinter ihm schritt der Satan, den Spieß in der haarigen Faust, seine Seele zu fassen. Der sonst so prahlerische Unmensch eilte durch die Nacht in schlotternder Seelennot und Todesangst von den Furien seines Lebens gejagt. Glaubte er dort Schutz, gar Rettung zu finden, daß er seine rasenden Schritte zum Kloster Lohra lenkte? O, Hohn! – Fast konnte der Teufel nicht mit, so flog sein Satansbraten dahin, fast hätte er den Weg verfehlt, wäre ihm nicht ein Käuzchen zu Hilfe gekommen, das ihm den Ausreißer verschrie. Und nun ein paar scharfe Sätze! Da sind sie zusammen an der Brücke, die heute Teufelsbrücke heißt, der Teufel greift aus, packt sein stöhnendes Opfer mit eisernen Griffen und dreht dem Hünen mit kurzem Krachen das Genick um.

Die Saufkumpane, die ihn später fanden, begruben ihn der stattlichen Länge nach und wälzten den riesigen Hünenstein über den Ort.

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