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17.
Der Hexentanzplatz.

(Unweit Thale.)

Dies ist der erste vorgelagerte Höhenpunkt am Unteren Harz, der einen großartigen Anblick des Vorlandes bietet. Ganz in der Nähe rundet sich das berühmte Bergtheater in den Fels. Und dort, wo die schönen Künste, oder hier, wo zeitgemäße Gastlichkeit den Wanderer zur Stärkung an Leib und Seele einladen, ist aller Spuk kaum vorstellbar, der doch einst so mächtig war und nur selten einem offenbar wird, der zur rechten Stunde den Ort aufsucht.

Allein mußt du hier her kommen, wenn alle Menschenstimmen verhallt und alle Schritte zu Tal verklungen sind. Aus der Tiefe steigt das Gurgeln der reißenden Bode herauf, über die Talschlucht ragt der zackige Fels, von dem des Riesenfräuleins Roß einst den gewaltigen Sprung getan hat. Dir ist, als rauschte über deinem Haupt die Luft, von pfeilschnellem Tierleib geteilt. Du glaubst, des Ritters Bodo Rüstung in die Tiefe klirren zu hören, goldne Blitze sprühen zu sehen, von der Krone im Bodekessel in die Nacht geschickt.

Doch nicht Kronjuwelen sind es, die da leuchten, nicht Bodos Eisenkleid, was da lärmt und klirrt. Es ist die »wilde Jagd«, die über den Harzwald braust! Ueberall treibt sie ihr seltsames Wesen, nirgends aber mit der wuchtigen Inbrunst wie hier auf dem Tanzplatz der Hexen, die in der Gefolgschaft des wilden Jägers sind. So wenig er selbst aber ein Ungeheuer ist, so wenig ist seine Gefolgschaft etwa abscheulich. Besonders unter den Hexen finden sich nur wenige zottige, keifende Weiber. Meist sind es junge Dinger, die den tollen Aufzug machen, denn der wilde Jäger ist ein stattlicher Mann und hat manchen schmucken Burschen in seiner Gefolgschaft.

Wenn du jetzt sehr leise und unauffällig dort hinter den grauen Felsblock trittst, kannst du den Platz gut überschauen. Da es gerade zunehmender Halbmond und Mitternacht ist, wird der Tanz gleich beginnen. Schon hörst du vom Rabenstein drüben und vom Birkenkopf hinter dir das dumpfe Brausen nahen. Klirrend rollt das Gestein zu Tal, die Baumwipfel neigen sich ächzend und ein Blitzen zuckt darüber hin. Jetzt dröhnt Rosseshuf und Geschrei, die Meute kläfft heran! Eine Weile füllt die wilde Schar den ganzen Platz mit Tumult, dann lagert sie sich rings im Kreise.

Und nun fallen helle Töne wie aus Silberglöcklein in den rauhen Lärm, von gleicher Zartheit wie die zaghaften Schritte der Hexenjugend. Musik und Tanz werden bald stärker und beschwingter und es ist ein Reigen im Gange, der die bärtigsten Gesellen aufschauen heißt. Hauchleichte Schleier schweben und weben, von weißen Händen geworfen und gehascht, wie goldgrüne Wogen über einem Waldsee.

Durch die Reihen drängt sich dort eine hagere, die ganz verzückt dreinschaut und schon höher bejahrt ist; sie soll eine Frau Kanzleirätin sein! Recht komisch nimmt sich eine Rundliche aus, die einem jungen Waffenknecht des Jägers schöne Augen macht, wenn sie vorüberwalzt; das ist eines Steigers Frau aus dem Oberharz. Nun gewahrst du auch eine vierschrötige Person, die den schottischen Schritt versucht und dabei verstört suchend um sich blickt. Sie wird wohl die gewisse Hökerin vom Wochenmarkt zu Quedlinburg sein, die ihren Mann glaubt an den wilden Jäger verloren zu haben. Und so wechseln die merkwürdigsten Gestalten in bunter Folge ab.

Du bist leider so unklug gewesen, lieber Freund, nach einer Holden im bewegten Reigen gegriffen zu haben. Kein Wunder für einen, der die Gewohnheiten der Geister und Spukgestalten kennt, daß der Zauber mit einem Schlage verflogen war wie ein Hauch. Daß du mit einem gelinden Schrecken davonkamst und hundertmal schneller als aus den Berg wieder zu Tal gelangt bist, darfst du deinem Glücksstern zugute rechnen. Mancher andere blieb für seinen Vorwitz zeitlebens ein geschlagener Mann, falls er überhaupt mit dem Leben davonkam.

* * *


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