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31.
Walpurgisnacht.

(Brocken.)

Den letzten Schnee hat der Föhn hinabgefegt in reißenden, rauschenden Waldbächen, regenblank sind die grauen Felszacken und Steinwacken gewaschen, frisch und stark recken sich die dunkelgrünen Tannen empor, umstanden von verkrüppeltem Unterholz. Steine und Pflanzen bilden gespenstisch-komische Gestalten, in denen ein geheimnisvolles Leben wohnt, das in Zweigen und Baumstümpfen knistert und knurrt, in Felsspalten und Erdhöhlen ruckt und rollt.

So kommt der Wolpersabend heran, der letzte Abend vor dem ersten Mai. In dieser Nacht ist auf dem Blocksberg der Teufel los, kommen die Hexen des Landes herauf aus Tal und Hütte, und halten Zwiesprach untereinander, sammeln sich zu kurioser Parade und geheimer Unterweisung und Belehrung vor ihrem Herrn und Meister, dem Satan. Von der Teufelskanzel oder dem Hexenaltar aus leitet der Fürst der Unterwelt den Aufzug und unterrichtet die Hexen, Elfen, Irrlichter und den ganzen Anhang aus der Tierwelt, die Eulen, Fledermäuse, Katzen, Schlangen und Molche, in allen höllischen Dingen.

Kaum, daß der letzte Sonnenstrahl verblaßte, geht im ganzen Harz die Wanderschaft los. Besonders vom Oberharz her ist die Beteiligung groß, aus der Gegend von Klaustal und Andreasberg kommen die Hexen in Katzengestalt, sonst meist mit rusigen Gesichtern, auf Ziegen und Besenstielen angeritten. Auch andere Tiere und Hausgeräte können von Hexen verzaubert werden, daß sie darauf zum Brocken reiten, oder daß einer, mit dem sie es böse meinen, oder dem sie einen Schabernack antun wollen, unversehens damit durch die Luft fliegt und stracks im schönsten Hexensabatt landet.

Ein Mann, dessen Frau krank lag, sagte bloß auf deren Anraten ein Sprüchlein, und schon trug ihn ein Braunfuchs in sausendem Flug durch die Nacht auf den Brocken. Dort sollte er seiner sterbenden Frau drei Haare holen, die er einem alten, schwarzen Weib vom Kopfe reißen mußte, um seine Frau am Leben zu halten. Eine alte Hexe, die er für die richtige hielt, mußte er tot schlagen, um sein Vorhaben auszuführen, denn sie setzte sich zur Wehr. Als er zu Hause ankam und die drei Haare brachte, dabei seiner Frau alles erzählte, schrie die laut auf, er habe ja ihre Großmutter erschlagen. Da erkannte der Mann, daß er eine Hexe geheiratet hatte und zeigte sie dem Amtmann an, daß sie verbrannt wurde.

Auch in Gittelde gab es immer viel Hexen. Eine Witwe auf einem großen Gutshof verkehrte am hellen Sonntag in der Stunde des Kirchganges mit dem Teufel. Als sie verbrannt wurde, rief sie ihren Knechten und Mägden noch zu, daß sie Mäuse für Bratbirnen, Spinnen für Klump und Würmer für Sauerkohl gegessen hätten, solange sie ihnen das Essen gemacht habe.

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Wer am Wolpersabend an einen Kreuzweg kommt, kann viele Hexen sehen, die zum Blocksberg ziehen. Oft guckt ihnen ein Strohwisch als Schwanz aus dem Kleid, meist hängen ihre Haare offen herunter und sprühen ihnen gelbe Blitze aus den Augen. Die Gespräche gehen in ausgelassener Weise, und geradezu lasterhaft ist das Gebärdenspiel.

In jüngster Zeit beteiligen sich an der Walpurgisnacht viele Männlein und Weiblein aus aller Welt, die aber nachweislich den wohlerzogenen und jeder Hexerei und Teufelei fernstehenden Ständen unserer großen und kleinen Städte angehören, wo das Reiten auf Besenstielen und Waschzubern, auf Katzen und Ziegen, weder zu den gebräuchlichen Leibesübungen gehört, noch als Verkehrsgelegenheit angesehen wird. Und dennoch vermag sich keiner nach Überschreitung der Bannzone und nach Einbruch der Nacht dem alten Hexenzauber und Teufelsspuk zu entziehen. Wer auch immer versucht hat, sei es in großer lauter Gesellschaft, oder in stiller Zweieinsamkeit, sei es in lichtflutenden Gaststätten oder auf steinigem Weg durch nächtlichen Wald, hinter das Geheimnis der Walpurgisnacht zu kommen, er wird bedeutungsvoll in Erinnerung an die tolle Gespensternacht schweigen und auf Befragen vielsagend lächeln. Wer aber selbst nicht mit dabei war, dem ist nichts darüber zu sagen.

Wenn aber der junge Tag vom Himmelsrand herüberfliegt auf die Wipfel und Felsgipfel mit goldnem Morgenrotschimmer, und die Nacht mit kühlem Hauch in die Schluchten und Täler versinkt, dann ist es vorbei mit Hexerei und Teufelswerk, dann blinkt und klingt ein neuer Glanz und Ton durch die verjüngte und verschönte Welt, und über die alte liebe Gotteswelt der Harzberge und ihre Täler schwebt es dankbar frohlockend: Der Mai ist gekommen! –

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