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35.
Der Bergmönch.

(Mönchstal bei Klaustal.)

Im Klaustal und dem Zellerfeld, vor allem aber im Mönchstal, zeigte sich früher ein Bergmönch. Wer im Guten mit ihm umging, dem begegnete er in menschlicher Gestalt und half ihm in allen Nöten nach besten Kräften. Denn deshalb ist er ja in solche Gestalt gefahren, weil es sein Herzenswunsch war, bis an den jüngsten Tag weiter in Schacht und Stollen auf und ab fahren zu dürfen, statt der ewigen Ruhe zu pflegen. Er war einst ein tüchtiger Bergmann gewesen und seiner Zeit als Bergmeister gestorben. Sein Geist aber lebte als Bergmönch fort in seinem einstigen Revier.

Einmal hat er einer armen Bergmannsfamilie mit vielen Kindern einen Packen Flachs für die Frau und ein Stück Unschlitt für die Lampe des Mannes gebracht; es waren brave, arbeitsame Leute, und Flachs und Unschlitt sind ihr Leben lang nicht alle geworden. Anderen Kameraden half er bei schwerer Arbeit; oft auch trieb er sie mit drohender Gebärde zu harter Hau- und Bohrarbeit an und machte dann alles eiligst fertig, wenn so ein armer Kerl vor Elend umsank und glaubte, sich vergeblich bemüht zu haben. Er verlangte allerdings daß einer, dem er günstig war und half, kein Wort darüber zu anderen spreche, sonst war es aus mit der Gunst; ja, er konnte sogar sehr grob und böse darüber werden.

Auf der Grube »Der alte Segen« gab der Bergmönch einem Bergmann, dem auf der Ausfahrt das Licht alle geworden war, ein ordentlich Stück Unschlitt. Der Bergmann ging auf seinen Wink weiter und weiter in einen Gang, den er noch nicht kannte, und kam an einen Schacht, den er noch nie gesehen hatte. Da sah er Gold und viel andre edle Erze und immer noch brannte sein Licht und wollte gar nimmer alle werden. Einem Kameraden, den der Bergmann danach fragte, sagte der, woher das alles käme. Da schmolz sein Licht zusammen und auch alles Gold und Stuferz in dem entdeckten Gange. Und so wie diesem ging es vielen, Hauern und Weilarbeitern.

Aber manchmal trieb er auch seinen Schabernack mit den Bergleuten. So hob er die Schütteln auf, daß man nicht konnte die Wasserräder zum Stehen bringen, oder er hielt die Kunst auf, sperrte sich quer in den Gang, daß keiner des Weges konnte, warf Leute von der Fahrt herunter und was solcher derben Späße mehr sind. Schließlich wurde man seiner gar überdrüssig und wollte ihn gern los sein. Eine Anzahl Bergleute gingen ihm einmal nach, als er in eine Schlucht ging, die durch eine nackte Steinwand am Ende abgeschlossen war. Der Bergmönch mochte wohl merken, daß man seiner guten Werke nicht eingedenk, ihm aber um der harmlosen Späße willen grollte, blieb stehen und sah noch einmal ganz zornig zurück, rührte dann den Stein an, der sich sogleich wie ein Tor auftat, und schritt durch die Öffnung weiter. Gleich darauf schloß sich die Wand wieder fest zusammen, und der Bergmönch ward seitdem nicht wieder gesehn.

Die Gruben aber im Mönchtal sind fast samt und sonder ersoffen und man kann nie wieder der gewaltigen Wassermengen recht Herr werden. Das Mönchstal hat seinen Namen nach dem mächtigen Geiste erhalten, der dort am meisten sein Wesen getrieben hat.

* * *


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