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29.
Die Rehberger Klippen.

(Am Brocken.)

In jungen Jahren war Robert ein schöner und auch empfindsamer Junker gewesen, jetzt stand ihm der rohe Mordtrieb auf der Stirn geschrieben, unter der die wild flackernden Augen lauernde Blicke hervorschossen. Einst hegte und pflegte er die Tiere des Waldes nach edler Weidmannsart, jetzt hetzte und jagte er sie mit scharfer Meute und surrendem Speer. Von früh bis spät und oft bis in die stockfinstre Nacht scholl der Wald wieder vom Schnauben und Hufschlag der Pferde, Kläffen der Hunde, Jauchzen und Schimpfen der Jäger und Angstpfeifen der Rehe. Denn gerade auf diese edlen Tiere warf sich mit wildem Eifer der wüste Robert. Das war seine höchste Lust, hinter den schlanken, glatten Leibern einher zu setzen, die auf sehnigen, federnden Läufen den schimmernden, braunen Körper mit rührend schönem Schwung über Stock und Stein, Weg und Steg wippten und schnellten. Sich hinaus zu schleichen in den Hinterhalt, wenn diese Schützlinge des Himmels mit schlank erhobenem Köpfchen die Witterung nahmen, mit großen Unschuldsaugen und spitzem Ohr in das Knacken und Knistern des Waldes lauschten, das erfüllte ihn mit taumelnder Gier; doch rauschhaft schwoll seine böse Lust, wenn er vor dem in seinem Schweiß zu Ende gehetzten Tier stand und über dem flehentlich stumm aufbrechenden Blick der Todesnot zum Fangstoß ausholte.

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So war des Jägers Sinn geraten, denn so hatte ihn die Liebe zu Tode gehetzt, die leidenschaftliche Liebe zu seines Herzogs und Herren schönem Töchterlein, das stolz war und schlank wie ein Reh, und äugte und hüpfte und ihn ansah mit dem braunen unschuldvollen Blick, der ihn zag machte und ergeben, daß er litt und blutete vor Sehnsucht und Entsagung. Und dann war sie fortgegangen in ein schönes Land, an der Hand eines Grafen, der nicht schöner und besser war als er, aber hinter den Rehblick zu schauen verstand, und ein Schloß hatte in seiner Heimat, aber kein zager Jägerbursche voll zarter Träume war im Dienste des Herzogs, sondern dessen schlankes braunes Kind aufweckte aus dem waldgrünen Traum und zur lachenden, prunkenden Frau Gräfin machte.

Da war der Wandel gekommen in Roberts Brust, darin die Schlangen des Neides und der Kränkung nisteten, die sein Herz faßten und sein Blut vergifteten. Und nun jagte er ohn' Unterlaß und Schonung und erfüllte den Frieden der Gottesnatur mit Mordgeschrei und Angstgestöhn, mit schwirrender, klirrender Hetze. Die Liebste seines Jugendtraumes war für ihn tot, oft sah er sie in fieberndem Wahn als weißes Reh vor seiner Meute, vor seinem Speer, dann sanken ihm Arm und Mut herab und er schämte sich seiner Wildheit. Bald aber schämte er sich solcher Anfechtung und heute wünschte er sich das weiße Reh in den Wurf. Er wollte zeigen, daß er kein Schwächling mehr sei.

Es war ein von süßestem Frieden erfüllter Herbstsonntag, auf den er vom Waldrand hinabsah, wo er hoch zu Roß mit Hetze und Meute in erwartungsvollem Schweigen verhielt. Da trat mit zögerndem Schritt ein schneeweißes Reh unweit in die Lichtung, hob den Kopf witternd empor und äste dann ruhevoll vor den Augen der Männer und Hunde. Robert fühlte ein flackerndes Brennen in der Brust, einen bohrenden Stich dort, wo einst das Herz schlug, und gab stumm das Zeichen zum Vorbruch. Das Horn gellte, da stutzte das schöne Tier, die Hunde schlugen an, da wollte es fliehen, zurück in den Wald. Aber Speere sausten schon schwirrend heran und der Reiter warf sein Roß zum Sprunge auf. Da floh das weiße Reh zu Tal und zog hinter sich her Roß und Reiter in wilder Jagd. Hinab, hinauf, über Tal und Berg, durch Busch und Dorn! Pfeile und Speere sausen schon nah, die Hunde sind los und fliegen mit gurgelnden Lauten heran; so geht es über Felsschroffen und Geröll einem gähnenden Abgrund entgegen. Hinauf auf die höchsten Spitzen der Klippen klettert mit letzter Kraft das abgehetzte Tier, starrt mit Entsetzen hinab in die grundlose Schlucht. Tod von allen Seiten, Tod mit diesem letzten Sprung. Ein Speer streift den zitternden Hals und steckt schaukelnd in einer Felsspalte, die heißen Rüden sind heran, da setzt das Reh in weitem Bogen hinaus in den leeren Raum, und sinkt mit rasendem Fall tief und tiefer, von einer strahlenden Lichtflut aus der Tiefe empfangen, in der es weich und unversehrt versinkt.

Die Jäger und Hunde aber hemmen in ihrer rasenden Wut nicht mehr den Lauf und torkeln und fliegen über den Abgrund, der jetzt in schwarzer Nacht erstarrt, von donnerndem Gepolter stürzender Granitblöcke erschüttert die heulenden und fluchenden Verfolger verschlingt.

Der Gipfel, von dem das Reh seine wunderbare Errettung, der Jäger seinen erlösenden Tod und seine Hetze und Meute ihren Untergang gefunden haben, heißt daher die Rehberger Klippen. Und oft in hellen Nächten, wenn der Ostwind in die Wipfel der Bäume greift und darüber hin spielt wie auf Harfen und Orgeln, dann jagt das weiße Reh angstgehetzt auf den Gipfel seiner Klippe und springt in den tiefen Grund hinab. Im Walde knickt und knackt es von der Verfolger wilder Jagd, und polternd und klirrend rinnt es durch das Gestein der Rehberger Klippen.

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