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33.
Das Geheimnis des Bergmanns Frick.

(Am Brocken, bei Zellerfeld.)

Die geheimen Funde und verborgenen Schätze haben den Altvordern viel unerwarteten Verdruß und auch ebensolche Freude gemacht. Die Geister der Unterwelt und Überwelt standen in alten Zeiten mit den Menschen auf weit vertrauterem Fuße, als wir uns in heutigen Tagen vorstellen können. Besonders die Gnomen und Berggeister versuchten, das Menschengeschlecht, das in ihr Reich nachdrang, an ihren Lebensgesetzen teilnehmen zu lassen.

Einst bewohnten die jetzigen Erdgeister auch die Oberfläche der Erde, von der sie sich beim Vordringen der Menschen in's Innere zurückzogen samt kostbaren Schätzen an edlen Metallen. Nach denen nun gruben die Menschen; und doch waren ihnen die eigentlichen Herren darob nicht durchaus böse, ja, sie beschenkten Arme und Gute, besonders wenn sie gegen die Geister Vertrauen und Fügsamkeit zeigten. Ein Zellerfelder Bergmann, der mit seinen Töchtern am Brocken Kronsbeeren suchte, wurde einst von der Nacht ereilt und mußte mit seinen Kindern bei einem Feuerlein im Freien draußen bleiben. Als alle fest schliefen, ward der Bergmann von einem Lichtschimmer wach, den drei Männer mit einer Laterne verbreiteten. Die kamen heran und blieben zur Gesellschaft auch am Feuer sitzen. Am Morgen brachen sie auf, nach dem sie sich von dem Bergmann versprechen ließen, daß er von ihrer Gesellschaft stets, auch vor seinen Töchtern schweigen müsse. Er gelobte es und hielt das Versprechen bis zum Tode.

Manchmal lockte es den Zellerfelder, zu plaudern; nicht, daß ihn das Geheimnis drückte, sondern, um seine Macht zu prüfen. Aber immer traten ihm dann, wie durch einen sanften Schleier zu sehen, die drei Männer entgegen, wie sie am Lagerfeuer die Nacht über damals bei ihm gewacht und – geschwiegen hatten. Geschwiegen bis auf die wenigen Worte zum Abschied am Frühmorgen. Und sie lächelten vor seinem geistigen Auge, wie sie damals gelächelt hatten, so schlau und gütig, wie Gnomen eben lächeln, und – schwiegen. Schweigen können ist eine schöne Kunst, mußte dann der Bergmann Frick denken, und die Lust zum plappern floh ihn alsbald.

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Als er gestorben war, kam ein Mann gleichen Tages zu den Töchtern in die Hütte und forschte teilnahmsvoll nach dem Alten und vorsichtig nach dem Geheimnis. Als er erfahren hatte, daß dies der Bergmann treu bewahret hatte, stellte er einen silbernen Krug auf den Tisch, der voll von feinsten Silbergulden war. Den reichen Schatz mochten sich die Schwestern teilen. Dann ging er freundlich fort.

* * *


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