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26.
Gose und Rammelsberg.

(Bei Goslar.)

Vom Bocksberg hinab eilt die Gose an der Hohekehl vorüber nach der alten Kaiserstadt, vor deren Mauern grüßt sie mit schwermütig-heiteren Händen den Rammelsberg. Dann eilt sie hinein in die Stadt ihres Kaisers, des weiland waidgerechten Otto I. Der starke, hohe Herr hatte am Harz noch kein festes Schloß, als er einst zu jagen gekommen war und nach einer scharfen Eberhetze am Abhang hier das Halali blasen ließ. Sein Oberjägermeister mit Namen Ramme, der tiefer in den Wald hinein geraten war, hatte sein Pferd an einen Baum gebunden und gewahrte, daß das Tier, wo es stand, und mit dem Huf die Erde aufgescharrt hatte, reiche Erze zu Tage gefördert. Der Kaiser ließ sich die Botschaft gefallen und beschloß, sich in der Nähe eine Pfalz zu bauen. Der Berg ist nach des glücklichen Jägers Name der Rammelsberg, das Flüßlein hat nach des Jägers lieber Frau Gosa seinen Namen. Die Kaiserpfalz aber ward genannt die Goselare, das ist: Lager an der Gose. Wer weiß, wie nahe dem Kaiserlichen Herrn des Jägers schöne Frau gestanden, daß ihr soviel Ehre ward und sie in diesem Fluß und jener Kaiserstadt ein ewiges Leben weiterführt. Soll sie doch ein richtiges Krönlein tragen auf dem Leichenstein, darauf sie mit ihrem Eheherren Ramme in Stein gehauen liegt, tief unter der Erde des Frankenbergischen Gottesacker.

Zuweilen erhebt sich das Ehepaar Ramme aus seiner Grabesruh und wandelt hinüber ins Gosetal. Dann hört man den Wald hin am Rammelsberg den Wiederhall waidfrohen Rufens und Blasens und der weiche Waldboden zittert dumpf vom Stampfen eiliger Hufe. Und am Ufer hin schwebt der duftige Schleier der schönen Frau Gosa. Im Anblick der Stadt Goslar bleibt sie stehen und grüßt mit schwermütig-heiteren Händen hinüber, von wo nicht die stolzen Standarten mehr winken, nicht mehr die schmetternden Fanfaren aus des Kaisers Platz rufen: Komm schöne Jägersfraue! Dann sucht sie ihren Ehegespons, der unfroh aus dem Walde bricht, wo sein Roß nicht mehr das gute Gold mit Hufen aus dem Boden stampft. Sie kehren heim in ihre Gruft zu Frankenberg, steigen hinab und strecken sich träumend auf der Steinplatte aus. Dort liegen sie – selbst wie Stein – hart und kalt.

* * *


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