Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Wald, Zelte.

Der Sultan, Gefolge.

Der Sultan. Ja, hier mögen wir verweilen
In dem kühlen Waldesgrün,
Sind auch unsre Feinde kühn,
Werden sie so fern nicht eilen:
Hier kann meine Wunde heilen,
Auch die Rache will ich stillen,
Meine Drohung hier erfüllen,
Daß ich selbst noch heut' am Tage
Die zwei Bösewicht erschlage
Und befried'ge meinen Willen. –
Aber wie heißt dieses Land?

Ein Ritter. Fruchtbar, anmuthsvoll und blühend,
Wein und edle Lieder ziehend,
Wird es die Provence genannt:
Weit ist dieses Thal bekannt
Und dies schöne Waldrevier,
In dem Bäche für und für
Ab von steilen Bergen rauschen
Und die Nachtigallen tauschen
Ihre schönsten Lieder hier.

Der Sultan. Wundervoll sind diese Bäume,
In der Grüne seh' ich Leben
Spielend auf den Aesten schweben
Und es steigen sanfte Träume
Nieder in die kühlen Räume
Durch die diese Quelle irret.
Wie die Turteltaube girret
Und manch' wilder Vogelsang
Mit Echo am Felsenhang
Zärtlich und verliebt sich wirret. –
Doch ich will nur Rache denken.
Fort, ihr buhlerischen Träume!
Was soll mir das Grün der Bäume?
Alle Freude muß mich kränken,
Tiefer in mein Leid versenken,
Schmerzenvoller wird mein Wehe;
Alle Schönheit die ich sehe,
Spricht Verlust. Jezt bin ich Richter.
Führt hieher die Bösewichter,
Weil ich zu den Zelten gehe.

sie gehn ab.

Florens wird gebunden herein geführt.

Florens.
    Mein Tod ist nah und doch kann ich nicht beben,
Ich denke ewig nur das einzig eine,
Wie in dem süßen kühlen Dämmerscheine
Sie sich so ganz zu eigen mir gegeben.

    Da fand ich erst mein eignes volles Leben,
Im lieblichsten, im innigsten Vereine,
Die Lippen wollten »ich bin dein, du meine«
Gern stammeln, dies auch mußt' im Kuß verschweben.

    Rosen und Lilgen, manche schöne Blume
Gab Duft, die Nachtigall zerfloß in Klängen,
Das Wasser alte Melodien spielte:

    Drum bleibt mir diese Stunde doch zum Ruhme,
Wie Tod und Grab mich nahe auch bedrängen,
Daß ich des Lebens höchste Wollust fühlte.

Octavianus wird gebunden herein geführt.

Octavianus. Nun bin ich an die Schwelle meines Lebens
Geführt, heut' büß' ich nur ein alt Verschulden,
Ich stürbe froh, wenn nicht mein Unglück dich
Ergriffen hätte, den ich zärtlichst liebe.

Der Sultan kommt mit einer Streit-Axt.

Der Sultan. Nun sollt ihr mir alles büßen,
Alle Rache, allen Frevel,
Alles Unglück, das mich traf,
Sollt ihr beide mir entgelten.
Du vor allen, junger Teufel,
Denn ich muß dich also nennen,
Weil kein Mensch so viel verübet,
Weil die Kräfte ihm entgehen:
Erst hast du mir meinen Bruder,
Meinen Admiral, getödtet,
Auch Alamphatim, den starken,
Selbst den großen Riesenkönig,
Hast mein Roß mir stehlen lassen,
Pontifer, den theuern, edlen,
Meine Tochter mir entführet
Und mein liebstes Kind entehret,
Drauf mir dann mit diesem Alten
In der Schlacht gethan viel Elend,
Darum will ich mit der Streit-Axt
Beiden euch das Haupt zerschellen,
Wie ich's meinem Machmud mußte,
Den ich ehmals hoch geehret;
Darum seid des Streichs gewärtig,
Macht euch jezt zum Sterben fertig..

Arlanges tritt schnell ein.

Arlanges. Herr, in dem gerechten Zorn
Zögre und verzieh ein wenig,
Denn es fliegen Wolken Staubes
Zu dem Walde von der Ebne.
Sind es Krieger, sind es Feinde,
Davon kann ich dir nicht geben
Nachricht, doch ein weiblich Bildniß
Sieht man reiten aus der Ferne
Und es schimmern helle Waffen,
Doch die Schaar ist noch unkenntlich.

Der Sultan. Mögen Feinde kommen, Mörder,
Diesen kann ich erst abtrennen
Ihr verruchtes Haupt, dann will ich
Selbst hinaus und sehn die Fremden.

Lidamas tritt herein.

Lidamas. Großer Sultan, hör' ein Wunder,
Hör' ein Grauen, hör' Entsetzen,
Von dem Felde sahn die Ritter
Plötzlich nahn, es sahn die Knechte
Einen Zug im blanken Zeuge
Und es blitzten hell die Wehren,
Plötzlich sind sie in dem Walde,
Ueberfallen unsre Zelte,
Einer unter ihnen wüthend,
Dem kein Mensch kann widerstehen
Und schon sind die deinen alle
In der Flucht, wohin sich wenden
Weiß nicht einer und der Wilde
Tobt hier, dort, an allen Enden,
Und ein grausam wilder Löwe
Geht zum Dienst an seinen Händen,
Der zerreißt und bricht die Schaaren
Die entgegen ihnen stehen,
Blut'ge Bäche schwimmen dunkel
Durch den Wald und rothe Seen.
Was zu thun? Es zürnt der Himmel,
Sendet allenthalb Verderben.

Der Sultan. Mir nur nach! mit diesem Beile
Will ich ab dies Unheil wenden,
Will mich rächen und sie alle,
Oder im Gefechte sterben.

alle ab.

Octavianus und Florens bleiben zurück.

Florens. Ein wild Getümmel hör' ich in der Ferne
Und Kriegsgeschrei, sie sind wohl überfallen:
Der Wald, die Berge hallen furchtbar wider
Vom Klang der Waffen, von dem Schlachtgetümmel.

Octavianus. Mir kehrt ein alter Traum anjezt zurück.
So war ich oft im dunkelgrünen Wald
Im unbekannten Unglück, ferne Bäche
Und Stimmen wirrten sich und fremde Vögel,
Und aus den Bergen kam ein Echo rufend,
Ich war bedrängt und konnte mir nicht helfen,
Dann trat plötzlich, wie in den Regen Sonne,
Felicitas herein im Weinen lächelnd
Und führte mich in altes Glück zurück.
        Felicitas tritt herein.
O Traum, wie dämmerst du nun süßer weiter,
So kommt sie hergegangen treu und lieblich,
Sie wird die Bande lösen, die mich fesseln,
Sie wird mit Küssen, Thränen, Seufzern, Lachen,
Dem holden Traum nun bald ein Ende machen.

Felicitas. Wir sind die Christen hier, einsam in Banden? –
Ach, Gott im Himmel! täuschen mich die Träume,
Die mir zu fernen Meeren sonst gefolgt?
        sie kniet nieder.
Mein Octavian! Mein Kaiser! Mein Gemal!
O diese theuren Hände, – darf ich küssen
Sie brünstig und im Kuß die Bande lösen? sie löst die Bande auf.

Octavianus. Felicitas, das ist ein lieblich Wähnen,
So spielen wohl um unschuldvolle Kindheit
Die Sommerlüfte mit den Blumenschwingen
Und heben unser Herz auf zu den Wolken,
Daß es sich wiegt im klaren Himmelblau.
O wie mir wohl ist! Wie mein Leben leicht
Sich in mir regt, kühl wie im Teich ein Fischlein,
Das golden in dem Elemente spielt
Und Tropfen Glanz gegen die Sonne spritzt.

Felicitas. Mein Gatte! finden wir uns endlich wieder?
Warum sind deine Arme noch so müde?
Welch Band hält sie anjezt? Verschmähst du mich?

Octavianus. Nein, weck' mich nicht, mein Wachen ist zu bitter.

Felicitas. Du willst mich nicht erkennen? Noch so abhold
Nach manchem Jahr, so freundlich doch dein Auge?

Octavianus. Wenn es kein Traum ist, küsse mich, mein Weib. –
Du bist es selbst, bist mir zurück gegeben!
O Arme, windet euch wie sonst herum
Um diese theure Brust, fühlt dieses Herz
Und alle Jugend, Liebe, Glück und Hoffnung,
Was sonst aus diesen Augen wie aus Brunnen
Sprang, wenn die Lippen süße Worte von
Sich schüttelten wie goldne Früchte. Baden
Will sich in Thränen mein Erschrecken und
Gestärkt mein Leben aus dem Bade treten.
Du bist es selbst? Kann ich die Wonne fassen?

Felicitas. Du liebst mich wieder und wir sind von neuem
Vereinigt.

Octavianus.   Hast du mir die Schuld verziehn?

Felicitas. Was Liebe thut, das thut das Herz des Menschen,
Ein böser Geist regierte meine Sterne
Als du mir zürntest, alles war ein Traum,
Nur wenn wir lieben, sind wir beide wachend.

Octavianus. O edles Herz, ja daran kenn' ich dich,
So warst du stets, dies ist dein hoher Sinn. –
So lös' ich dir denn, Jüngling, auch die Bande.

Florens. Ich dank' euch, edler Herr, Glück, Freud' und Wonne
Blickt aus dem Grün und singt in allen Tönen.

Felicitas. Wer ist der edle Jüngling? Diese Augen,
Sie ziehn mich an so wunderbar, die Sprache
Dringt in mein tiefstes Herz. Sei mir gegrüßt,
Wer du auch bist, Freund meines edlen Gatten,
Gefährte seines Unglücks, seiner Leiden.

Florens. Ich küsse diese güt'ge, schöne Hand
Und bin bewegt von eurer holden Rede.

Octavianus. Und meine Kinder? Ach, ich darf nicht sagen
Meine: ich war nicht werth, Vater zu sein.

Felicitas. Der eine ging auf immer mir verloren,
Der andre ist es, welcher dich gerettet.
Da kömmt mein Sohn, mein Held, mein theurer Leo.

Leo kommt.

Leo. Mutter, wir haben schönen Sieg erfochten,
Sie sind erschlagen und ihr Herr gefangen.

Felicitas. Und alle Himmelskräfte sind uns günstig,
Hier steht versöhnt, gefunden und beglückt
Der Röm'sche Kaiser, mein Gemal, dein Vater.

Leo kniet nieder.
Mein Vater, mein Gebieter!

Octavianus.                               An dies Herz,
Das dir so ungestüm entgegen schlägt,
Erhebe dich, mein Sohn, mein Blut, mein Glück! –
Umarmt von dir und deiner Mutter so,
Welch Glück und Freude könnte noch mir fehlen?

Florens. Was willst du denn noch, ungestümes Herz?
Ist deine Liebe, deine schöne Braut
Dir nicht genug und alle künft'ge Wonne?
Welch eitles Wünschen will dich noch bedrängen?

Der Sultan, Lidamas und Arlanges als Gefangene herein geführt.

Der Sultan. Was hast du denn mit uns beschlossen, Ritter?
Daß dich das Unglück träf' mit deinem Löwen!
Zerrissen, aufgefressen halb mein Heer
Und ich gefangen! O verdammtes Schicksal!
Verflucht die Stund', als ich nach Frankreich kam!

Leo. Alsbald sollst meinem Schwerdt den Nacken beugen,
Sogleich, in diesem Augenblick, zur Strafe
Für allen Frevel, den du gegen Gott
Und gegen Christum und die heil'ge Kirche
Verübtest, wenn du nicht dich selbst zum Christen
Bekennst, Machmud verschmähst: dann sei mein Freund
Und frei und Fürst, ich selbst führ' dich zurück.

Florens. Ein edler Sinn spricht aus dem schönen Jüngling. –
So laß ihn leben und er wird ein Christ,
Wenn er es auch in dieser Stunde weigert,
Da noch der Zorn in seinem Blute ras't.

Leo. Aus Liebe gegen dich thu' ich es gerne,
Wenn du mir deine Freundschaft willst gewähren.

Arlanges. Lassen wir, Herr, den alten Glauben fahren,
Machmud hat sich zu treulos uns bewiesen.

Lidamas. Schon lange hab' ich innerlich erwogen,
Wie alles Heil den Christen nur geworden,
Wie uns das Unglück schlug mit tausend Fäusten.

Der Sultan. Schon recht! allein plötzlich, im Augenblick
Sich zu bekehren, ist nicht meine Sache.
Daß Machmud gar nichts taugt, liegt wohl am Tage;
Doch muß ich erst erfahren, was ein Christ
Bedeutet, was er meint und was er glaubt,
Worauf sein Absehn und sein Thun gerichtet,
Eh ich mich mit dem ganzen Ding einlasse.

Leo. Ihr sollet Unterricht vom Priester haben,
Denn keiner wird den heiligen Mysterien
Hinzugelassen unsrer Religion,
Wer ihre Deutung, den geistlichen Sinn
Nicht faßt, und nur mit irdischem Verständniß
Entweiht geheimnißvollste Heiligkeit.

Der Sultan. So laß ich mir's gefall'n in Gottes Namen.
Ihr, meine Freunde, edlen Könige,
Die übrig mir geblieben, sollt mit mir
Auch Christen werden, daß ich nicht so einsam
In meinem neuen Glauben stehen mag.

Arlanges. Wir folgen gern, wenn du uns führen willst.

Lidamas. Wir wollen gern das Licht der Wahrheit suchen.

Der Sultan. Dann darf ich dich, du junger Wagehals,
Auch wohl als meinen lieben Sohn begrüßen!
Nimm Marcebille hin mit meinem Segen
Und lebe lang beglückte Zeit mit ihr.

Florens. Ich danke dir. So hab' ich denn gewonnen
Ein edles Vaterherz. Laß diesen Druck
Am Herzen sagen, wie ich liebend danke.

Der Sultan. Nun, nun, gemach, gemach, mein junger Sohn!
Du drückst mir meine Wunde zum Erbarmen,
Geheilt muß ich erst sein, eh ich dergleichen
Begeist'rung an dem Leibe kann vertragen.

Arlanges. Welch Lärmen hör' ich schallen durch den Wald?
Es klingen Hörner- und Trommeten-Töne,
Die kriegerische Trommel rasselt laut.

Lidamas. Und Reiter streifen glänzend durch's Gebüsch,
Und bunte Fahnen fliegen durch das Grün,
Und Federbüsche wanken, goldne Rüstung.

Florens. Voran stürzt auf dem weißen Zelter flüchtig
Ein strahlend Frauenbild so wunderbar
Mit Spieß und Helm und Harnisch golden glänzend, –
Sie ist es selbst! Geliebte Marcebille! eilt ihr entgegen.

Marcebille zu Pferde.

Marcebille. Bist du es, Florens? Lebend, wohlbehalten?

Florens. Der deine und mit uns versöhnt dein Vater.
Steige vom Roß in meine Arme nieder.

Der Sultan. Geliebte Tochter, sei mir hoch willkommen!

Marcebille. So steig' ich nieder, werfe Schwerdt und Schild
Und blanken Helm hin in das grüne Gras;
Was soll mir nun der Harnisch, der beschützt
Die Brust? dir sei das Herz gern unvertheidigt.
So bin ich dein: dein Arm nur sei mir Schutzwehr.

Der Sultan. Wer folgt dir denn noch mehr, geliebte Tochter?

Marcebille. Die Fürsten all und König Dagobert.

Octavianus. Laß uns entgegen, Liebste, ihnen gehn,
Sie werden meine Freude mit mir theilen.

Marcebille. Folge mir, Florens.

Der Sultan.                                 Ich will euch begleiten.

alle gehn ab.

Leo bleibt allein zurück, Lealia tritt ein.

Leo.
    Ich folge nicht, denn süße Harmonie
Bewegt sich her und klingt in diesen Gliedern,
Und wie sie geht und wandelt, ist es wie
Ein Wollustathmen und ringsher erwiedern
Die Blumen lächelnd diese Melodie;
Es scheint, als wollten Himmel sich erniedern
Und ganz in diese liebste Bildung steigen.
Nur schaun kann ich und muß geblendet schweigen.

Lealia.
    Bist du es, Waldplatz, wieder mit den Bäumen,
Der mir wie zauberisch dies Bild erweckt,
Das mir gefolgt zu allen meinen Träumen?
Die Ahndung, die mich stets wie Luft gedeckt?
Wieder steht er in einsam grünen Räumen,
Der Löwe hinter ihm im Busch versteckt,
Und dieser fromme Ernst, die sanften Mienen,
Des Auges Blick, sind wieder mir erschienen.

Leo.
    Geliebteste, denn so muß ich dich nennen,
Gedenkst du jener Zeit im Morgenland?
Magst du mich wohl als deinen Freund erkennen,
Der dich einsam im schönen Walde fand?

Lealia.
    Wie mußten wir damals so schnell uns trennen?
Verstellung sei von diesem Mund verbannt,
Mir war ewig dein holdes Bild geblieben,
Ich dachte dich nur, mußte stets dich lieben.

Leo.
    O süß Geständniß, holde, schöne Rede,
Die jeden Trug aus deinem Herzen nimmt!
So sag' auch ich, daß dich nur eine jede
Anmuth mir wies, und wie der Bach hinschwimmt
Und seinen Strom nur sucht, wie durch das öde
Dunkel das Morgenroth mit seinen Strahlen glimmt,
So suchten dich nur die Erinnerungen,
So ward von dir mein finstres Herz durchdrungen.

Lealia.
    Dich einzig nur dachten alle Gedanken,
Du warst mein eigenstes, mein einzig Sein,
So war ich immer treu und ohne Wanken
Mir selbst entfremdet ganz und völlig dein.

Leo.
    Wie soll ich dir für diese Liebe danken?
Wie glänzt die Lilienblume doch so rein!
O könnte dich dein Herz so weit belehren,
O möchtest du der Liebe Gott verehren!

Lealia.
    Seit lange war mir schon der Irrthum fern,
Ein neues Sehnen war in mir erwacht,
Und endlich ging der süße Morgenstern
Auf in dem Herzen und vertrieb die Nacht;
Was Christus lehrte, hört' ich still und gern,
Es ward mein flammend Herz ihm dargebracht,
Schon Christin bin ich, wird mir nur vergönnt
Bald auch der Taufe heil'ges Sakrament.

Leo.
    So sind wir auch im Glauben eng verbunden.
Was könnte unsre Seelen ferner trennen?
Beglückt, daß ich die Einz'ge aufgefunden,
Die mir das Licht des Lebens will vergönnen;
O sel'ge, schmerzenvolle, heil'ge Stunden,
Als ich entfernt in Quaal und Lust entbrennen
Dir mußte und nur dich im Herzen fühlte
Und hin zu dir mit aller Sehnsucht zielte.

Octavianus, Felicitas, Florens, Marcebille, Clemens und Hornvilla treten ein.

Octavianus. O welches Wunder! Welche neue Zeit
Beginnt in uns! Welch seltsam Schicksal fügt
Uns alle, lang getrennt, wieder zusammen!
Mein Florens! Darum schlug mein Herz so oft
Bei deinem Anblick.

Florens.                         O beglückter Tag,
An dem ich meine beiden Eltern finde,
Die edelsten, die mir die Welt zu geben
Vermag; der Vater reich an That und Ruhm,
Die Mutter weitgepriesen hohen Sinns.

Marcebille. Und wie der Krieg, der euch zerstören wollte,
Nun all verbindet, und wie ich, die Feindin,
Das Mittel bin zum innigsten Vereine!

Felicitas. Wie sind mir alle Schmerzen reich bezahlt!
Wer möchte nicht sein Herz auf Zinsen leihn
Und sich dem Leid verpfänden, wenn die Jahre
So reichlichen Ertrag dem Eigner brächten?

Octavianus. Das seltsamste, das eigenste Verhängniß.
Ein Löw' entriß das eine Kind, du fandst es,
Das andre ging im wilden Wald verloren,
Du fandest es nach manchem Jahre wieder.
Ja, auch kein Stäubchen trübt der Wahrheit Licht,
Der alte Clemens ist der beste Zeuge.

Clemens. Ja, gnäd'ger Kaiser, schwer hab' ich an ihm,
Recht schwer getragen und für Geld gekauft
In meiner Narrheit, die nun Gott so schön
Hat end'gen lassen, allen uns zum Heil.
Die wunderbare Sache mit dem Löwen
Und eurem andern Sohn steht aufgeschrieben
(Was ich nur für ein Mährchen immer hielt)
In einem Buch von einem Meister Adam,
Der damals mit euch nach Jerus'lem ging.

Hornvilla. Gar recht, ein Redner und langweil'ger Kerl;
Ich führt' euch dazumal über's Gebirg.

Clemens. Und was den Florens angeht, meinen Herrn,
Den gnäd'gen, der mir lang' als Sohn gedient,
So lebt im Italiän'schen Heer ein Mann,
Der als Soldat mit kam, von dem ich damals
Die kleine allerliebste Krabbe kaufte.
Tritt vor, mein Freund, ehrlicher Robert, komm!

Robert kommt.

Robert. Ja, mein huldreichster Kaiser, ich beschwöre,
Daß ich das Kind dem Manne hier verkauft,
Ich nahm es einem Ritter, der im Walde
Von einem Affen es erbeutete,
Er schlug den Affen und wir fanden den
In seinem Blute; dieser hat gewiß
Das Kind der gnäd'gen Kaiserin entwandt,
Als sie beim Brunnen schlief. Ich mag gestehn,
Daß ich damals kein sonderlich Gewerbe
Trieb, denn ich raubt' auf freier Straße frech;
Verzeiht mir dies, ich hab' im Kriegesdienst
Gut machen wollen toller Jugend Fehler.

Octavianus. Ihr alle sollt nicht ohne reichen Lohn
Euch von mir trennen. – Gattin, liebsten Söhne,
Umarmt euch beide, meine trauten Kinder,
Die schon so jung sich mit dem Ruhm vermählt.

Florens. Weiß ich doch nicht, ob Wald und Berge taumeln,
Ob trunken ist mein Herz, ob ich noch lebe,
In Freudenthränen möcht' ich mich verströmen,
Mich unterstürzen in dem Bad der Lust,
In dem die ew'ge Jugend unten wohnt.

Octavianus. Nur unbegreiflich seltsam bleibt das eine:
Wie kam der Löw' mit unsrem Kinde denn
Auf jene Insel, wo du ihn gefunden?

Florens. Sieh, Marcebille, wie der wilde Leu
Zu deinen Füßen wie ein Hündchen liegt
Und in dein Auge voller Sanftmuth schaut.

Hornvilla. O Ihre Majestät sind zu sehr Grübler.
Wer möchte doch die Sache so genau
Wohl nehmen, wenn von Kindern eines Vaters
Die Red' ist? Nur im Glauben habt ihr sie,
Der bleibt zuerst euch und zuletzt Gewährsmann.
Ihr könnt doch ihnen nicht den Leib aufschneiden,
Wie in einer Devis' 'nen Zettel suchen,
Der da besagt, daß ihr der Vater seid?
Wenn euch nicht Glaube, Liebe, Sympathie,
Die Aehnlichkeit mit euch, und ihre Liebe
Zu euch das Ding bestät'gen, so verschenkt sie,
Laßt laufen, was euch doch nicht so gehört.

Octavianus. Der Narr hat Recht, der Freude gebet Raum:
Ist nicht Natur und Kunst und Poesie
Nur unser in dem schönen Sinn des Glaubens?

Hornvilla. Und was den Löwen angeht, da giebt's Mittel;
Wir lesen ja von einem großen Vogel,
Der Kriegesschiffe mit zweitausend Mann
Kann durch die Lüfte führen, wie der Geier
Die Taube; seht, für den ist solch ein Löwe
Ein Mückchen kaum. Auch ist es äußerst möglich,
Daß nur ein simpler Greif, ein Löw mit Flügeln,
Den viergebeinten faßte, was doch oft
Geschieht, und ihn so auf die Insel trug,
Wenn manche Denker freilich unsern Greifen
Auch für ein Mährchen nur erkennen wollen.

Der Sultan, Arlanges, Lidamas, Kg. Dagobert, Kg. Edward, Kg. Rodrich, Gr. Armand, Bertrand, Roxane.

Kg. Dagobert.
Wir hörten alle schon von eurem Glück,
So reiche Ströme sind herabgeregnet,
Daß sich der Himmel selbst zur Erde nieder
Gebeugt und rings ein Paradies entsprossen.
Hier ist ein jedes Wort zu viel, lebt weiter,
Und Enkel und der Enkel Kinder mögen
Die wunderbare Sage sich erzählen
Und jeden Hörer mit Erstaunen, Wunder
Und Lust und Freude wechselnd ganz erfüllen.

Der Sultan. Doch da ich nun ein Christ geworden bin
Und euren Dionysius lieb' und schätze,
So gebt mir auch den Pontifer zurück.

Kg. Dagobert.
Er sei der eure so wie meine Liebe.

Gr. Armand. Und mir vergönnt, daß ich euch hier bewirthe,
Da sich die wundervollste Auflösung
In diesem Wald begab, in dem Gebiete,
Das mich als seinen Herren anerkennt.
Wir wollen diese Zelte reich ausschmücken
Und neue zwischen diese Bäume spannen,
Farbigt und hell, zum Zeichen unsrer Freude,
Musik soll süß durch diese Thale klingen,
Hier laßt ein frohes Hochzeitmahl uns feiern
Und liebevoll und trunken Sommerlust
Begehn, wie in den guten alten Tagen
Der Vorzeit, wovon uns die Dichter singen,
Daß wir das Glück des Friedens all empfinden.
Trompeten, blast in euern kühnsten Tönen,
Verkündigt meine Freude, daß es mir
Vergönnt, so edle Gäste zu bewirthen.

Trompeten, Musik.

Hornvilla. Wenn es so hoch hergeht, find't unser einer
Wohl einen Menschenfreund von Marketender.
Da seh' ich eine Frau! Mein liebstes Kind,
Ein Gläschen Wein für Geld und gute Worte.

Alivus. Herr Jes! der in der bunten Eselsmütze
Mit all den Schellen ist mein Ehemann!

Hornvilla. Bist du's? – O wunderseltsam Ding von einem
Verhängniß, nicht als Türke, nicht als Christ,
Und nicht als Narr kann ich dir je entlaufen!

Alivus. Mit Herzog Leo kam ich hier herüber.

Hornvilla. Ich drück' ein Auge zu, laß fünfe grad sein.

Leo. Mein Vater, meine liebste Mutter, diese
Jungfrau ist die, von der ich euch erzählt,
Sie liebt mich wie ich sie, gebt euren Segen,
Ich kehre mit ihr nach Jerusalem,
Durch Balduins Tod ist mir sein Thron geworden.

Lidamas. Auch dir, mein Kind, geliebte Lealia,
Folgen mein Segen, meine besten Wünsche.

Arlanges. Und meine Tochter dort, Roxane, hat
Den jungen Ritter Bertrand ausgewählt.

Hornvilla. Wie Fliegen zu dem Honig, rennen alle
Hier zu dem Ehestand gar lustig hin.

Octavianus. Und du, mein Florens, ziehst mit uns nach Rom,
Mein Sohn und edler Erbe meiner Krone.

Arnulphus tritt ein.

Arnulphus.
Es tönt der Ruf der Freude durch den Wald
Und stört die Einsamkeit der stillen Zelle;
Schon hört' ich euer wundervolles Schicksal,
Kehrt nach Paris, dort sei das heil'ge Fest
Der Taufe würdiglich und schön gefeiert,
Dem ganzen Volke ein erbaulich Schauspiel,
Dann gebt euch zur Vermählung eure Hände.

Kg. Dagobert.
Nein, heil'ger Mann, im Walde hier sei alles
Vollendet, wie es in dem Wald begann.

Gesang aus der Ferne, mit Flöten und Schallmeyen.
                  Der Liebe Tempel sei
                          Im Walde!

Ein Zug von Schäfern und Schäferinnen.

Ein Schäfer.
Wir haben, edler Graf, freudig vernommen,
Daß ihr zu uns zurückgekehrt, wir grüßen
Den theuern Herrn mit Musik und Gesängen.

Chor.
    Hinter den Bergesgipfeln
Steigt auf der Mond mit seinem goldnen Glanze,
Er schwebet in den Wipfeln
Der Bäume, rauschend stehn sie in dem Kranze
Der goldnen Sterne, balde
Deckt sich die Flur mit Wellen
Von Schimmern und der Himmel lacht so frei,
Die Sterne in dem hellen
Und tiefen blauen Kreise
Beginnen froh die liebevolle Reise,
Es tönt der Nachtigallen und aller Waldvöglein Geschrei,
Der Liebe Tempel sei
        Im Walde.

Eine Stimme.
    Mondbeglänzte Zaubernacht,
    Die den Sinn gefangen hält,
    Wundervolle Mährchenwelt,
    Steig' auf in der alten Pracht!

Florens.
        Wenn die Blumen sich erschließen
    Und die Frühlingslüfte ziehen,
    Will die Welt sich selbst entfliehen
    Und sich hin in Liebe gießen.

Marcebille.
    Darum muß im Herzen fließen
    Kühler Labung Strom, und sacht
    Bringt ihn die Erfüllung: lacht
    Uns die Holde freundlich milde,
    Sehen wir in ihrem Bilde
    Mondbeglänzte Zaubernacht.

Leo.
        Eine Andacht, Eine Liebe
    Ist dem Herzen und dem Leben
    In der Demuth nur gegeben,
    Weichend keinem andern Triebe.

Lealia.
    Und daß diese in uns bliebe,
    Ist die Treue hingestellt,
    Sie bewacht die rege Welt
    Aller wechselnden Gedanken,
    Treue nur läßt uns nicht wanken,
    Die den Sinn gefangen hält.

Octavianus.
        Wer in Liebe sich berauschet,
    Und sich selber will entfliehen,
    Daß er Kälte mit dem Glühen,
    Haß mit seiner Liebe tauschet,
    Den ein böser Stern belauschet,
    Bis er in die Sünde fällt.

Felicitas.
    Wenn er liebend treu aushält,
    Muß sich alles fügen, schicken,
    Daß ihm dünkt Glück und Entzücken
    Wundervolle Mährchenwelt.

Roxane.
        Was die Geister denken, sinnen,
    Wonach Wünsche und Verlangen
    Jemals nur die Flügel schwangen,
    Können Schöners nichts gewinnen
    Sie als Liebe, denn darinnen
    Uns das Herz der Welten lacht.

Hornvilla.
    Wenn zur Flamm' den Funken facht,
    Güt'ge Nachsicht, dann Gedicht,
    Was auch deiner Kraft gebricht,
    Steig' auf in der alten Pracht! –

Musik; Tanz.

 

Ende.

 


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