Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Stube.

Clemens, Ludwig.

Clemens. Trinkt noch, Gevatter, trinkt das eine Glas noch!

Ludwig. Ich nehm' es für genossen, warlich, bin nicht
Im Stande, außerdem verderb' ich mir
Das Mittagbrod durch allzustarkes Frühstück.

Clemens. Wir werden alt, wir werden ziemlich alt,
Es ist nicht mehr die Munterkeit, wie ehmals,
Ich muß mich auch vor Wein ein bischen hüten.
Ja, was wir lustig waren! ehmals! Wißt ihr?

Ludwig. Wie sollt' ich nicht? Mein Lebtag nicht vergess' ich's.

Clemens. Manch Lied haben wir in der Nacht gesungen,
Manch Mädel, wenn sie hübsch war, ausgespürt,
Und mancher Groschen wurde zugesetzt.

Ludwig. Gevatter, ach! die Jugend ist vergänglich.

Clemens. Ja, das ist wahr; doch freut uns die Erinnrung.
Wärt ihr mit auf die Wallfahrt doch gegangen!

Ludwig. Habt ihr das Buch von Palästina noch
Und Morgenland, auf Pergament geschrieben,
Was ein gewisser Adam aufgezeichnet?

Clemens. Wenn Winter ist, wollen wir's wieder lesen.
Es liest sich gut, doch mag nicht alles wahr seyn;
Allein die schnurrige Manier, Geschichten,
Die er erzählt, Lebensphilosophie,
Von wilden Thieren, Quellen und was sonst
Zum Christenthum gehört, das ganze Wesen,
Man hat es gern, wenn man's auch nicht so glaubt.

Ludwig. Wer hätte das gedacht, daß ihr mir damals
Solltet aus Welschland eine Frau mitbringen,
Die euren Kleinen unterweges stillte;
Die gute Antonell', Gott hab sie selig.
Wir lebten recht zufrieden mit einander,
Ein gut Gemüth, besonders als sie erst
Die Landessprache hier recht inne hatte.

Anton kommt.

Anton. Gevatter, guten Morgen. Hier ist's kühl.

Clemens. Es ist mein Sommerstübchen.

Anton.                                                         Das ist wahr,
Das neue Haus ist hübsch und sehr bequem,
Die Lage schön da vorne nach der Wiese.

Clemens. Es ist auch alles mit Bedacht gemacht.

Anton. Als ich jezt eben zu euch gehen wollte,
Begegnet mir da in der Stadt ein Hengst
In vollen Sprüngen, mächtig, wie ein Berg,
Schwarz wie die Nacht, und hat sich, dreht sich, schnaubt, –
Und rathet mal, wer oben auf ihm saß.

Clemens. Ich weiß nicht.

Anton.                               Florens, euer jüngster Sohn.

Clemens. Florens? Wie Teufel, – ist der Junge toll?

Anton. Ich wollt' auch erst nicht meinen Augen traun;
Ich sag' euch doch, ein Pferd wie 'n wilder Mohr;
Ich sprang zurück, die Leute waren bange,
Da ließ er's traben, rennen, galoppiren
Und Sätze machen, aber er saß fest.
Ein Kind lief queer die Straße ihm vorbei,
Da dachte man, das Kind würd' umgerannt,
Er hielt's 's Pferd, daß es stund wie eine Mauer.

Clemens. Blitzjung! wie kömmt der Bengel auf das Pferd?

Anton. Nun ging's zur Wiese, was es mocht' und konnte,
Ich hab' solch Reiten nimmermehr gesehn,
Verständ'gen Leuten wird vom Anschaun schwindlicht.
Horcht! was da klappert! Er ist's ganz gewiß.

Clemens. Bewahre Gott, was ist das für ein Thier,
Das nimmt mir ja den ganzen Hof fast ein.
Wie ist der Junge an das Roß gekommen?

Ludwig. Er streichelt's, wischt den Schweiß ihm von dem Leibe,
Da bindt' er's an, als müßt' es nur so seyn.

Florens kommt.

Florens. Vater, nun können wir den Stall gebrauchen.

Clemens. Jung', sag, was machst du mir für dumme Streiche?

Florens. Das ist ein Pferd, mein Vater! das heißt reiten!
Das ist ein andres Leben, als mit Zahlpfenn'gen
Und Scheidemünz die Hände schmutzig machen,
Die Säcke schleppen und an Nummern denken.
Ich bin recht heiß. Was wird die Mutter sagen!

Clemens. Der Esel hört nicht! Wie kommst du zum Roß?

Florens. Gar wunderbar, ihr glaubt's kaum, wenn ich's sage.
Ah, guten Tag, Herr Anton. Gelt, es lief?
Sein Diener, mein Herr Ludwig. Rappe heißt's,
Weil's so ganz schwarz ist. Auf der Wiese hier
Kann ich's recht reiten.

Clemens.                             Und wo kommt es her?
Verlier ich die Geduld, geht's dir nicht gut.

Florens. Er wird sich freuen, Vater! Ich war bange,
Der Kaufmann möchte immer wieder kommen,
Sein Roß zurücke fodern, solchen guten
Handel hab' ich gemacht. Ich kam zum Markt,
Da ward's geritten und so frag' ich auch:
Was kost't das Pferd? Man sagt, vierhundert Pfund.

Clemens. Verflucht!

Florens.                     Freilich, denn das ist gar zu wenig.
Wollt ihr hier die armseligen fünfhundert
Für's Roß, fragt' ich den Kaufmann –

Clemens.                                                   Und –

Florens.                                                                 Ja, sagt' er!
Der Handel war gemacht; wer froh, wie ich?
Aufsteigen, reiten, springen, das war eins,
Und der muß nun den schweren Sack fortschleppen!

Clemens. Mich rührt der Schlag –

Ludwig.                                             Gevatter ihr schwimmt weg.

Anton. Da trinkt ein Glas, das wird euch gut bekommen.

Florens. Nicht, Vater, das hat Er wohl nicht gedacht,
Daß ich so klug im Handel wär'? Was soll
Der Mann mit den schimmligen Groschen machen?
So dacht' ich, daran ist nicht Lust nicht Freude,
Die taugen nichts, das Roß hat Leben, Kräfte,
So kluge, schöne, groß' und wilde Augen,
So scheu und muthig. O, wenn man's recht anschaut,
Meint man, man müßt' gleich in den Krieg hinein.

Clemens. O Schlingel! Bärenhäuter! Kann das seyn,
Kanns in der Welt noch solchen Tölpel geben?
Ich halt's nicht aus! der Streich nimmt mir das Leben!
        Er springt auf und fällt dem Florens in die Haare.
Ja zausen will ich dich, du Taugenicht,
Maulschellen dieses alberne Gesicht –

Florens. Was macht Er, Vater, was ist denn geschehn?

Clemens. Frag' noch, wenn mir die Augen übergehn
Vor Leid, vor Gram, vor Wuth! Das schöne Geld!
O einen Prügel her um alle Welt!

Florens. Ist denn das Roß nicht gut?

Clemens.                                             Willst räsonniren,
Du Bastard, Spitzbub, Satan? Du sollst spüren,
Daß ich noch Kräfte habe, großer Lümmel!
O weh! ich halt's nicht aus! hilf mir, o Himmel!

Wirft ihn nieder und schlägt ihn, Susanne kommt.

Susanne. Was giebt's denn hier?

Ludwig.                                           Nun gebt euch nur zur Ruh.

Florens. Nein, Vater, schlag er mich nur immer zu,
Ich bin sein Kind, laß er mir nur das Pferd,
Das ist viel Schläg' und tausend Pfunde werth.

Clemens. Ich kann nicht mehr, in's Grab bringt mich der Hund,
Vater und Mutter macht er ungesund,
So jagt er täglich Bosheit mir in'n Leib:
Hätt' ich ihn doch ersäuft! ja, liebes Weib,
Den Bösewicht, den mir mein Unglück gab,
Er bringt uns beide an den Bettelstab.

Susanne. Du bist ganz außer dir. Was hat's gegeben?

Clemens. Was muß ich an dem Esel doch erleben!
Vernunft und Sitten und Menschenverstand
Bleibt lebenslang dem Bären unbekannt.
Er hört nach nichts, er sieht nach nichts, Schelmstücke,
Narrntheiding, Affenstreiche sind sein Glücke,
Wo er von Blinden singen hört Romanz
Von Helden, ja da ist der dumme Hans
Ganz wie verzückt und gar nicht bei sich selber,
Da macht er Augen wie gestochne Kälber,
Wenn er von Drachen hört, von Riesen, Schlachten,
Wie Ritter sich um Ehr' und Leben brachten: –
Wirst du davon dein Brod einst können fressen?
Da werden dir die Bissen schmal gemessen. –
Geh, du Hans-Wurst, da steht noch etwas Schinken,
Iß den, du kannst doch nichts als essen, trinken: –
        Florens setzt sich hinter den Tisch und ißt.
Doch wo's zu thun giebt, wo's heißt: Witz heraus!
Da ist mein irr'nder Ritter nicht zu Haus,
Kein' gute Lehre, kein' Vermahnung nicht,
Kein Bitten, keine Müh, kein Unterricht,
Was ich mich quäle, ihm nur beizubringen,
Rechnen und Schreiben, Lesen, nie gelingen
Kann es, was man auch mit ihm lies't und schreibt,
Daß man die Poss'n ihm aus dem Kopfe treibt.
So bettle denn auch künftig dir dein Brod! –
Da sitzt er, frißt und hat gar keine Noth,
Grämt sich nicht mal. Jezt such' ich einen Stock
Und klopfe wieder diesen dummen Block!

Susanne. Nein, lieber Mann, sei ruhig. Liebe Zeit!
Was ist das für ein zänkisch Leben heut'.

Clemens. Ja hat sich was zu leben und zu zanken,
Ich soll mich bei dem Schlingel wohl bedanken,
Daß er fünfhundert Pfund mir weggeschmissen?
Die kann ich wohl so mir nichts dir nichts missen?

Susanne. Wie bist du, Florens, denn so gar verkehrt?

Clemens. Kauft mir in's Haus den Ochsen da von Pferd!

Claudius kommt.

Claudius. Ich wundre mich, daß mir der Vater nicht
Den Bruder nach der Wechselbanke schickt –
Da sitzt der Große ja und frühstückt ruhig –
Nun, das muß ich gestehn!– Es kommt da einer
So nach dem andern zu mir, fodert Geld,
Ich sitze in der Sonne, wart' und warte,
Die Leute gehn zu andern Wechseltischen
Und mein Herr Florens sitzt hier bei dem Schinken.

Clemens. Ach, lieber Sohn, ich werde fast verrückt
Im Kopf, so hat der Schlingel mich geärgert.

Claudius. Herr Jesus! Was steht da in unserm Hof?
Ein Pferd, so groß wie ein Rhinozeros!

Clemens. Das hat er für das Geld uns eingekauft,
So groß und dick, wie er da vor uns sitzt,
Das werden wir noch füttern müssen, wenn's
Nach ihm geht, daß der Herr nur reiten kann.

Claudius. In Gottes Namen kann's für mich verhungern,
Ich rühr's nicht an, ich dächt', es würd' mich fressen,
Wenn es den Hals so aufreißt. 'S ist gleich Mittag,
Ich geh' hinein, mich hungert auch nach Essen. geht.

Florens. Ich will schon für das Pferd alleine sorgen,
Es kennt mich schon und ich versteh's am besten,
Ich kann's auch satteln, zäumen, striegeln, alles,
Ich will ihm gerne Heu und Hafer geben. ab.

Clemens. Begreift ihr was, Gevatter, von dem Jungen?

Susanne. Mein lieber Mann, du hast ihn schlimm geschlagen
Und dir nur weh mehr fast als ihm gethan,
Wir können doch nicht wissen, was es ist,
Vergieb es ihm und sei zufrieden, denn wer weiß,
Ob er nicht ist vornehmer Leute Kind,
Denn all sein Thun hat doch so was Apartes,
An Reiten, Krieg und Fechten denkt er immer,
Laß ihn gewähren, Gott kann's also fügen,
Daß er noch unser aller Glück mal macht.

Anton. Ich sag' euch, Mann, er saß zu Pferde, so
Wie man vom besten Ritter wünschen kann.

Ludwig. Es ist mit ihm ein recht bedenklich Ding.

Clemens. Ach, ich bin ganz zerschlagen und ermattet.
Wollt ihr, Gevattern, nicht zu Tische bleiben?

Susanne. Nehmt so vorlieb, das Essen ist bereit.

Ludwig und Anton.
Danken recht sehr. Gesegnete Mahlzeit.

Alle gehn ab.

Florens allein.
    So schlimm schlug er mich nicht in allen Jahren,
Um's Roß will ich es aber gern erdulden.
Er riß mich warlich derbe in den Haaren;
Ich weiß gar nicht: was war denn mein Verschulden?
Das schönste Pferd von allen, die da waren,
Ich gäbe wohl dafür zwei tausend Gulden,
Der Vater aber ist kein großer Reiter,
Drum nennt er mich nur einen Bärenhäuter.

    Dich aber, gutes Roß, will ich nun pflegen,
Wir beiden sind nun gute Kameraden,
Das beste Futter will ich dir vorlegen,
Zum Flusse reit' ich dich, im Strom zu baden,
Du siehst mich an mit deinem Aug' verwegen
Und ich verschmerze gerne jeden Schaden.
O wär' doch Krieg, die Fahnen hochgeschwungen,
Wir wollten sein tief in den Feind gedrungen! ab.



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